CSRD-Vorgaben: Wie Banken die Wesentlichkeitsanalyse erfolgreich meistern

Tipps aus der Praxis für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Keyfacts:

  • Die CSRD erweitert die Pflichten für das externe ESG-Reporting von Banken.
  • Ausgangspunkt der Berichterstattung ist die Wesentlichkeitsanalyse – sie stellt Banken aufgrund der Besonderheiten ihres Geschäftsmodells vor Herausforderungen.
  • Mit unseren Praxistipps verschaffen Sie sich einen Überblick, wie Sie bankspezifische Aspekte in der Wesentlichkeitsanalyse berücksichtigen können.

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union revolutioniert. Auch für Banken wird das ESG-Reporting maßgeblich erweitert.

Konkretisiert werden die Anforderungen aus der CSRD – eines der regulatorischen Megathemen in diesem Jahr – in zwölf European Sustainability Reporting Standards (kurz: ESRS). Neben zwei verpflichtend zu erfüllenden übergreifenden ESRS (ESRS 1 und 2) geben die übrigen zehn ESRS konkrete Berichtsinhalte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance vor. Diese Standards bilden den Rahmen für alle nach CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten Unternehmen – unabhängig von sektorspezifischen Anforderungen.

Das bedeutet „Wesentlichkeitsanalyse“ gemäß CSRD

Ob und in welchem Umfang entlang der Anforderungen der zehn themenspezifischen ESRS zu berichten ist, wird im Rahmen einer Wesentlichkeitsanalyse bestimmt, deren Ziel eine unternehmensspezifische Bewertung der Relevanz von Nachhaltigkeitsthemen für das berichtende Unternehmen ist. Das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse sind damit die Nachhaltigkeitsthemen, über die im Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD berichtet werden muss.

Sie erfordert eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Themen für die wichtigsten Stakeholdergruppen eines Unternehmens relevant sind. Hier wird schon deutlich: Was ‚wesentlich‘ ist, kann sich je nach Haus unterscheiden und muss individuell erarbeitet werden.

Sektorspezifische Standards für Banken gibt es dabei bislang noch nicht – sie werden noch erarbeitet. Daher obliegt die Identifikation relevanter Nachhaltigkeitsinformationen vor dem Hintergrund der besonderen Wertschöpfungskette von Kreditinstituten einer erheblichen Unsicherheit ohne detaillierte regulatorische Leitplanken.

Doppelte Wesentlichkeit – zwei Fragen leiten die Bewertung

Unternehmen sollen sich also in ihrer CSRD-Berichterstattung auf die Nachhaltigkeitsthemen konzentrieren, die sie nach dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“ als besonders wichtig identifizieren. Im Zentrum der Bewertung stehen dabei zwei Fragen:

  1. Welche positiven oder negativen Auswirkungen hat das Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft? („Inside-Out“-Perspektive/Impact Materiality)
  2. Welche finanziellen Risiken und Chancen erwachsen für das Unternehmen aus Nachhaltigkeitsthemen? („Outside-In“-Perspektive/Financial Materiality)

Wird ein Thema aus mindestens einer der beiden Perspektiven als wesentlich bewertet, ist dieses in die CSRD-Berichterstattung aufzunehmen. Dabei muss ein Unternehmen nicht nur die eigene Geschäftstätigkeit einbeziehen, sondern auch die Auswirkungen, Risiken und Chancen in seiner vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette berücksichtigen.

Wesentlichkeitsanalyse für Banken besonders komplex

Banken stehen bei der Bewertung der Informationen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor einer besonderen Herausforderung: Die ESRS sind branchenübergreifend formuliert, zielen vor allem auf Unternehmen der Realwirtschaft und berücksichtigen keine bankspezifischen Besonderheiten wie zum Umgang mit potenziellen positiven oder negativen Auswirkungen von Kreditfinanzierungen. Damit sind Finanzinstitute bei der Bestimmung ihrer wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen mit einer erhöhten Komplexität und Unsicherheit konfrontiert.

Wie können Banken also eine CSRD-konforme Wesentlichkeitsanalyse vornehmen, wenn weder die ESRS noch verfügbare Guidelines bislang die Besonderheiten des Geschäftsmodells von Banken berücksichtigen? Wir geben drei Tipps aus der Praxis, die Banken helfen können, die Wesentlichkeitsanalyse erfolgreich zu meistern.

Praxistipp 1: Bankspezifische Nachhaltigkeitsaspekte hinzuziehen

Klimawandel, Biodiversität, die eigene Belegschaft, Beschäftigte in der Wertschöpfungskette, Unternehmensführung, Korruption – die ESRS geben viele potenziell relevante Themen vor, die im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse zu bewerten sind. Sie enthalten für diese Themen einheitliche Vorgaben zur besseren Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte.

Sie sind aber nicht abschließend. Es ist absehbar, dass unternehmensspezifische Besonderheiten regelmäßig weitere Angaben erfordern, um ein vollständiges Bild sämtlicher wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte einer Organisation zu erhalten. Unternehmen müssen also zusätzlich nach festgelegten Kriterien ermitteln, welche weiteren Angaben sie in den Nachhaltigkeitsbericht aufnehmen müssen.

Insbesondere in den Themenfeldern Soziales und Governance ist bei Banken damit zu rechnen, dass die ESRS-Themen nicht das gesamte Spektrum potenziell relevanter ESG-Themen abdecken. Zusätzliche Aspekte können zum Beispiel die verantwortungsvolle Kreditvergabe, die Verhinderung von Überschuldung, Pflichten in Bezug auf die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie spezifische Compliance-Anforderungen im Finanzsektor sein. All das sind Beispiele für zusätzliche Nachhaltigkeitsthemen, die Banken bei der Wesentlichkeitsanalyse in Betracht ziehen sollten.

Einen Startpunkt für das Identifizieren weiterer Themen kann zum Beispiel der Materiality Finder des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) bieten, der für verschiedene Marktsegmente (zum Beispiel Consumer Finance, Investment Banking & Brokerage, Commercial Banks) potenziell relevante Nachhaltigkeitsthemen aufzeigt.

Praxistipp 2: Eigenen Geschäftsbetrieb und Portfolio unterscheiden

Im Gegensatz zu Unternehmen des produzierenden Gewerbes verursacht ein Finanzinstitut wesentliche Auswirkungen (Impacts) in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte nicht direkt über Aktivitäten in seinem eigenen Geschäftsbetrieb, sondern indirekt über Finanzierungen und Investitionen. Ihr Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft lässt sich daher nicht allein an den Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs messen, sondern über eine detaillierte Analyse des Bankgeschäfts – also des Portfolios.

Im eigenen Geschäftsbetrieb können Banken beispielsweise über die Nutzung von erneuerbarem Strom oder die Umstellung auf elektrische Dienstwagen Treibhausgasemissionen einsparen. Größerer Einfluss auf die Eindämmung des Klimawandels kann aber dadurch entstehen, dass Banken darauf hinwirken, die Emissionen ihres finanzierten Portfolios zu reduzieren und zum Beispiel über das Angebot von Green Loans Anreize für Kundinnen und Kunden schaffen, ihre Emissionen zu reduzieren.

Auch die wesentlichen ESG-Risiken aus finanzieller Perspektive betreffen in der Regel Risiken in der Kreditvergabe oder bei Investments und nicht den eigenen Geschäftsbetrieb. Ein klassisches Beispiel ist dabei das Risiko eines vermehrten Zahlungsausfalls von Kreditnehmern, die von Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Deshalb empfiehlt es sich für Banken, neben der Betrachtung der Impact und Financial Materiality noch eine weitere Analyseebene hinzuzuziehen: Sie sollten die Wesentlichkeit der Nachhaltigkeitsaspekte für den eigenen Betrieb und das Portfolio getrennt voneinander betrachten und bewerten.

Praxistipp 3: Synergien mit bestehenden Analysen zu ESG-Themen nutzen

Haben Banken festgelegt, welche Nachhaltigkeitsthemen sie in der Wesentlichkeitsanalyse betrachten und ob sie den eigenen Betrieb und das Portfolio getrennt bewerten, schließen sich Fragen nach der Dokumentation und neuen Vorgehensweisen an: Wie können der Prozess und das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse angemessen – und  prüfungssicher – dokumentiert werden? Müssen für die Wesentlichkeitsanalyse zur CSRD neue Analyseprozesse und -methodiken entwickelt und aufgesetzt werden?

Für den ersten Analyseturnus bietet sich eine enge Verzahnung mit bestehenden Prozessen an. Das können zum Beispiel die Ergebnisse quantitativer ESG-Wirkungs- oder Risikoanalysen im Zusammenhang mit bestehenden bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen sein, aber auch qualitative Analysen wie die Auswertung von Kundenbeschwerden oder Presseberichten mit Bezug zu Nachhaltigkeitsthemen.

Das untermauert zum einen quantitativ und faktenbasiert die Bewertungen im Rahmen derWesentlichkeitsanalyse und verringert ihren Aufwand aufgrund der entstehenden Synergien. Zum anderen stellt es Konsistenz zu Schnittstellenthemen wie der Risikotreiberanalyse bei Banken unter EZB-Aufsicht sicher.

Die Weiterentwicklung der Wesentlichkeitsanalyse

Für die künftige Weiterentwicklung des Prozesses der Wesentlichkeitsanalyse kommen weitere Aspekte hinzu: In welchem Umfang und wie häufig werden externe Stakeholder eingebunden? Wie kann die Einwertung der Wesentlichkeit quantifiziert werden, also etwa mit entsprechenden Analysen des finanzierten Portfolios? Kann der Aufwand der Wesentlichkeitsanalyse im Linienbetrieb – beispielsweise durch das Nutzen entsprechender Tools – insgesamt reduziert werden?

Zu erwarten ist, dass sich der Markt spätestens mit Veröffentlichung der ersten CSRD-Berichte sowie der sektorspezifischen Standards für Banken in Richtung eines standardisierten „Best Practice“-Vorgehens entwickeln wird.