Europäische Spar- und Investitionsunion (SIU): Neue Kapitalmarktstrategie der EU soll Investitionen ankurbeln

Europäische Spar- und Investitionsunion (SIU): Neue Kapitalmarktstrategie der EU soll Investitionen ankurbeln

Die EU will Sparvermögen gezielt für Wachstum, Sicherheit und Innovation mobilisieren.

Keyfacts:

  • Die EU-Kommission hat am 19. März 2025 ihre neue Strategie für eine „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) vorgestellt.
  • Ziel ist es, mehr privates Kapital für Investitionen in Infrastruktur, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Verteidigung zu mobilisieren.
  • Die SIU setzt auf vier zentrale Handlungsfelder: Bürgerbeteiligung, Investitionsförderung, Marktintegration und eine effektive Aufsicht.

Bei der „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) handelt es sich laut EU-Kommission um „eine Schlüsselinitiative zur effizienteren Kanalisierung von Sparvermögen in produktive Investitionen durch das EU-Finanzsystem“. Ziel ist es, den Bürger:innen einen breiteren Zugang zu Kapitalmärkten und den Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten. Damit zahlt die SIU unmittelbar auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung des Wohlstands in der EU ein.

Derzeit existieren in jedem EU-Mitgliedsstaat eigene Kapitalmärkte mit eigenen Regeln. Die damit verbundenen Einschränkungen für einen freien und grenzüberschreitenden Kapitalfluss will die Kommission abbauen, um gerade in unsicheren geopolitischen Zeiten die Wirtschafts- und Finanzkraft der EU zu stärken.

Grundlagen für Investitionskraft in Europa

Die SIU soll auf den Aktionsplänen zur Kapitalmarktunion sowie den Fortschritten bei der Bankenunion aufbauen. Ziel ist ein integriertes Finanzsystem, das Investitionen in die strategischen Ziele der EU fördert. Laut Draghi-Bericht könnten sich diese Investitionen bis 2030 auf zusätzliche 750 bis 800 Milliarden Euro belaufen – der gestiegene Verteidigungsbedarf ist dabei noch nicht eingerechnet. Ein Großteil betrifft kleine und mittlere sowie innovative Unternehmen, die sich nicht allein auf Bankfinanzierung verlassen können.

Die EU-Kommission formuliert das Ziel der SIU wie folgt: „Durch die Entwicklung integrierter Kapitalmärkte – neben einem integrierten Bankensystem – kann die Spar- und Investitionsunion das Sparvermögen einerseits und den Investitionsbedarf andererseits miteinander verknüpfen.“

Rund 10 Billionen Euro an Ersparnissen der Bürger:innen werden derzeit als Bankeinlagen gehalten. Diese werfen aber in der Regel weniger Rendite ab als Investitionen an den Kapitalmärkten. Die Kommission will dieses Kapital stärker aktivieren: für höhere Erträge auf Seite der Sparer:innen und als Investitionsbasis für die europäische Wirtschaft. Hierzu werden zahlreiche legislative und nicht-legislative Maßnahmen gebündelt.

Im Vergleich zu den USA hinkt der EU-Kapitalmarkt vielerorts hinterher, auch der Standort Deutschland hat an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Bereits 2027 will die Kommission eine Halbzeitbilanz vorlegen und die Fortschritte bei der Realisierung der SIU bewerten.

Ganzheitlicher Ansatz für ein starkes EU-Finanzsystem

Im Zusammenhang mit der Vorstellung der Strategie hat die EU-Kommission einen Katalog mit Fragen und Antworten veröffentlicht. Aus diesem Katalog sind die nachstehenden wesentlichen Punke festzuhalten, die den Ansatz der SIU verdeutlichen:

  • Die SIU verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der das gesamte Finanzwesen der EU umfasst: Die Kapitalmärkte und der Bankensektor sollen gemeinsam die effiziente Kanalisierung von Sparvermögen in Investitionen verbessern. Die Nutzung der Stärken beider Sektoren soll für mehr Tiefe und Liquidität des Finanzbinnenmarkts sorgen.
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  • Im Vergleich zu den früheren Initiativen zur Kapitalmarktunion verfolgt die SIU in stärkerem Ausmaß einen inklusiven und bürgerzentrierten Ansatz. Das bisher von der EU-Kommission als noch schwach bewertete Engagement von Kleinanleger an den EU-Kapitalmärkten soll gestärkt werden.
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  • Es wird hervorgehoben, dass der Aufbau der SIU in der gemeinsamen Verantwortung sowohl der EU-Organe als auch der Mitgliedstaaten liegt. Es seien daher gemeinsame Anstrengungen aller Interessenträger, einschließlich des Privatsektors und der Zivilgesellschaft erforderlich.
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  • Die EU-Kommission plädiert weiterhin nachdrücklich für die Weiterentwicklung der Bankenunion, unter anderem durch den Abschluss der laufenden Reform des Rahmens für das Krisenmanagement im Bankensektor und für die Einlagensicherung, gefolgt von wesentlichen Schritten auf dem Weg zur geplanten Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems (EDIS). Dies wird gerade aus deutscher Sicht sehr kritisch begleitet.

Vier wesentliche Bereiche und hierfür erforderliche Maßnahmen

Zur Erreichung dieses Ziels hat die EU-Kommission vier wesentliche Bereiche identifiziert, in denen „konzertierte Anstrengungen“ und eine enge Zusammenarbeit der EU-Organe, der Mitgliedstaaten und aller wichtigen Interessenträger erforderlich sind:

Bürger und Sparvermögen

Bürger und Sparvermögen

Privatkund:innen sollen die Möglichkeit erhalten, „einen größeren Teil ihres Ersparten, auch zur Altersvorsorge, in renditestarken Kapitalmarktinstrumenten anzulegen“.

Investitionen und Finanzierung

Investitionen und Finanzierung

Die Kommission will Initiativen einführen, die die „Verfügbarkeit von Kapital“ für Investitionen in „kritischen Sektoren“ verbessern soll.

Integration und Größe

Integration und Größe

Ineffizienzen, die sich aus der Fragmentierung des Marktes ergeben, sollen abgebaut werden. Hierbei kann es sich um regulatorische oder aufsichtliche Hindernisse für grenzüberschreitende Transaktionen von Marktinfrastrukturen, Vermögensverwaltung und Mittelverwaltung handeln.

Effiziente Aufsicht im Binnenmarkt

Effiziente Aufsicht im Binnenmarkt

Die Kommission will Maßnahmen vorschlagen, um sicherzustellen, dass alle EU-Finanzmarktteilnehmer gleichbehandelt werden, egal welchen Standort sie in der EU haben. Hierfür ist laut EU-Kommission eine Neuzuweisung von Aufsichtsbefugnissen zwischen Gremien auf nationaler und auf EU-Ebene erforderlich.

Für diese vier Bereiche sind unter anderem die nachstehenden Maßnahmen geplant:

Bürger:innen und Sparvermögen:

  • Die Kommission will bis zum dritten Quartal 2025 eine Strategie zur Förderung der Finanzkompetenz annehmen, um die Handlungskompetenz der Bürger:innen zu stärken, ihr Bewusstsein zu schärfen und ihr Engagement an den Kapitalmärkten zu erhöhen. Dadurch soll eine ausgeprägtere Investitionskultur geschaffen werden.
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  • Es soll ein europäisches Konzept für Spar- und Anlagekonten oder -produkte für Kleinanleger entwickelt werden, einschließlich Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zur steuerlichen Behandlung solcher Anlagekonten.
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  • Durch die Überprüfung der bestehenden Rechtsrahmen für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) und das Paneuropäische Private Pensionsprodukt (PEPP) will die EU-Kommission deren Wirksamkeit und Attraktivität sowie deren grenzüberschreitende Zugänglichkeit verbessern.
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  • Ein weiteres zentrales Element der Strategie soll die Förderung der automatischen Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungssystemen darstellen. Die EU-Kommission hat hierzu im Juni 2025 eine Konsultation zu Zusatzrenten gestartet, die insbesondere auch Themen wie die Transparenz der Rentenprodukte, die Effizienz der Rentensysteme und den Schutz der Rentenansprüche umfasst.

Investitionen und Finanzierung

  • Ein zentrales Ziel der SIU ist, den Zugang von EU-Unternehmen zu Finanzmitteln – auch grenzüberschreitend – zu erleichtern und so einen wirtschaftlichen Multiplikatoreffekt zu erzielen. Dazu sind folgende Maßnahmen geplant:
  1. Umsetzung der Vorschriften über die Behandlung langfristigen Eigenkapitals durch die Delegierte Verordnung zu „Solvabilität II“ für Versicherungsunternehmen
  2. Klarstellung des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht bei Pensionsfonds
  3. Klarstellung der Behandlung von Beteiligungsinvestitionen durch Banken im Rahmen von Legislativprogrammen
  4. Überprüfung der Bestimmungen über Verbriefungen
  5. Zusammenarbeit der Kommission mit der Europäischen Investitionsbank (EIB)
  • Banken mit Genehmigung für Eigenkapitalinvestitionen im Rahmen von Legislativprogrammen sollen von niedrigeren Eigenkapitalanforderungen profitieren. Die EU-Kommission möchte Leitlinien veröffentlichen, die den Banken die nötige Klarheit verschaffen, um sich an Eigenkapitalinvestitionen zu beteiligen, die Teil der Legislativprogramme sind.
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  • Die EU-Kommission hat im Juni 2025 Maßnahmen zur Vereinfachung der Verbriefung für Banken angenommen (unter anderem Sorgfaltspflicht, Transparenz, Aufsicht). Eine entsprechende Konsultation zu Solvency-II-Änderungen wurde ebenfalls angekündigt.
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  • Um Kapitalabwanderung innovativer Unternehmen zu stoppen, sollen Hindernisse für Eigenkapitalinvestitionen abgebaut und Anreize für institutionelle Anleger geschaffen werden. Auch das EuVECA-Siegel soll attraktiver werden.

Integration und Größe

  • Die Kommission will im zweiten Quartal 2025 einen speziellen Kanal einrichten, über den alle Marktteilnehmer über Hindernisse im Binnenmarkt berichten können. Darüber hinaus wird sie die Durchsetzungsmaßnahmen verstärken, um deren Beseitigung zu beschleunigen.
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  • Um Hindernisse für stärker integrierte Handels- und Nachhandelsinfrastrukturen zu beseitigen, wird die Kommission ein Paket von Legislativvorschlägen vorlegen, das Vorschriften über Zentralverwahrer, Finanzsicherheiten und Abwicklung sowie über die Handelsmarktstruktur enthält.
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  • Die Kommission will im vierten Quartal 2025 Rechtsvorschriften vorschlagen, um verbleibende Hindernisse für den unionsweiten Vertrieb von in der EU zugelassenen Fonds zu beseitigen.
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  • Die EU-Kommission hat bereits am 15. April 2025 eine Konsultation zur Integration der EU-Kapitalmärkte gestartet. Die aus dieser Konsultation gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, eine Reihe von Maßnahmen zu gestalten, die im vierten Quartal 2025 in einem umfassenden Paket vorgestellt werden sollen.

Effiziente Aufsicht im Binnenmarkt:

  • Die Kommission fordert die Europäischen Aufsichtsbehörden und die zuständigen nationalen Behörden dazu auf, die derzeit verfügbaren Instrumente in vollem Umfang zu nutzen und die in der Mitteilung zur Vereinfachung dargelegte Vereinfachungsagenda umzusetzen.
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  • Die Kommission wird im vierten Quartal 2025 Maßnahmen vorschlagen, um die Instrumente der aufsichtlichen Konvergenz zu stärken und wirksamer zu gestalten.
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  • Darüber hinaus wird die Kommission im vierten Quartal 2025 Vorschläge für eine harmonisierte Beaufsichtigung über die Kapitalmärkte vorlegen, wie im Kompass für Wettbewerbsfähigkeit dargelegt, unter anderem durch die Übertragung bestimmter Aufgaben auf EU-Ebene.

 

Quelle: Factsheet: Savings and Investment Union – Key Measures, März 2025

Gemischte Resonanz auf die Spar- und Investitionsunion

Die Initiative zur Spar- und Investitionsunion (SIU) wird von vielen Marktteilnehmern grundsätzlich begrüßt. Gleichzeitig wirft das umfangreiche Maßnahmenpaket Fragen auf – insbesondere, wie bestehende Regulierungsprojekte wie die EU-Kleinanlegerstrategie in die SIU eingebunden werden.

Finanzverbände zeigen sich überwiegend positiv, doch es gibt auch Kritik: Die Versicherungswirtschaft bemängelt, dass verschärfte Solvency-II-Regeln Investitionen bremsen. Die Kreditwirtschaft fordert, die Bedeutung der Bankenfinanzierung für den Mittelstand nicht zu vernachlässigen und die Kreditvergabe zu erleichtern. Zudem kritisieren manche, dass die EU-Kommission in vielen kleinen Schritten vorgeht statt einen großen Wurf zu wagen. Die Verhältnismäßigkeit des Regulierungsrahmens bleibt umstritten.

In den kommenden Quartalen wird sich zeigen, ob der umfassende Fahrplan der SIU erfolgsversprechend ist.