Nachhaltigkeitsrisiko - Pragmatismus gefragt

Nachhaltigkeitsrisiko

Ansätze zur Überprüfung des Risikomanagements und der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken

Die delegierten Änderungsrechtsakte zu den OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren „OGAW“) und AIFM-Richtlinien (Alternative Investment Fund Manager „AIFM“) verlangen eine Überprüfung der Risikomanagement-Grundsätze und die Implementierung der Verfahren zur Bewertung der Nachhaltigkeitsrisiken. Den Asset Managern bleibt jedoch nicht viel Zeit dafür übrig. Die entsprechenden Prozesse zur Beurteilung der Nachhaltigkeitsrisiken müssen bis zum 2. August 2022 umgesetzt werden. In dem Artikel erklären wir, wie Asset Manager an diese Aufgabe pragmatisch herangehen können.

Aufbau des Verständnisses

Nachhaltigkeitsrisiken stellen für das Risikomanagement eine neue Art der Risiken dar und es ist daher wichtig, sich mit diesen vertraut zu machen und sie in ihrer komplexen Natur zu verstehen. Dafür müssen die Nachhaltigkeitsrisiken aus verschiedenen Perspektiven analysiert werden. In einem ersten Schritt müssen die Risikotreiber und Einflussfaktoren der Risiken aus allen drei Dimensionen (Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführung) identifiziert werden. Danach müssen die Transmissionskanäle, Wahrscheinlichkeiten und das Ausmaß von Auswirkungen der einzelnen Risiken untersucht werden, um die wesentlichen Risiken klar abzugrenzen.

Datenanalyse

Die Möglichkeiten der Beurteilung von Nachhaltigkeitsrisiken hängt hauptsächlich von der Verfügbarkeit der Daten ab. Es gibt eine vielfältige Menge an Nachhaltigkeitsdaten zu einzelnen Risiken, jedoch können bisher nur wenige Risikofaktoren angemessen quantifiziert werden. Zudem, um die Nachhaltigkeitsinformationen von externen Datenanbietern in die Risikobeurteilung einzubeziehen und die erzielten Ergebnisse der Analyse richtig interpretieren zu können, ist es erforderlich, eine ausführliche Überprüfung der Methoden und zugrunde liegenden Annahmen durchzuführen und eine dem Proportionalitätsgrundsatz angemessene Plausibilisierung vorzunehmen. Ausgehend von einer detaillierten Analyse der Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Daten für einzelne Nachhaltigkeitsaspekte müssen die messbaren Risikofaktoren in die Risikoanalyse einbezogen werden.

Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in bekannte Risikoarten

Es werden unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die Beurteilung bestehender Risikoarten diskutiert. Viele davon basieren jedoch auf einer Vielzahl von Annahmen, deren Belastbarkeit hinterfragt werden muss. Die Hauptherausforderung ist es, eine Brücke zu schlagen zwischen den Informationen über die Risikotreiber und ihren Auswirkungen auf finanzielle Kennzahlen. Daher ist ein pragmatischer Ansatz erforderlich, um die aktuell verfügbaren Daten in Risikoinformationen zu übersetzen.

Einige Ansätze zielen darauf ab, Nachhaltigkeitsinformationen in die bestehenden Methoden zu den bekannten Risikoarten zu integrieren. Die Nachhaltigkeitsfaktoren werden in diesem Fall als ergänzende Faktoren bei der Beurteilung dieser Risiken angesehen. Die Asset Manager setzen dabei auf qualitative Ansätze und implementieren diese anhand von Heatmaps.

Die Untersuchung der Exponiertheit eines Portfolios gegenüber beispielweise den Emittenten mit einem schlechtem ESG-Score, höherer CO2-Intensität, ungenügendem Umweltmanagement oder schwacher Unternehmensführung und die Darstellung der Ergebnisse mithilfe einer Heatmap ermöglichen eine Analyse der Risikostruktur und Identifikation von Risikokonzentrationen. Somit können Nachhaltigkeitsrisiken ergänzend zum Marktpreisrisiko für ein Portfolio qualitativ beurteilt werden. Für ein Portfolio, das zum Beispiel zum großen Teil in Unternehmen investiert ist, die transitorischen Risiken ausgesetzt sind, besteht die Gefahr von potenziellen Verlusten, die aufgrund nachteiliger Veränderungen der Marktstimmung eintreten können. Für die Investitionen mit erhöhtem Risiko können im Rahmen der Analyse der Liquidität ein Anpassungsfaktor beziehungsweise Liquiditätsabschlag festgelegt werden, um potenziell schlechtere Liquidität von nicht nachhaltigen Investitionen widerzuspiegeln. Nachhaltigkeitsrisiken können auch zur Verschlechterung der Bonität eines Emittenten führen. Um den Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekte auf das Kreditrisiko mit einkalkulieren zu können, können ESG-Scores bei der Festlegung der Ausfallmatrizen berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, nicht nur die ESG-Scores oder Nachhaltigkeitsindikatoren, die sich auf die Vergangenheit beziehen, in Betracht zu ziehen. Zukunftsorientierte Ziele eines Emittenten und bereits ergriffene Maßnahmen (zum Beispiel Emissionsreduzierung oder Einführung eines Verfahrens zur Wahrung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kund:innen, Gesellschaft oder Mitarbeiter:innen) müssen bei der Auswertung ebenfalls berücksichtigt werden.

Stresstests und Szenarioanalysen werden aktuell bei den Asset Managern als eine Pilotübung behandelt, um die Quantifizierung der Risiken zu überprüfen. Die quantitativen Analysen werden zunächst in Bezug auf die Klimarisiken beziehungsweise den CO2-Ausstoß und die Ausrichtung auf eine Vereinbarkeit mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens durchgeführt, da die erforderlichen Rohdaten und Entwicklungspfade für diese Szenarien einigermaßen vorhanden sind. Auch physische Risiken dürfen nicht vernachlässigt werden. Bei der Auswertung der Klimaentwicklungen und Häufigkeit der Extremereignisse müssen die Zusammenhänge zwischen den transitorischen und physischen Risiken berücksichtigt werden. Das macht die Analysen zunehmend komplex und erfordert umfassende Daten, die Stand heute nicht immer zur Verfügung stehen. Dazu erschwert die Analyse die zeitliche Diskrepanz zwischen dem strategischen Horizont eines Asset Managers und dem Zeithorizont für die Materialisierung von Klimarisiken. Daher sind pragmatische Ansätze zur Risikobeurteilung gefragt.

Fazit:

Aktuell sind noch keine harmonisierten Standards für das Risikomanagement von Nachhaltigkeitsrisiken bekannt. Aufgrund der unzureichenden Verfügbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen verbunden mit der kurzen Umsetzungsfrist besteht ein dringender Bedarf an pragmatischen Ansätzen, die es ermöglichen sollen, die Nachhaltigkeitsrisiken angemessen zu beurteilen und geeignete Maßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können.