Zwischen Effizienz und Vertrauen: Wie KI den Autokauf verändert
Wie KI den Autokauf verändert
Was Kund:innen von virtuellen Assistenten erwarten – und was das für Hersteller bedeutet.
Virtuelle Assistenten sind keine bloßen Zukunftszenarien mehr – auch nicht in der Automobilbranche. Doch wie stehen Kund:innen dem Einsatz von KI beim Autokauf gegenüber? Für welche Funktionen nutzen sie Chatbots sowie andere virtuelle Assistenten bereits, und wie groß ist das Vertrauen in die ausgegebenen Informationen? Und was bedeutet die zunehmende Nutzung von KI durch Käufer:innen für Automobilhersteller?
Künstliche Intelligenz als Game Changer in der Customer Journey
Kund:innen, die ein neues Auto kaufen wollen, nutzen heute weit mehr als nur klassische Vergleichsportale oder Herstellerwebsites. Künstliche Intelligenz spielt eine immer wichtigere Rolle im Autokaufprozess – sei es bei der technischen Beratung, der Produktauswahl oder der Händlersuche. Die digitalen Touchpoints der Hersteller verschmelzen mit KI-gestützten Interfaces: Chatbots, Sprachassistenten und automatisierte Vergleichssysteme werden zu zentralen Kontaktpunkten in der Customer Journey. KI ist damit nicht nur ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung, sondern wird selbst zum Bestandteil der digitalen Customer Experience. Sie beeinflusst, wie Marken wahrgenommen, Produkte bewertet und letztlich Kaufentscheidungen getroffen werden.
Eine repräsentative Befragung von 1.002 Automobilkund:innen in Deutschland, durchgeführt von Appinio in Zusammenarbeit mit KPMG, liefert fundierte Einblicke in ein Marktumfeld im Wandel.
Wie der Nutzen von KI beim Autokauf aus Sicht der Kund:innen konkret aussieht, zeigt ein Blick auf die Umfragedaten.
KI ist angekommen – aber nicht bedingungslos akzeptiert
Die repräsentative Umfrage offenbart nicht nur ein wachsendes Interesse an KI-Lösungen beim Autokauf, sondern auch differenzierte Haltungen, Nutzungsabsichten und große Unterschiede beim Vertrauen in die Technologie. Drei zentrale Fragestellungen liefern dabei aufschlussreiche Erkenntnisse für Hersteller, die KI erfolgreich in ihre Customer Experience integrieren möchten.
1. Wofür würden Kund:innen einen KI-Chatbot im Autokaufprozess nutzen?
Die Einsatzfelder von KI sind vielfältig – und spiegeln konkrete Bedürfnisse entlang der Customer Journey wider:
31,4 % der Automobilkund:innen haben bereits oder würden KI für technische Unterstützung und Rückfragen nutzen – etwa zu Reichweite, Batterie, Ausstattung oder Antriebsvarianten. 29,8 % sehen in KI ein geeignetes Mittel für die Produktrecherche und den Modellvergleich. Besonders in frühen Phasen der Journey, insbesondere in der Überlegungs- und Vergleichsphase, wenn die Orientierung im Angebotsdschungel fehlt, ist das ein entscheidender Touchpoint für Automobilhersteller. KI wird damit zu einem immer relevanteren Faktor für die initiale Produktauswahl, der nur eingeschränkt vom Hersteller beeinflusst werden kann. Hersteller müssen die Art und Weise, wie sie diese Informationen im Internet bereitstellen, grundsätzlich überdenken und für die Verwertung der KI optimieren.
Weitere 27,6 % der Befragten interessieren sich besonders für Details zur Produktverfügbarkeit, etwa Lagerbestand, Lieferzeiten oder Farboptionen. Zusätzlich würden 27,3 % einen Chatbot zur Suche nach Händlerstandorten und Öffnungszeiten nutzen – also zur Brücke zwischen digitalem Touchpoint und stationärem Vertrieb. Hersteller könnten sich hier differenzieren, indem sie strukturierte und aktuelle Daten öffentlich zugänglich machen und somit KI-Chatbots die Möglichkeit geben, diese Fragen korrekt zu beantworten.
Knapp ein Viertel der Kund:innen gab an, KI zur Buchung von Probefahrten (24,9 %), für Bewertungen und Empfehlungen (23,8 %) oder für Einkaufstipps und Angebote (23,5 %) zu nutzen. Weniger relevant sind dagegen Themen wie Finanzierungs- und Leasingoptionen (22,5 %), Versicherungen (20,7 %) oder Nachhaltigkeit und Ethik (18 %). Hersteller sollten ihre digitalen Inhalte deshalb gezielt auf die tatsächlich genutzten Anwendungsbereiche generativer KI ausrichten – etwa Probefahrten, Angebotskommunikation und Kundenbewertungen – und diese über offene, maschinenlesbare Formate zugänglich machen.
Nur knapp über ein Viertel der befragten Kund:innen (27,1 %) sind weiterhin stark skeptisch und lehnen aktuell die Nutzung von KI-Chatbots beim Autokauf ab. Es ist jedoch zu erwarten, dass diese Zahl in den kommenden Jahren weiter sinkt und KI-Chatbots damit zu einem der relevantesten Eingangskanäle für Kaufentscheidungen werden. Hersteller müssen sich strategisch darauf vorbereiten – durch KI-kompatible Inhalte und eine starke Präsenz in den bevorzugten, unabhängigen Systemen der Nutzer:innen.
2. Wie groß ist das Vertrauen in die Informationen eines KI-Chatbots?
Vertrauen ist der Schlüssel zu jeder erfolgreichen Interaktion – gerade dann, wenn eine Maschine anstelle eines Menschen kommuniziert. Die Befragung zeigt: Kund:innen begegnen KI beim Autokauf mit bemerkenswerter Offenheit – und mit einem differenzierten, durchaus rationalen Vertrauensverständnis.
22,8 % der Befragten vertrauen den gelieferten Informationen vollständig – sie recherchieren nicht weiter und verlassen sich direkt auf die KI. Das stellt ein erhebliches Risiko für Automobilhersteller dar, insbesondere wenn Informationen von Chatbots unvollständig oder fehlerhaft wiedergegeben werden und zum Beispiel der Eindruck entsteht, dass bestimmte Fahrzeugmerkmale nicht verfügbar seien. Hersteller müssen daher regelmäßig die Ausgaben unabhängiger KI-Systeme überprüfen und bei Bedarf gezielt auf Falschinformationen reagieren.
Der Großteil der Befragten (64,4 %) nutzt die Chatbot-Antworten als ersten Anhaltspunkt, recherchiert danach aber selbstständig weiter. Die KI fungiert hier als Initialzünder, nicht als finale Entscheidungsinstanz.
Nur 12,8 % der Befragten geben an, den Ergebnissen eines KI-Chatbots grundsätzlich nicht zu trauen.
Das Vertrauen in KI beim Autokauf ist also bereits heute hoch: Rund 87 % der Kund:innen schenken den Informationen, die sie von KI-Systemen erhalten, zumindest teilweise Glauben. Das bietet eine starke Ausgangsbasis für Hersteller, um KI gezielt in der Kundenkommunikation zu nutzen.
3. Wie hoch ist die Kaufbereitschaft auf Basis eines KI-Dialogs?
Ein kritischer Erfolgsindikator für den Einsatz von KI ist die Frage, ob sie Kund:innen tatsächlich zu einem Kaufabschluss bewegen kann. Die Ergebnisse zeigen:
Bislang geben 10,5 % der Befragten an, dass sie es für sehr wahrscheinlich halten, ein Fahrzeug auf Basis der Informationen eines KI-Assistenten zu kaufen. Weitere 19,9 % halten dies für wahrscheinlich, 22,4 % für eher wahrscheinlich – zusammengenommen ergibt sich daraus eine positive Kaufbereitschaft bei über der Hälfte der Befragten.
Das bedeutet: Automobilhersteller, die ihre Inhalte nicht für die Verarbeitung durch KI-Chatbots optimiert haben, starten mit einem Nachteil. Sie haben bereits in der frühen Informationsphase eine geringere Chance, potenzielle Kund:innen für die eigene Marke zu gewinnen – und das nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits heute.
Auf der anderen Seite halten 18,2 % einen Kaufabschluss auf Basis von KI-Informationen für eher nicht wahrscheinlich, 11,7 % für nicht wahrscheinlich und 17,4 % für ausgeschlossen.
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, ein starker Treiber im Autokaufprozess zu werden. Bereits heute steht mehr als die Hälfte der Befragten einem KI-gestützten Fahrzeugkauf grundsätzlich positiv gegenüber – ein klares Signal für Unternehmen, die in innovative Technologien investieren wollen.
Fünf Handlungsfelder für Automobilhersteller
Die zunehmende Integration von KI in Suchmaschinen und Plattformen verändert grundlegend, wie Kund:innen mit Marken und Produkten in Kontakt treten. Damit Automobilhersteller sichtbar, relevant und vertrauenswürdig bleiben, sollten sie gezielte Maßnahmen in fünf strategischen Handlungsfeldern umsetzen.
1. Inhalte KI-lesbar aufbereiten
Damit KI-Systeme Informationen korrekt verarbeiten und weitergeben können, müssen Inhalte maschinenlesbar und semantisch eindeutig strukturiert sein. Technische Daten sollten in klar beschrifteten Tabellen vorliegen, Bildmaterial durch Metadaten ergänzt werden, Produktbeschreibungen logisch aufgebaut sein. Je besser ein System „versteht“, was angeboten wird, desto verlässlicher kann es diese Informationen an Kund:innen weitergeben – sei es über Chatbots, Sprachassistenten oder generative Suchergebnisse. Im Gegensatz zur klassischen SEO liegt der Fokus hier weniger auf der Sichtbarkeit im Ranking, sondern auf der maschinellen Verwertbarkeit der Inhalte.
2. Inhalte KI-relevant gestalten
Damit Inhalte von KI-Systemen nicht nur gelesen, sondern auch empfohlen und in Konversationen eingebaut werden, müssen sie auf konkrete Nutzerbedürfnisse ausgerichtet sein. Es geht darum, gezielt Wissen bereitzustellen, das häufig gesucht, gefragt und gebraucht wird. Relevanz entsteht nicht durch Masse, sondern durch zielgerichtete Inhalte entlang typischer Fragen und Use Cases. Hier kann beispielsweise der Aufbau einer klassischen FAQ-Datenbank auf der eigenen Website mit echten Kundenanfragen unterstützen.
3. Vertrauenssignale für KI-Modelle integrieren
Selbst die beste Information nützt wenig, wenn ihr nicht vertraut wird. Vertrauen entsteht durch Transparenz: Welche Quelle steht hinter einer Aussage? Wann wurde ein Wert zuletzt aktualisiert? Wer erklärt das Produkt – ein Marketingtext oder Techniker:innen? Automobilhersteller sollten bewusst auf vertrauensbildende Elemente setzen, etwa durch benannte Fachautor:innen, konkrete Prüfdaten oder nachvollziehbare Quellenangaben.
Die Zeit der rein emotional aufgeladenen Werbebotschaften („Erlebe die Zukunft. Jetzt.“) verliert an Wirksamkeit – nicht, weil Emotionen obsolet sind, sondern weil sie von KI-Systemen nicht vermittelt oder priorisiert werden können.
Marketinginhalte müssen faktischer, erklärender und überprüfbarer werden, damit sie von KI-Systemen aufgenommen und reproduziert werden – denn diese agieren im Zweifel wie rationale Käufer:innen. Marketing muss gleichzeitig weiterhin Markenemotion erzeugen. Wer nur auf Emotion setzt, wird von KI-Systemen „übersprungen“. Wer nur auf Fakten setzt, verliert die emotionale Bindung. Die Kunst liegt im integrierten Vertrauensmarketing.
4. KI-gestützte Content-Prozesse etablieren
Relevante Inhalte allein reichen nicht – entscheidend ist, wie sie entstehen, gepflegt und weiterentwickelt werden. KI sollte nicht nur auf Inhalte zugreifen, sondern auch als Werkzeug in der Content-Strategie selbst genutzt werden. Ein datenbasierter, dynamischer Content-Prozess analysiert fortlaufend Nutzerverhalten – etwa über Website-Analytics oder häufige Fragen an KI-Systeme – und leitet daraus neue Informationsbedarfe ab. Beispiel: Zeigt sich steigendes Interesse an Lieferzeiten bestimmter Modelle, generiert eine KI automatisch ein aktualisiertes FAQ-Modul. Dieses wird redaktionell geprüft und maschinenlesbar veröffentlicht. So entstehen skalierbare Inhalte, die sowohl für Kund:innen als auch für KI-Systeme relevant bleiben.
5. Eigene KI-Assistenten ausbauen und trainieren
Hersteller sollten nicht ausschließlich auf Drittplattformen setzen, sondern eigene KI-Systeme als kontrollierte Dialogschnittstellen etablieren – etwa in Form von Markenchatbots auf der Website oder in Kunden-Apps. Dabei ist es entscheidend, dass diese Systeme auf geprüfte, aktuelle und markenkonforme Inhalte zugreifen. Nur so lässt sich Verlässlichkeit sicherstellen und gezielt Vertrauen aufbauen.
Fazit
Die Ergebnisse der Verbraucherumfrage zeigen klar: Künstliche Intelligenz ist im Autokaufprozess angekommen – und mit ihr ein tiefgreifender Wandel der digitalen Customer Journey. Für Automobilhersteller ergibt sich daraus ein enormes Potenzial, aber auch ein klarer Handlungsauftrag. Über 50 % der Kund:innen sind offen für einen KI-gestützten Kaufabschluss – das ist mehr als nur ein Signal, es ist ein Aufruf zur aktiven Gestaltung.
Wer heute Vertrauen, Relevanz und Sichtbarkeit in digitalen Kanälen sichern will, muss KI nicht nur integrieren, sondern strategisch orchestrieren. Der Schlüssel liegt in qualitativ hochwertigen, KI-gerechten Inhalten, transparenter Kommunikation und dem gezielten Aufbau eigener, markenkonformer Assistenzsysteme. Nur so wird KI vom bloßen Effizienztreiber zum echten Differenzierungsmerkmal in einer zukunftsfähigen digitalen Customer Journey.
Die entscheidende Frage ist: Sind Sie als Hersteller darauf vorbereitet, wenn nicht mehr Ihre Website, sondern eine unabhängige KI über Ihre Produkte informiert?
Ergänzung: Aktivierende Fragen zur Vertiefung
Fragen, die sich OEMs jetzt stellen sollten:
- Sind unsere Inhalte maschinenlesbar und auffindbar für KI-Systeme – oder bleiben wir für neue Informationskanäle unsichtbar?
- Welche unserer Inhalte werden von unabhängigen KI-Assistenten bereits genutzt – und wie verlässlich sind diese Informationen?
- Wie können wir unsere Content-Prozesse so gestalten, dass sie flexibel auf neue Nutzerbedarfe reagieren – idealerweise KI-gestützt?
- Welche Rolle spielt Vertrauen aktuell in unserer digitalen Kommunikation – und wie machen wir es für Maschinen „lesbar“?
- Nutzen wir KI bereits aktiv in der Vermarktung – oder reagieren wir nur auf Entwicklungen von außen?
Wenn Sie diese Fragen aktuell nicht eindeutig beantworten können, lohnt es sich, den nächsten Schritt zu gehen. Wir unterstützen Sie gern dabei.
Co-Autor:innen: Jonathan Butschle, Kathrin Schwarz