Die Zukunft ist jetzt: KI und die Chancen für Finanzdienstleister

Was ist Künstliche Intelligenz? Und wie können Versicherungen & Banken davon profitieren?

Science-Fiction-Filme zeigen Künstliche Intelligenz (KI) gerne als Roboter im Menschenkostüm: Die superintelligenten Wesen haben übermenschliche Fähigkeiten und brauchen dabei weder Schlaf noch Erholung. Zudem wollen sie meist die Weltherrschaft an sich reißen… Die Realität sieht aktuell anders aus: Kein Knopfdruck erzeugt eine hyperintelligente Kreatur. Stattdessen nähern wir uns der KI aus den Filmen nur langsam und in kleinen Schritten. Ob jemals die technologische Singularität erreicht wird – also der Zeitpunkt, an dem die KI die menschliche Intelligenz übertrifft, sich selbst entwickelt und eigenständig erfindet – ist nicht seriös vorhersagbar. Obwohl KI aktuell von dieser Vision noch weit entfernt ist, hat sie bereits heute das Potenzial unser Leben und Arbeiten grundlegend zu verändern.

Was ist eine Künstliche Intelligenz?

Der Begriff KI umfasst Technologien, mit deren Hilfe Computer Aufgaben erledigen, für die ein Mensch seine Intelligenz benötigt. KI funktioniert wie ein künstliches Gehirn. Sie erkennt, interpretiert und lernt selbstständig auf Basis der ihr zugänglichen Informationen, ohne dass für das Erlernen von Sachverhalten oder Zusammenhängen im selben Kontext der zugrundeliegende Algorithmus jedes Mal wieder neu- oder umprogrammiert werden muss.

Damit KI-Algorithmen präzise und wertvolle Ergebnisse liefern können, sind drei Voraussetzungen notwendig: ausreichend Rechenkapazitäten, große Mengen an qualitativ hochwertigen Daten sowie die Arbeit von KI-Entwicklern. Sobald die Rechenleistung und das Wissen, wie man KI-Algorithmen programmiert oder bereits vorhandene Algorithmen nutzt, in ausreichendem Umfang vorhanden sind, werden die Quantität und Qualität der vorhandenen Trainingsdaten zum absoluten Schlüsselfaktor für weitere Verbesserungen und Fortschritt. Denn mit je mehr Daten – die nichts anderes als Beispiele eines bestimmten Phänomens repräsentieren – ein KI-Algorithmus trainiert wird, umso präziser erkennt er bestimmte Sachverhalte oder Zusammenhänge.

Künstliche Intelligenz im Wandel der Zeitalter

Jahrzehnte wurden für Experimente und Untersuchungen von Wissenschaftlern und Innovatoren aufgewendet, um herauszufinden, für welche Probleme und Aufgabenstellungen sich verschiedene Methoden der Künstlichen Intelligenz gut oder weniger gut eignen. Heute gibt es umfangreiche Erfahrungswerte und eine stets länger werdende Liste von erfolgreichen Anwendungsbeispielen verschiedener KI-Modelle. Die daraus entnehmbaren Erkenntnisse müssen nun in konkrete Anwendungsfälle in Unternehmen übersetzt werden, um nachhaltige Wertschöpfung aus dieser Technologie zu ziehen. Dafür braucht es Unternehmer sowie Entwickler, die mit den KI-Modellen nachhaltige Use Cases und Geschäftsmodelle implementieren und so die KI ins reale Leben bringen. Die vergangenen Jahrzehnte wurden von Entdeckungen geprägt, das aktuelle Jahrzehnt steht – auch wenn es weitere Entdeckungen geben wird – klar im Zeichen der Implementierung.

Eine weitere große Veränderung im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten ist die Verfügbarkeit von Rechenkapazität und Daten. Basierten frühere Durchbrüche auf großer Expertise von Forschern wie Alan Turing oder John Hopfield entstehen heute faszinierende KI-Anwendungen wie das autonome Fahren vor allem durch die Verfügbarkeit von Daten und Rechenkapazität – insbesondere die Daten entscheiden über die Genauigkeit und Leistung der KI.

Das Aufkommen des Internets und insbesondere der sozialen Medien hat für exponentielles Datenwachstum gesorgt; allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich das Volumen der weltweit erzeugten Daten mehr als verfünffacht. Der bereits erfolgte oder bevorstehende Durchbruch weiterer Schlüsseltechnologien wie Cloud Computing, Internet der Dinge (IoT), 5G oder Quantencomputing wird die Möglichkeiten im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz weiter verstärken. Jede Technologie hat das Potenzial unser Leben sowie ganze Wirtschaftszweige zu verändern. Zusätzlich ergänzen sie sich perfekt. Diese Komplementarität führt dazu, dass sie sich gegenseitig verstärken und beschleunigen.

Banken und Versicherungen sind hier in einer durchaus günstigen Ausgangsposition, da sie im Vergleich zu vielen anderen Industrien über enorme Datenmengen verfügen, aus denen sie wertvolle Informationen ableiten können. Zudem können sie davon profitieren, dass gerade durch Erfahrungswerte vornehmlich bisweilen internationaler Finanzakteure sinnvolle Finanz-Einsatzbereiche für KI-Modelle bekannt sind.

Künstliche Intelligenz: Wo stehen wir aktuell?

Aktuell existiert nur die sogenannte schwache KI. Algorithmen werden für einen spezifischen Anwendungsfall entwickelt und trainiert, beispielsweise für die individualisierte Aussteuerung von Angeboten basierend auf dem Kaufverhalten und den Interessen des Kunden. Die KI wird diese Tätigkeiten mit der Zeit immer besser meistern, weil sie bestehende Zusammenhänge immer besser versteht, oder sogar neue erkennt. Die schwache KI ist jedoch noch nicht in der Lage, neue Zusammenhänge über den spezifischen Anwendungsfall hinaus zu erkennen, daraufhin neue Arbeitsweisen zu entwickeln oder sich gar weitere kognitive Fähigkeiten anzueignen. Im Gegensatz dazu ist die starke KI nicht mehr auf einen einzelnen Anwendungsfall beschränkt. Sie weist die gleichen oder sogar noch höhere intellektuelle Fähigkeiten als der Mensch auf und zeichnet sich durch eigenständiges Handeln aus. Starke KI existiert derzeit noch nicht – und es besteht kein wissenschaftlicher Konsens, ob und wann dies überhaupt der Fall sein wird.

Auch wenn wir uns noch im Stadium der schwachen KI befinden, steckt bereits in vielen Alltagsdingen Künstliche Intelligenz, die alles andere als „schwache“ Ergebnisse liefert. Smartphones oder vernetzte Lautsprecher erkennen gesprochene Fragen und liefern passende Suchergebnisse und Antworten. Mittlerweile produzieren Übersetzungsprogramme sehr brauchbare Texte – zumindest bei Sachthemen. Vor rund zwei Jahren hat Google mit seinem Google Assistant für Aufsehen gesorgt. Die KI übernimmt unter anderem Telefonanrufe, um zum Beispiel einen Termin beim Friseur abzustimmen.

Künstliche Intelligenz: Was sich Banken und Versicherer erhoffen (sollten)

Auch Banken und Versicherungen erkennen zunehmend die Chancen von KI. Bislang konzentrieren sie sich darauf, bestehende Prozesse mithilfe der Technologie zu optimieren und dadurch effizienter zu werden. Doch dies sollte nur der Anfang sein. Das wahre Potenzial steckt in der Entwicklung neuer Produkte, gar vollkommen neuer Geschäftsmodelle. Schließlich verfügen Finanzdienstleister, gerade im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen, über enorme Datenmengen. Entscheidend ist, diese richtig zu nutzen. Will der Kunde ein Haus bauen, könnte die Bank ihm automatisch Finanzierungen vorschlagen oder einen Umzugsservice empfehlen – rein auf Basis der Kontobewegungen. Versicherer könnten auf Datenbasis neue Muster oder Risiken erkennen und entsprechend Versicherungsangebote für neue Risikokategorien entwickeln – auch individualisiert und auf verschiedensten Kundenkanälen. Das alles ist bereits heute möglich, auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Doch diese Chancen und Möglichkeiten von KI, die über reine Prozessoptimierungen hinausgehen, werden derzeit in Deutschland noch kaum verfolgt.

So unterstützt KI Finanzdienstleister schon heute

Um erfolgreich zu sein, müssen KI-basierte Produkte oder Dienstleistungen den Kunden einen echten Mehrwert bieten. Folgende bereits umgesetzte Anwendungsfälle aus der Finanzwelt zeigen die Möglichkeiten:

  • Im Kreditscoring bei einer asiatischen Bank wird die Kreditwürdigkeit von Personen auf Datenbasis von Smartphones und aus sozialen Medien vorhergesagt.
  • Unter dem Einsatz von KI werden Kunden einer US-amerikanischen Bank mittels App vor möglichen finanziellen Engpässen gewarnt und erhalten gleichzeitig Vorschläge für Sparmaßnahmen.
  • Zur Betrugserkennung wird KI bei einer weiteren US-amerikanischen Bank eingesetzt, um Anomalien im Zahlungsverhalten von Kunden zu identifizieren und zu prüfen.
  • Im Kundenservice einer brasilianischen Bank beantwortet ein auf KI basierter Chatbot im Monat 283.000 Fragen zu Produkten und Dienstleistungen in natürlicher Sprache – mit einer Genauigkeit von 95 Prozent.
  • Eine Bilderkennungs-KI eines deutschen Versicherungsunternehmens identifiziert anhand von Satellitenbildern Photovoltaikanlagen auf Dächern bestehender Kunden und offeriert entsprechenden Versicherungsschutz.
  • Bei einer Schweizer Versicherung werden innerhalb der Schadensregulierung mit Hilfe von KI Glasschäden bearbeitet.

Kleine Schritte für einen großen Vorsprung

Wenngleich es positive Beispiele gibt, noch setzen Finanzdienstleister in Deutschland KI nur zaghaft ein. Vielen fehlt das Verständnis für die Möglichkeiten und das Vertrauen in die Technik. Dabei wäre ein einmal erarbeiteter Vorsprung auf diesem Gebiet von Wettbewerbern nur schwer einzuholen.

Ein erster Schritt, um als Unternehmen in die Materie einzusteigen, ist der Aufbau eines Kompetenz-Centers mit einer Handvoll fokussierter Mitarbeiter. Ohne erdrückende Ergebnisvorgaben kann das Team einzelne Anwendungen entwickeln und testen – zur Not auch erst einmal für interne Zwecke. Sofern nicht ausreichend interne Ressourcen und Know-how für das Definieren und Entwickeln erster Anwendungsfälle vorhanden sind, können externe Ressourcen und Expertise zunächst Abhilfe schaffen. Cloud-basierte KI-Lösungen „von der Stange“, wie Artificial-Intelligence-as-a-Service (AIaaS) und Machine-Learning-as-a-Service (MLaaS), sind für die Vielzahl sich auf dem Weg in die Cloud befindlicher Banken und Versicherungen eine sinnvolle Option und vor allem auch Spielwiese, um sich effektiv und ressourcenschonend auf die KI-Reise zu begeben. Die mit diesen ersten Schritten verbundenen Kosten sind überschaubar, die Erfahrungen jedoch unschätzbar wertvoll.

Sind einzelne Anwendungsfälle erfolgreich im Unternehmen etabliert und soll der Einsatz von KI ausgeweitet werden, muss sie im nächsten Schritt ganzheitlich in die Organisation und ihre Prozesse eingebunden werden. Dies beginnt mit der formalisierten Definition einer KI-Strategie und weiterer Leit- und Richtlinien, umfasst aber auch die Überführung der bisher angewendeten Verfahren zu Entwicklung und Betrieb von KI in formalisierte IT-Prozesse, wie zum Beispiel dem Berechtigungs- oder Änderungsmanagement. Eine hohe Bedeutung kommt dabei dem Datenmanagement sowie der Kontrolle und dem Schutz von Test-, Trainings- und Produktionsdaten zu.

Risiken im Blick behalten

Auch wenn es im echten Leben weniger dramatisch zugeht als in Science-Fiction-Filmen, gibt es teilweise große Vorbehalte gegenüber Künstlicher Intelligenz. Sie wird oft als Ersatz für den Menschen gesehen. Die Angst um den Arbeitsplatz ist daher nachvollziehbar. Umso wichtiger ist es, die Mitarbeiter einzubinden, ihnen die Chancen im Zusammenhang mit KI aufzuzeigen und Möglichkeiten zur Mitgestaltung zu bieten.

Negativbeispiele, wie fehlerhafte Bilderkennung, die einen dunkelhäutigen Menschen nicht von einem Gorilla unterscheiden konnte, Sexismusvorwürfe gegen die Kreditlimitvergabe bei einer Kreditkarte oder diskriminierende automatisierte Bewerbungsverfahren, sind Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Sie zeigen, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit gewissen Risiken verbunden ist und zu unerwünschten bzw. verfälschten Ergebnissen führen kann. Daher gilt es die Risiken im Umgang mit KI unter Kontrolle zu bringen. Wie dies gelingen kann, erläutern wir im nächsten Artikel.

 

Cloud-Monitor 2021: Financial Services

Unsere Studie zu Entwicklungen bei der Cloud-Nutzung in der Finanzbranche, u.a. mit diesen Themen: Wie groß ist die Akzeptanz der Cloud bei Finanzdienstleistern schon? Auf welche Wolke setzen sie (Public- oder Private-Cloud)? Warum werden spezialisierte Digital- oder Cloud-Teams benötigt?

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