BGH engt Preisgestaltung für Banken ein
Banken: BGH engt Preisgestaltung ein
Mit Pricing-Governance und Innovationen den Auswirkungen des BGH-Urteils begegnen.
Der Bundesgerichtshof wirbelt die Preispolitik im Retail-Banking durcheinander
Seit dem Jahr 2014 ist eine Trendumkehr bei den Entgelten für private Girokonten zu beobachten. Nach Preisrückgängen zu Beginn des letzten Jahrzehnts sind die Entgelte zwischen 2015 und 2019 laut Statistischem Bundesamt um rund 25 Prozent angestiegen. Auch 2020 gab es einen anhaltenden Preisauftrieb: Kontoführungsentgelte zeigten eine durchschnittliche Erhöhung von 6,4 Prozent.
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem zu einer Entgelterhöhung für Girokonten aus dem Jahr 2018 geurteilt wird, sorgt nun für Aufsehen in der Bankenwelt. Der für Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat hat am 27. April 2021 entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie in Sonderbedingungen von Banken unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung der Kund:innen zu Änderungen fingieren (Az. XI ZR 26/20).
Im konkreten Fall sahen die AGB vor, dass Kund:innen schriftlich angezeigten Änderungen allein dadurch zustimmen, dass eine rechtzeitige Ablehnung der Änderungen nicht erfolgt. Dieser Mechanismus der Zustimmungsfiktion war in den letzten Jahren weit verbreitet und stellt Preisentscheider gleich vor mehrere Fragen. Zum einen bedarf es einer Analyse, ob vergangene Entgelterhöhungen rechtswirksam sind, zum anderen gilt es zukunftssichere Preisgestaltungsmöglichkeiten im Retail-Banking zu definieren. Weiterhin „leise“ an der Preisschraube zu drehen wird durch das BGH-Urteil nun deutlich erschwert. Zukünftig wird es umso wichtiger, Preisentscheidungen systematisch in der Bankstrategie und -governance zu verankern.
Banken als effektive Pricing-Organisation gestalten
„Viele Banken haben unserer Einschätzung nach eine formalisierte Preisstrategie, aber nicht jede Bank operationalisiert diese Strategie konsequent durch eine passende Pricing-Governance“ sagt Patrick Han, Director bei KPMG. In der Branche herrscht ein großer Nachholbedarf, die stiefmütterlichen Ansätze zu optimieren und statt puren Wachstumszielen auch die Profitabilität in den Fokus zu rücken. Wichtig ist es, unternehmensspezifisch den richtigen Grad zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung der Verantwortlichkeiten in der Preisgestaltung zu bestimmen, um eine Balance zwischen Gesamtstrategie der Bank und Expertenwissen aus Produkt und Markt zu erzeugen. Wesentliche Verantwortlichkeiten können die Erarbeitung preisstrategischer Grundsätze oder systematische Markt- und Wettbewerbsbeobachtungen sein. Im Mittelpunkt sämtlicher Aktivitäten sollte stets das Ableiten der Zahlungsbereitschaft von Kund:innen sowie die Interaktion und Kommunikation mit diesen stehen. Für unsere Kund:innen haben wir bereits Konzepte entwickelt, wie Preisanpassungen erfolgreich durchsetzbar und gleichzeitig innovativ sind. Auf diese Weise steigt die Profitabilität und ein Schaden kann abgewendet werden.
Das Aufräumen und der Neustart nach dem BGH-Urteil
Gerade für Bestandskund:innen ist die juristische Aufarbeitung und Anpassung von Bedingungen nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung entscheidend. Banken müssen nun die Prozesse für mögliche Rückerstattungen (ggfs. auch für ehemalige Kund:innen) schaffen und Szenarien zum finanziellen Risiko berechnen.
Der Umfang möglicher Erstattungen kann erheblich sein, wie das folgende Beispiel zeigt: Eine fiktive Bank mit 4 Millionen Girokonten hat 2018 ein monatliches Kontoführungsentgelt in Höhe von 3,90 Euro eingeführt. Die mögliche Erstattung summiert sich dabei auf mehr als 500 Millionen Euro. Zusatzleistungen, wie beleghafte Überweisungen, deren Entgelt ebenfalls nichtig sein könnte, sind in diesem Beispiel noch nicht eingerechnet.
Bei Angeboten für Neukund:innen ist es entscheidend, das Zusammenspiel von Produkt und Preis neu zu denken. Ein möglicher Ansatz ist es, Produktkomponenten zu modularisieren und separat zu bepreisen. Das Basiskonto wird beispielsweise um ein Auslandspaket mit weltweit kostenfreien Abhebungen und Reiseversicherungen gegen ein separates Entgelt ergänzt und die Ergänzung kann monatlich in der App der Bank gebucht bzw. gekündigt werden. Wichtig ist es, seine Kund:innen zu kennen, um die entscheidenden Leistungskomponenten bedarfs- und zielgruppengerecht zu entwickeln und ein nutzenbasiertes Pricing der Komponenten zu ermöglichen.
Wir unterstützen Sie sehr gerne bei der Analyse und Abwicklung von Rückerstattungen, als Berater Ihrer Pricing Organization oder als Impulsgeber für innovative Produkt- und Preiskonzepte – lassen Sie uns gemeinsam die Lösungsansätze für Ihr Vorhaben entwickeln.