Digital Assets Derivate: Schrittweise Standardisierung geplant
Hier kommen Digital Assets Derivative
Neue Derivate bringen große Umbrüche für Banken
Digital Assets und Decentralized Finance (DeFI) gehören derzeit zu den dynamischsten Innovationstreibern. Sowohl die steigende Nachfrage als auch die Einführung digitaler, dezentraler Finanzprodukte werden den Finanzmarkt grundlegend verändern.
Mit der zunehmenden Bedeutung von Digital Assets für das Risikoprofil von Kapitalmarktakteuren besteht die Notwendigkeit, wie bei klassischen Finanzprodukten, zugehörige Digital Asset Derivative abzuschließen, um Risiken (etwa Marktpreis- und Kontrahentenrisiken) aktiv zu steuern. Neue vertragliche Standards, Templates und Definitionen sind bereits in Entwicklung und Banken sollten die Chance nutzen, diese aktiv mitzugestalten.
Digital Asset Derivative sind Derivate, die auf Digital Assets referenzieren. Im Gegensatz zu klassischen Derivaten bestehen aber aktuell noch keine technischen, rechtlichen und vertraglichen Standards. Da solche Standards aber Voraussetzung für eine breite, transparente und effiziente Nutzung sind, plant die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) als bisheriger Standardsetzer bei klassischen Derivaten ein analoges vertragliches Regelwerk zu entwickeln. In ihrem im Dezember 2021 veröffentlichten Paper kündigt sie neue Standards an, die sich an dem bestehenden ISDA-Regelwerk orientieren sollen. Technologische Aspekte sollen neben den rechtlichen, operativen und regulatorischen eine wesentliche Rolle spielen. Dazu zählen Distributed-Ledger-Technologien (DLT) und Smart Derivative Contracts (SDC).
Smart Derivative Contracts zeichnen sich dadurch aus, dass die durch einen Vertrag vereinbarten Transaktionen vollständig automatisch und algorithmisch (zum Beispiel bei Implementierung auf einer Blockchain) abgewickelt werden. Um die Potenziale dieser technologischen Neuerungen und der einhergehenden Automatisierung aufzuzeigen, hat die ISDA das Common Domain Model (CDM) entwickelt. In diesem Modell wird der Produktlebenszyklus von Derivaten maschinenlesbar formalisiert, sodass deren Handel zukünftig auch auf Basis von DLT und SDC implementiert und als Standard für automatisiert ablaufende Geschäfte verwendet werden könnte. Damit bilden SDC, DLT und CDM ein mögliches technisches Fundament für den Handel von Digital Assets (Derivativen).
Unterscheidung von Digital Asset Derivativen
Die ISDA unterscheidet bei der Standardsetzung zwischen zwei Arten von Digital Assets, auf welche eine Referenzierung durch Derivate erfolgen kann. Diese sind:
- Native Digital Assets: Digital Assets, die keinen zugrunde liegenden Basiswert haben oder keinen Anspruch oder Recht auf etwas ausdrücken. Beispiele hierfür sind Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether.
- Asset-referenced Digital Assets: Digital Assets, die entweder einen zugrunde liegenden Basiswert, wie zum Beispiel den Besitz einer Aktie, eines Teils einer Immobilie oder von Kunstgegenständen haben, oder andererseits ein Anrecht (in Form einer Anleihe oder eines Zertifikates) ausdrücken. Obwohl die Asset-referenced Digital Assets einen Besitzanspruch auf real existierende Basiswerte ausdrücken können, liegt es in rein digitaler Form (zum Beispiel als Security Token auf einer Blockchain) vor.
Eine Unterscheidung ist aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften notwendig, da sie Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung haben. Sowohl die Native als auch die Asset-referenced Digital Assets basieren größtenteils auf DLT-Netzwerken und in diesen auf der Blockchain-Technologie.
Herausforderungen bei der geplanten Standardisierung von Digital Asset Derivativen
Die Herausforderung bei der Einführung neuer vertraglicher Standards für den Handel von digitalen Derivaten sind insbesondere auf den Einsatz neuer Technologien wie Blockchain und Smart Contracts sowie dezentrale Marktplätze zurückzuführen. Zudem muss das vertragliche Rahmenwerk offen gegenüber technischen und produktgetriebenen Innovationen sein und schnell auf regulatorische Änderungen reagieren können, da aktuell noch eine sehr hohe Dynamik in diesen Themen zu beobachten ist.
Die ISDA identifiziert dabei drei Bereiche, denen besondere Aufmerksamkeit bei der vertraglichen Ausgestaltung zukommen sollte:
1. Technische und prozessuale Störereignisse
Das können zum Beispiel Cyberattacken, Änderungen der Gesetzgebung, Bugs oder Störungen der Datenverfügbarkeit sein, die den automatisierten Geschäftsablauf verhindern. Die Herausforderung besteht darin, die auftretenden Ereignisse in den SDC einzubauen, sodass dessen Ablauf möglichst deterministisch ist und möglichst wenig Einflussnahme von Dritten erfordert. Das CDM der ISDA ist in der Lage mit solchen Ereignissen standardisiert umzugehen und kann damit als Grundlage zukünftiger Vertragsgestaltungen verwendet werden.
2. Bewertung und Besicherung von Digital Asset Derivativen
Sie betrifft im Kern die Notwendigkeit einer geregelten und fairen Bewertung der Digital Assets. Durch die automatisierte Bewertung können beispielsweise die Collateral- oder Settlement-Zahlungen bestimmt werden und durch die hohe Volatilität der Digital Assets sowie die Dezentralisierung der Marktplätze können besondere vertragliche Regelungen notwendig sein, um zu marktgerechten Bewertungen zu gelangen. Außerdem muss die Verfügbarkeit von externen Daten (Preise, Indexwerte) gewährleistet werden, damit bei dem automatischen Ablauf der Zahlungen keine Fehler entstehen und die durch die Automatisierung entstanden Potenziale effizient genutzt werden können.
3. Integration in das bestehende ISDA-Rahmenwerk
Kann der Handel von Digital Asset Derivativen in das bestehende vertragliche ISDA-Rahmenwerk (z.B. Master Agreement, Credit Support Annex) eingebunden werden? Eine wesentliche Frage dabei ist, ob Digital Assets als Collateral- oder Settlement-Zahlung verwendet werden können und ob der Transfer von Digital Assets die Anforderungen an eine Zahlung im Sinne des ISDA Master Agreement erfüllt.
Schrittweise Entwicklung bei der Standardisierung
Die Veröffentlichung der neuen vertraglichen Standards, Templates und Definitionen soll schrittweise erfolgen und überkomplexe Richtlinien vermeiden. Im Jahr 2022 sollen erste Transaction Templates für Native Digital Assets veröffentlicht werden, die jedoch auf zentralen Marktplätzen gehandelt werden sollen und deren Settlement durch klassische Fiatwährung erfolgt. Die weitaus bedeutendere Einführung von Definitionen und Richtlinien für komplexere Native Digital Assets und Asset-referenced Digital Assets ist ab 2023 geplant. Hierbei soll der Handel auch auf dezentralen und hybriden Marktplätzen möglich sein und die Settlement-Zahlung mit Digital Assets erfolgen können.
Banken gefordert: Digital Assets Derivate bringen einen Umbruch
Die Bedeutung des wachsenden Marktes für Digital Assets wird durch die Einführung eines einheitlichen vertraglichen Regelwerkes gestärkt und ist ein wesentlicher Schritt bei der Etablierung von Digital Asset Derivativen als zukünftiger Marktstandard.
Dieses vertragliche Regelwerk wird eine maßgebliche Bedeutung bei der zukünftigen Gestaltung der Prozesse sowie für die Risikomessung und Steuerung haben und damit einen starken Einfluss auf die Banken und ihre Geschäftsabläufe nehmen. Ganze Bereiche, wie die Risikomessung, bei der eine Anpassung der Bewertungsansätze und Methoden zur Messung von Marktpreis- und Kontrahentenrisiko notwendig sein kann, müssen an den Handel von Digital Asset Derivaten angepasst werden und stellen Banken vor neue Herausforderungen, etwa bei der Identifikation neuer Risiken. Klassische Derivate werden mittel- bis langfristig ebenfalls von Bedeutung sein, sodass Unterschiede in den Prozessen und bei der Risikosteuerung zu einer erhöhten Komplexität führen können. Die Etablierung der Digital Asset Derivativen wird zu einem erheblichen Umbruch führen, weshalb sich die Banken schon heute auf diese Änderungen vorbereiten sollten – technisch, prozessual und fachlich.
Vielen Dank an unseren Co-Autor Matts Nissen.