Vom Tanken zum Laden – neue Kundenerlebnisse an der Tankstelle
Elektromobilität: Vom Tanken zum Laden
Wie sich Tankstellenbetreiber:innen für die Elektromobilität fit machen können
Im Zuge der kontinuierlich fortschreitenden Elektrifizierung gerät das Geschäftsmodell der Tankstellen zunehmend in den Fokus. Während Verbrennerfahrzeuge nur an einer Tankstelle betankt werden können, ist für Elektrofahrzeuge lediglich eine Stromquelle nötig. Üblicherweise wird zu Hause oder am Ziel an einer Wallbox sowie unterwegs auf der Langstrecke an einer Schnellladesäule geladen. Auf Parkstreifen, an Supermärkten oder Ladeparks entstehen immer mehr Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge – oft mit Hilfe öffentlicher Förderung. Damit entfällt perspektivisch ein wesentlicher Teil des Umsatzes der Tankstellen vor allem auf der Kurzstrecke. Unterdessen haben sich zahlreiche neue Spieler im Markt für Ladelösungen positioniert – und das aus guten Gründen. Ab 2035 ist der Verkauf von PKW mit Verbrennungsmotoren in Europa verboten und auch für Nutz- und Kraftfahrzeuge wird es zukünftig regulatorische Maßnahmen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes geben. Durch die neuen Konkurrent:innen und den drohenden Umsatzverlust sind die Tankstellenbetreiber:innen unter Druck, ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen.
In diesem Zusammenhang stellen sich die folgenden Fragen:
Wie müssen Tankstellenbetreiber:innen ihr Angebot im Zuge der Elektrifizierung verändern?
Wie können Tankstellenbetreiber:innen in Zukunft Kund:innen mit Elektrofahrzeugen zum Laden an die Tankstelle locken und für ein positives Kundenerlebnis sorgen?
1. Wo bietet sich für Tankstellenbetreiber:innen neues Geschäftspotenzial?
Quelle: KPMG Deutschland, 2022 (Artikel Elektromobilität: Begeisternde Ladeerlebnisse für neue Kundengruppen)
Das Tankstellennetz, wird weltweit von den größten privaten oder staatlichen Mineralölkonzernen dominiert. Selten sind noch private Tankstellenbetreiber:innen zu finden, die mit den Konzernen auf der Grundlage von Verträgen zusammenarbeiten. Die Mineralölkonzerne haben aufgrund ihrer Größe und der verfügbaren Ressourcen das Potenzial, ein breites Spektrum an Aktivitäten entlang der Charging Value Chain abzudecken.
Einige Mineralölkonzerne haben bereits damit begonnen, ihr Tankstellennetz mit Ladeinfrastruktur aufzuwerten bzw. auszubauen. Andere haben sich komplett von ihrem Tankstellennetz getrennt oder planen dies zu tun.
Um die neu errichteten Ladestationen für die Kund:innen verfügbar zu machen, können sich die Tankstellenbetreiber:innen einerseits dazu entscheiden, selbst als Charge Point Operator (CPO) und E-Mobility Service Provider (EMSP) aktiv zu werden. Alternativ können sie das Grundstück für andere CPOs bereitstellen oder den Kund:innen den Zugang zu ihren Ladestationen über bereits etablierte EMSPs ermöglichen. Die Tankstellenbetreiber:innen sind demnach nicht automatisch CPO oder EMSP, wenn sich eine Ladesäule auf ihrem Grundstück befindet.
Werden die Tankstellenbetreiber:innen selbst zum CPO, übernehmen sie den Betrieb der Ladesäulen, die Überwachung des Status der Ladestation sowie die Koordination von Wartung und Betrieb. In dieser Rolle können sie vor allem durch die Sauberkeit des Standortes und Funktionstüchtigkeit der Ladestation bei den E-Autofahrer:innen punkten. Kundenkontakt bei der Nutzung der Ladeinfrastruktur entsteht schließlich, indem der/die Tankstellenbetreiber:in die Nutzung der Ladestationen per Lade- oder anderen Mobilitätsservices bereitstellt oder sogar eine eigene Ladelösung per Ladekarte oder App anbietet.
Zudem erweitern die Mineralölkonzerne ihr Portfolio strategisch um die Energieversorgung. So haben die großen Konzerne heute in der Regel die Förderung und die Verarbeitung der fossilen Energieträger im Portfolio. Gleichzeitig investieren die Konzerne in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Im Shop- und Gastronomiebereich der Tankstellen werden die finanziellen Mittel für neue Aktivitäten erwirtschaftet. Hier ist das Geschäft am profitabelsten, während der Verkauf von Treibstoff nur einen geringen Teil zum Gewinn beiträgt.
Das größte Potenzial bieten Standorte entlang der Autobahnen. Denn während in urbanen Gegenden eher mit geringer Ladeleistung über mehrere Stunden zu Hause, am Arbeitsplatz oder an einem anderen Aufenthaltsort geladen wird, verlangen die Kund:innen entlang einer Reiseroute hohe Ladeleistungen, um den Aufenthalt möglichst kurz zu halten. Das bedeutet für die Tankstellenbetreiber:innen zum einen höhere Umsätze pro geladener KWh, da mit höherer Ladeleistung geladen wird. Zum anderen können zusätzliche Umsätze in der Gastronomie generiert werden, die von Kund:innen genutzt wird, um Ladezeit und Pause miteinander zu verbinden.
2. Womit können Tankstellenbetreiber:innen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur punkten?
Die Lade-Wertschöpfungskette ist im Vergleich zu der Tank-Wertschöpfungskette simpler, weil keine gesonderte Anlieferung von Treibstoffen nötig ist, sondern auf dem vorhandenen Stromnetz aufgebaut werden kann.
Um den Wandel vom Tanken zum Laden zu schaffen, braucht es dennoch viel Kapital, um den hohen Investitionsbedarf für den Aufbau dieser neuen Infrastruktur zu decken. Daher sind die großen finanziellen Ressourcen, die die Mineralölkonzerne durch ihre breit aufgestellten Aktivitäten, die hohen Gewinne im fossilen Bereich und eine gute Eigenkapitalausstattung haben, wichtige Stärken dieser Player im Markt. Sie haben das Kapital, die Ladeinfrastruktur an ihren Tankstellenstandorten aufzubauen. Dazu können bestehende Standorte genutzt werden. Die Standorte sind bereits erschlossen und die Investitionen für Parkflächen, Toiletten, Shops und Gastronomie sind bereits getätigt, sodass die Investitionen für den Aufbau von Ladesäulen geringer ausfallen als bei neuen Wettbewerbern, die neue Standorte „auf der grünen Wiese“ errichten.
Die existierenden Tankstellenbetreiber:innen profitieren außerdem vom Vertrauen der Kund:innen und dem vorhandenen Bekanntheitsgrad ihrer bereits existierenden Marken.
3. Wodurch ergeben sich für Tankstellenbetreiber:innen Risiken aus der Transformation?
Eine der größten Herausforderungen der Tankstellenbetreiber:innen sind die vorhandenen auf Verbrennungsmotoren ausgerichteten Strukturen. Eingespielte Abläufe und Teile der getätigten Investitionen werden im Verlauf der Transformation zur Elektromobilität potenziell wertlos. Gleichzeitig muss in Bereiche investiert werden, in denen noch nicht ausreichend Know-how vorhanden ist, wie Anschluss und Aufbau von Schnellladesäulen oder Entwicklung und Betrieb von Lade-Apps.
Dabei stehen die Tankstellenbetreiber:innen nun in Konkurrenz zu neuen innovativen Spielern, die große Summen investieren, um ihrerseits Ladekund:innen zu gewinnen.
Nicht zu vernachlässigen ist auch das Imageproblem, welches die Mineralölkonzerne durch ihr klimaschädliches Bestandsgeschäft bei Ladekund:innen haben.
4. Wodurch unterscheiden sich die Customer Journeys am Tank- und Ladepunkt?
Ein üblicher Tankvorgang besteht im Wesentlichen aus den folgenden Schritten:
- Ankunft am Tankstellengelände: Der/Die Kund:in fährt auf das Tankstellengelände und sucht sich eine Zapfsäule aus. Er/Sie kann aus verschiedenen Kraftstoffarten und -qualitäten wählen, wie zum Beispiel Super, Diesel oder Autogas. Möglicherweise gibt es verschiedene Preise für die verschiedenen Kraftstoffarten.
- Tankvorgang: Der/Die Kund:in tankt Kraftstoff in sein/ihr Fahrzeug. Er/Sie kann entweder einen bestimmten Betrag eingeben oder den Tankvorgang manuell starten. Während des Tankvorgangs kann der/die Kund:in auf Angebote, wie Rabattaktionen aufmerksam gemacht werden.
- Bezahlung: Der/Die Kund:in bezahlt entweder an der Kasse oder an der Zapfsäule mit einem Kreditkartenterminal oder Tankkartenterminal für den getankten Kraftstoff. Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Bezahlung, wie Bargeld, EC-Karte oder Kreditkarte und die Tankkarte.
- Eventuelle Zusatzkäufe: Zusatzkäufe wie Snacks, Getränke oder Autozubehör können im Tankstellenshop getätigt werden. Spezielle Angebote oder Aktionen können die Kund:innen dazu animieren, weitere Produkte zu erwerben.
- Eventuelles Zusatzangebot: Der/Die Kund:in kann nach Bedarf das Zusatzangebot der Tankstelle nutzen:
- Sanitäre Anlagen
- Autowäsche
- Werkstatt
- neue Angebote, zum Beispiel Cafés und Lounges mit Netzinfrastruktur
- Abfahrt: Der/Die Kund:in verlässt die Tankstelle.
- Nachbereitung: Möglicherweise speichert der/die Kund:in die Tankstelle als Favorit in einer Tank-App oder Kartenübersicht und gibt noch eine Bewertung zu oder Befragung nach seiner/ihrer Zufriedenheit ab. Es gibt auch die Möglichkeit, dass der/die Kund:in eine Treuekarte und Treuepunkte erhält, welche ihm/ihr beim nächsten Besuch Vorteile bietet.
Ein Ladevorgang sieht hingegen üblicherweise etwas anders aus:
- Ankunft am Tankstellengelände: Der/Die Kund:in fährt auf das Tankstellengelände und sucht sich eine Ladesäule aus. Er/Sie kann evtl. aus verschiedenen Ladeleistungen, wie z.B. 11kW, 50kW oder 300kW auswählen. Üblich sind auch verschiedene Preise für die unterschiedlichen Ladeleistungen.
- Anmeldung und Festlegung Bezahlmethode: Der Ladevorgang beginnt durch die Anmeldung per Plug and Charge, Autocharge, Ladekarte, App oder Scannen eines QR-Codes. Der/Die Kund:in bezahlt an der Ladesäule per Kartenterminal oder per App für den geladenen Strom. Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Bezahlung, wie Kreditkarte, NFC Tankkarte oder PayPal in Verbindung mit der Lade-App.
- Ladevorgang: Der Ladevorgang startet nach Authentifizierung des Zahlungsmittels an der Ladesäule. Der/Die Kund:in kann den Status des Ladevorgangs überwachen.
- Eventuelle Zusatzkäufe: Während der Ladezeit kann der/die Kund:in Zusatzkäufe wie Snacks, Getränke oder Autozubehör im Tankstellenshop tätigen. Die Ladezeit ist dabei derzeit noch länger als beim Tanken. Spezielle Angebote oder Aktionen können dazu animieren, weitere Angebote der Tankstelle zu nutzen.
- Eventuelles Zusatzangebot: Der/Die Kund:in kann nach Bedarf das Zusatzangebot der Tankstelle nutzen:
- Sanitäre Anlagen
- Autowäsche
- Werkstatt
- Abmeldung: Der Ladevorgang ist abgeschlossen und der/die Kund:in meldet sich von der Ladesäule ab.
- Abrechnung: Der/Die Kund:in erhält eine Rechnung für den Ladevorgang (digital).
- Abfahrt: Der/Die Kund:in verlässt die Tankstelle.
- Nachbereitung: Möglicherweise speichert der/die Kund:in die Tankstelle als Favorit in einer Lade-App oder Kartenübersicht oder gibt noch eine Bewertung zu oder Befragung nach seiner Zufriedenheit ab. Es gibt auch die Möglichkeit, dass der/die Kund:in eine Treuekarte und Treuepunkte erhält, welche ihm/ihr beim nächsten Besuch Vorteile bietet. Gegebenenfalls werden die Ladehistorie oder Rechnungen in der App eingesehen.
5. Wie kann KPMG unterstützen?
- Wie ist die Kundenwahrnehmung meines Unternehmens und seiner Marke im Ladesegment?
- Wie ist mein Unternehmen innerhalb der Charging Value Chain positioniert?
- Wie kann ein positives Ladeerlebnis für die Kund:innen erzeugt werden? Welche Veränderungen müssen an der Organisation, den Prozessen, Systemen und Touchpoints vorgenommen werden, um ein solches Ladeerlebnis zu erzeugen?
- Wie kann ein positives Ladeerlebnis genutzt werden, um Kund:innen zum Kauf weiterer Leistungen zu animieren?
- Welche Einspar- und Umsatzpotenziale sind bei entsprechenden Investitionen möglich?
- Wie kann sich mein Unternehmen von Mitbewerbern abgrenzen?
Co-Autorin: Kathrin Schwarz