Post-Merger-Integration von Fintechs: Die richtigen Fragen stellen
Post-Merger-Integration von Fintechs
So führen etablierte Finanzunternehmen Übernahmen agiler Start-ups zum Erfolg.
Keyfacts:
- Bei der Übernahme von Fintechs durch ein etabliertes Finanzinstitut treffen Welten aufeinander.
- Ebenso wie die Vorbereitung einer solchen Transaktion ist auch die Post-Merger-Integration mit besonderer Sorgfalt zu betreiben.
- Über Erfolg und Mehrwert für ein Unternehmen entscheiden unter anderem die Form des Zusammenschlusses und die Strategie.
Fintechs haben sich als ernst zu nehmende Wettbewerber zu den traditionellen Banken etabliert. Ihre Geschäftsmodelle oder ihr Technologie-Know-how bieten auch großen Häusern Paroli – und im Fall einer Übernahme neue Wachstumschancen.
Wenngleich Fusionen und Übernahmen (M&A) als Mittel für anorganisches Wachstums etabliert sind, ist die Komplexität einer solchen Transaktion nie zu unterschätzen. Das gilt insbesondere, wenn sich Käufer und Target in Größe, Kultur, Innovationsgrad und Geschäftsmodell erheblich unterscheiden.
Dann ist es umso bedeutsamer, frühzeitig die richtigen Fragen zu stellen und zu beantworten. So sollten im Vorfeld einer Buy-Side-Transaktion der Integrationsnutzen und die Integrationsform gründlich analysiert werden.
Was bringt die Integration? Klare Vorstellungen über das Investment entwickeln
Zur Bestimmung des Integrationsnutzens in einer solchen Konstellation können sich Entscheidungsträger an vier Archetypen orientieren:
Performance: Die Akquisition sollte dazu geeignet sein, die Performance des Targets zu verbessern. Das bedeutet, dass der Käufer eine konkrete und realistische Vorstellung davon haben muss, wie er die Kosten des Fintechs deutlich reduzieren und Margen sowie Cashflows erhöhen kann.
Innovation: Der Zusammenschluss mit einem großen Institut sollte ein kleines Unternehmen mit innovativen Produkten in die Lage versetzen, sein volles Marktpotenzial auszuschöpfen – etwa durch den Erfahrungsschatz des Käufers mit Blick auf Markteinführungsstrategien oder die Mitnutzung effektiver Vertriebsressourcen.
Technologien und Talente: Eine Akquisition verspricht dann werthaltig zu sein, wenn Fintechs Talente oder Technologien einbringen, die traditionelle Käufer nicht schneller oder kostengünstiger selbst aufbauen können.
Markt und Produkt: Die Akquisition eines Fintechs ist dann sinnvoll, wenn das Target am Anfang eines vielversprechenden Lebenszyklus einer Branche oder eines Produkts steht, vom Markt aber noch nicht die gebotene Aufmerksamkeit bekommt.
Die richtige Integrationsform finden und Transaktionsziele erreichen
Eine Entscheidung, die Käufer und Target treffen müssen, ist die über die Integrationsform. Vereinfacht lassen sich drei Typen ausmachen, die sich in erster Linie durch den Grad der Verbindlichkeit, die Übernahme von Risiken und der beabsichtigten Laufzeit unterscheiden: die strategische Allianz, das Joint Venture und die Minderheits- beziehungsweise Mehrheitsbeteiligung.
Während die strategische Allianz lediglich eine Vereinbarung zwischen zwei unabhängigen Unternehmen darstellt, um gemeinsame Ziele zu erreichen, ist der Grad an Verbindlichkeit in der Kooperation bei Joint Ventures höher. Die Kooperation zweier Unternehmen mündet hier in einem Gemeinschaftsunternehmen, das eine eigenständige Rechtspersönlichkeit hat.
Für die überwiegende Mehrheit von Akquisitionen lässt sich beobachten, dass der Käufer die Kontrolle über das Zielunternehmen erlangen will. Nur in begrenztem Ausmaß planen Käufer von Beginn an den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung.
Insbesondere strategische Käufer sehen in der vollständigen Akquisition das Mittel der Wahl für das Erreichen der Transaktionsziele, während die Minderheitsbeteiligung allenfalls dem Ziel einer späteren Mehrheitserlangung, der Stärkung von vertraglich basierten Kooperationen oder dem Zugang zu Wissen dient.
Finanzinvestoren hingegen sind häufiger gewillt, Minderheitsbeteiligungen einzugehen. Denn sie eignen sich in vielen Fällen, um strategische Ziele auch mit geringerem Kapitaleinsatz und einer kleineren Risikoposition zu ermöglichen.
Wertstiftende Integration: Drei Parameter helfen bei der Bewertung
Wann also sind Zusammenschlüsse erfolgreich? In der Praxis haben sich vor allem drei wesentliche Einflussparameter etabliert, die Wert für eine Integration stiften: Strategic Fit, Organisational Fit und Operating Model Fit. Dabei bedeutet „Fit“, dass zwei Unternehmen zusammenpassen oder ihr Zusammengehen stimmig ist.
Mit Blick auf Transaktionen bezieht sich der Begriff Strategic Fit darauf, wie gut die potenzielle Übernahme zur geplanten strategischen Ausrichtung des Käufers passt. Um Wachstum durch Fusionen und Übernahmen sicherzustellen, sollte die Transaktion eine bessere Rendite erzielen, als es durch organisches Wachstum möglich wäre. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn der Käufer in der Lage sein wird, seine Effizienz in den Bereichen zu steigern, in denen das übernommene Unternehmen überlegen ist.
Der Organisational Fit beschreibt, wie gut die Organisationsstrukturen und -kulturen des Käufers und des Targets miteinander harmonieren beziehungsweise sich ergänzen. Dies ist – unabhängig von der Form des Zusammenschlusses – ein maßgeblicher Faktor für die Kosten der späteren Integration.
Insbesondere die Motivation der Mitarbeitenden im gekauften Unternehmen ist von großer Bedeutung für den Gesamterfolg eines Zusammenschlusses. Harmonieren die Unternehmenskulturen der beiden Vertragsparteien nicht, kann es zu einem sogenannten Cultural Clash kommen: Organisationssysteme sind nicht miteinander vereinbar, zum Beispiel mit Blick auf Vergütungs- oder Beurteilungssysteme, die Art der Unternehmenskontrolle durch das Management/die Eigentümer oder die Führungsstile in Bezug auf Risikobereitschaft, Kontroll- und Kommunikationsverhalten liegen zu weit auseinander.
Der Operating Model Fit bezieht sich in erster Linie auf die Ausgestaltung des Betriebsmodells und seiner Dimensionen wie Prozesse und Services. Unter den Begriff fällt aber auch die Ausgestaltung von künftiger Infrastruktur und IT.
Die richtigen Fragen zu Nutzen und Form der Integration stellen
Wie also finden Käufer ein passendes Target, das die Unternehmensziele unterstützt und einen Zusammenschluss lohnenswert macht? In der Praxis hat sich bewährt, die Bewertung der Targets anhand klarer Bewertungskriterien vorzunehmen und im ersten Schritt eine Shortlist zu erstellen.
Dafür sollten Punkte für den Integrationsnutzen und die jeweils sinnvolle Integrationsform vergeben werden – unser Schaubild zeigt beispielhaft, zu welchen Ergebnissen Verantwortliche dabei gelangen können.
Annähern können sich Transaktionsverantwortliche mit Leitfragen, die den angenommenen Nutzen der Transaktion und ihre Ziele mit Blick auf die zur Auswahl stehenden Unternehmen hervortreten lassen.
Beim Bestimmen der Attraktivität eines Targets empfehlen sich Fragen nach den Kundensegmenten, der Reputation und dem regulatorischen Reifegrad eines Fintechs. Auch die Stärke der Vertriebskanäle und die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells sind wichtige Aspekte.
Bei der Wahl der Integrationsform – Partnerschaft, Joint Venture oder Akquisition – sollten Unternehmen zum Beispiel einschätzen, welche Kunden bedient werden sollen. Dabei ist zu klären, ob diese schwerpunktmäßig von der Bank oder dem Fintech bedient und welche Wertschöpfungskette angestrebt werden. Auch der Grad der Kontrolle und die Bedeutung, Personal des Fintechs zu binden, sind zentral. Auf der Hand liegt die Frage, ob sich Produktportfolien gegenseitig kannibalisieren würden oder nicht.
Zeit in der Pre-Deal-Phase sinnvoll nutzen
Mein Fazit lautet daher: Es gilt, die Zeit in der Pre-Deal-Phase für das Klären wichtiger Fragen zu nutzen. Die Wertschöpfung eines Unternehmens zu erhöhen, erfordert eine kluge Balance aus Wachstum, Kapitalrendite, Kapitalkosten und der Fähigkeit eines Unternehmens, die wirtschaftliche Leistung dauerhaft aufrechtzuerhalten.
Für eine erfolgreiche Wertschöpfung durch Transaktionen muss nicht nur die richtige Integrationsform gefunden werden, sondern auch die Investmenthypothese entlang der vier Leitbilder Performance, Innovation, Technologie und Talente sowie Markt und Produkt geschärft werden.
Oft ist die Zeit in einem Transaktionsprojekt knapp bemessen: Potenzielle Käufer sollten sie anhand eines strukturierten Vorgehens effektiv nutzen, um das richtige Target auszuwählen und die Integrationsbedarfe frühzeitig zu identifizieren.