Green IT: Nachhaltigkeit ohne Kompromisse?

Green IT: Nachhaltigkeit ohne Kompromisse?

Wie Versicherer Zielkonflikte von nachhaltiger IT managen.

Keyfacts:

  • Bis zu 25 Prozent der Emissionen eines Versicherers stammen aus der Unternehmens-IT.
  • Green-IT reduziert Emissionen und kann langfristig Betriebskosten senken.
  • ESG-Ziele stehen teils im Zielkonflikt mit Verfügbarkeit und Performanz – eine ausgewogene Balance erfordert eine gezielte IT-Steuerung.

Versicherungsunternehmen stehen vor der Aufgabe, Nachhaltigkeit nicht nur in Produkten und Kapitalanlagen zu verankern, sondern auch in den eigenen Betriebsstrukturen. Ein oft unterschätzter Emissionstreiber ist die Unternehmens-IT: Bis zu einem Viertel der CO₂-Emissionen kann auf sie zurückzuführen sein – Tendenz steigend.

Während einzelne Versicherer bereits Pilotmaßnahmen ergreifen, fehlt es branchenweit häufig an einer systematischen Herangehensweise. Dabei bietet nachhaltige IT nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch Potenziale für Effizienz, Kostensenkung und Reputationsgewinn.

Sowie sich die IT-Abteilungen dem Ziel „Emissionsreduzierung“ zuwenden, sind sie bei der Energieeffizienz angelangt, und damit in einem Themenbereich, der für die meisten IT-Manager:innen neu sein dürfte: Performance, Verfügbarkeit, Stabilität, Sicherheit, Customer Experience etc. – alles bekannte IT-Ziele, aber „Stromsparen“?

Strategische Handlungsfelder

Die größten Hebel für Emissionsreduktion liegen entlang des gesamten Lebenszyklus der IT – von der Auswahl der Infrastruktur bis zum laufenden Betrieb. Die üblichen Handlungsfelder von Green-IT-Initiativen sind dabei schnell benannt: Hardware und Software, beides entlang ihres gesamten Lebenszyklus: Von der Herstellung über den IT-Betrieb bis zur Entsorgung bzw. Deinstallation.

Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl kurzfristig umsetzbare Maßnahmen („Quick Wins“) als auch grundlegende Weichenstellungen umfasst.

Als Quick Win kann beispielsweise der Abschluss eines Versorgervertrags mit Ökostrom für den IT-Betrieb und das Beeinflussen des Mitarbeiterverhaltens zum „Rechner/Bildschirm-Ausschalten“ am Ende des Arbeitstags oder bei längeren Pausen bezeichnet werden.

Grundlegende Weichenstellungen umfassen hingegen Architekturentscheidungen, Programmierstandards oder die Softwareauswahl, die dauerhaft Einfluss auf die Energieeffizienz haben.

Ein zentrales Prinzip ist dabei: „Agiere schlank, mache nur, was Du wirklich brauchst, und nur dann, wenn Du es brauchst“. Diese Haltung hilft, bei der Gestaltung der Anwendungslandschaft von Anfang an Effektivität vor reiner Effizienz zu priorisieren: Wie viel Hardware- und Cloud-Bedarf besteht wirklich? Wie lässt sich Skalierbarkeit erreichen?

Danach folgen unter anderem Festlegungen zur Modularisierung und Konnektivität der Komponenten – immer darauf ausgerichtet, den Datenverkehr, die Anzahl der durchgeführten Prozesse und der gehaltenen Daten zu reduzieren, um den Stromverbrauch zu senken.

Bei der Entwicklung der Anwendungssoftware spielen andere Fragen eine Rolle, die allerdings demselben Schlankheitsprinzip folgen. Auch hier geht es um Modularisierung, Softwarecodeklarheit durch Refactoring, die richtige Auswahl von Teilkomponenten, durchdachtes UX-Design und effiziente Schnittstellen.

Weitere Optimierungsmöglichkeiten bieten die Firmware und die Prozessorsteuerung: Ziel ist es, unnötige Rechenschleifen zu vermeiden sowie Prozessoren und weitere Komponenten wie Sensoren nur dann technisch zu nutzen, wenn sie tatsächlich benötigt werden – und sie ansonsten in stromsparende Ruhe-Modi zu versetzen.

Zielkonflikte erkennen – und managen

So gut dieses Stromspar-Instrumentarium auch klingen mag, so sehr können dadurch doch Konflikte mit den anfänglich genannten klassischen IT- und Unternehmenszielen entstehen.

Wer seine IT knapp dimensioniert, bekommt gegebenenfalls Performance- oder Stabilitätsprobleme bei Lastspitzen oder teilweisen Systemausfällen. Wer seine Datenhaltung verschlankt und auf Pufferung verzichtet, hat unter Umständen keine Lösung parat, wenn einzelne Komponenten temporär nicht in der Cloud verfügbar sind. Und wer seinen Rechner temporär abschaltet, erreicht womöglich nicht mehr die heute vielerorts erwartete 24/7-Verfügbarkeit bei Kunden- oder Vertriebssystemen.

Wenn „ESG First“ gewünscht ist, dann muss auch über Zielkonflikte gesprochen werden, und zwar auf Managementebene. Denn viele Maßnahmen zum Umsetzen einer Green-IT-Strategie werden auf operativer Ebene getroffen, benötigen aber strategische Rückendeckung. Diese kann in Form von klaren IT-Guidelines, IT-Governance-Strukturen und IT-Richtlinien für die Softwareentwicklung erfolgen.

Nicht zu übersehen ist dabei auch die Steuerung des IT-Managements selbst: Wenn dieses auf maximale Verfügbarkeit incentiviert wird, bleibt der Server auch in der Geisterstunde aktiv – und mit ihm der Energieverbrauch.

Unser Fazit: Um zu einer ganzheitlich sinnvollen Green-IT Lösung zu kommen, sollten alle Maßnahmen in Bezug auf ihre Wechselwirkungen mit anderen Zielen wie der Customer Experience bewertet werden. Vielleicht sind die Zielkonflikte kleiner als zunächst erwartet oder es gibt sogar Synergien zwischen den unterschiedlichen Zielen.