Soziale Anleihen – Anforderungen und Chancen für Emittenten und Investoren

Die Anlageform zur Finanzierung sozialer Projekte wird bei Investoren immer beliebter.

Keyfacts:

  • Die Nachfrage nach nachhaltigen Investments steigt – die Emissionsvolumina für soziale Anleihen nehmen zu.
  • Die sogenannten Social Bonds stellen für Emittenten wie für Investoren eine interessante Alternative zu grünen Anleihen („Green Bonds“) dar – und doch fällt die Auswahl geeigneter sozialer Finanzierungen schwer, denn es fehlt an den nötigen Daten.
  • Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um soziale Anleihen.

Soziale Anleihen („Social Bonds“) werden bei Investoren im In- und Ausland immer beliebter. Als Schwesterprodukt grüner Anleihen („Green Bonds“), die grüne Entwicklungsziele fördern, dienen sie ausschließlich der (Re-)Finanzierung neuer oder bestehender sozialer Projekte. Das können beispielsweise der Zugang zu sozialen Dienstleistungen im Gesundheitswesen oder zu bezahlbarem Wohnraum sein.

Unter den Begriff soziale Anleihen fallen dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Typen von Anleihen (zum Beispiel Pfandbrief) und Auszahlungsprofilen (zum Beispiel Fix-Kupon).

Zu beobachten ist bei sozialen Anleihen ein hoher Anteil staatlicher und supranationaler Emittenten. Ein Beispiel ist das EU-Instrument SURE (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency), das der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage dient. Allein im Rahmen von SURE hat die EU-Kommission bereits soziale Anleihen in Höhe von mehr als 98 Milliarden Euro aufgelegt, um die negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Coronavirus-Ausbruchs zu bekämpfen.

Da soziale Anleihen aktuell keine systematische Prämie aufweisen – das bedeutet, dass ihre Rendite genauso hoch ist wie die vergleichbarer konventioneller Anleihen –, stellt sich die Frage, was sie zu einer interessanten Anlageklasse für Investoren oder Emittenten macht.

Warum überhaupt soziale Anleihen?

Für Emittenten bieten soziale Anleihen eine alternative Refinanzierungsmöglichkeit für nachhaltige Projekte, gerade wenn sie sich aufgrund fehlender ökologischer Aspekte nicht für grüne Anleihen eignen. Damit können sie zusätzliche Investorengruppen bedienen, die an nachhaltigen Investitionen interessiert sind, aber ihre Anlagebedürfnisse über grüne Anleihen nicht ausreichend befriedigen können oder zusätzliche Diversifikation suchen. Als weitere Abnehmer kommen spezialisierte Investoren wie kirchliche Institutionen und sogenannte Social-Impact-Investoren in Betracht.

Die Funktionsweise von sozialen Anleihen verhält sich ähnlich zu der von grünen Anleihen: Der Emittent berichtet regelmäßig über die nachhaltige soziale Wirkung der Mittelverwendung, welche in der Regel zusätzlich durch eine anerkannte unabhängige Partei bestätigt wird.

Sowohl Emittenten als auch Investoren können mit sozialen Anleihen einen Beitrag zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung leisten, indem sie mit Hilfe von Investitionen den sozialen Zusammenhalt stärken und damit einen Beitrag zum Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen („UN Sustainable Development Goals“) leisten.

Welche Standards gibt es für soziale Anleihen?

Der Branchenverband für Kapitalmarktteilnehmer (International Capital Markets Asscociation, ICMA) hat international etablierte Leitlinien für soziale Anleihen herausgegeben, die „Social Bond Principles“. Sie sind ähnlich aufgebaut wie die „ICMA Green Bond Principles“, dem Standard für grüne Anleihen.

Darüber hinaus gibt es die „Mindeststandards für Soziale Pfandbriefe“ vom Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), die auf den „ICMA Social Bond Principles“ aufbauen. Sie sind verpflichtend für alle Emittenten, die das Siegel „vdp Sozialer Pfandbrief“ führen wollen.

Ergänzend hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA in ihrer Stellungnahme vom 11 Juli 2023 klargestellt, welche Nachhaltigkeitsangaben Emittenten von Wertpapieren unter der EU-Prospektverordnung in ihre Prospekte aufnehmen sollen.

Kann ich als Emittent Social Bonds in mein Green Bond Framework integrieren?

Grundsätzlich dient ein Green Bond Framework der Finanzierung ökologischer Projekte und ein Social Bond Framework der Finanzierung sozialer Projekte. Damit sind die Rahmenwerke, trotz eines ähnlichen Aufbaus, unterschiedlich zu handhaben. Dazu kommt, dass die darunter begebenen Anleihen üblicherweise unterschiedliche Investorengruppen ansprechen.

Sollen aber zum Beispiel Projekte finanziert werden, die als soziale Projekte auch einen ökologischen Zusatznutzen haben oder als grüne Projekte einen sozialen Zusatznutzen, ist die Emission unter einem Sustainability Bond Framework möglich. Leitlinien für ein solches Framework hat die ICMA entwickelt, und auch einige Marktteilnehmer haben bereits eigene Frameworks vorgelegt.

Zusätzlich empfehlen wir Emittenten, dass die im Framework beschriebenen Nachhaltigkeitsziele und -kriterien mit der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens kompatibel sind.

Welche Rolle spielt die EU-Sozialtaxonomie hierbei?

Die Hauptschwierigkeit bei der Implementierung der Leitlinien für soziale Anleihen liegt in der geeigneten Definition sozialer Indikatoren, anhand derer die Projektauswahl und die Auswirkungsberichterstattung („Impact Reporting“) erfolgen sollen. Im Vergleich zu den Green Bond Standards ist die Grenzziehung schwieriger und generell die Datenverfügbarkeit in Bezug auf diese Indikatoren meist noch sehr eingeschränkt.

Die Entwicklung einer Sozialtaxonomie durch die europäischen Regulierungsgremien könnte hier als klar definierter sozialer Indikator zur Projektauswahl sehr hilfreich sein und – ähnlich wie die E-Taxonomie für den EU-Green Bond Standard – die Basis für einen neuen EU-Social Bond Standard werden.

Wohin wird sich der Markt für soziale Anleihen entwickeln?

Aufgrund der beschriebenen Vorteile von sozialen Anleihen als alternative nachhaltige Refinanzierungs- und Anlagemöglichkeit erwarten wir weiter steigende Emissionsvolumina und mehr aktive Emittenten am Markt – und das nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Sozialtaxonomie einschließlich eines EU-Social Bond Standards.

Denkbar ist, dass künftige regulatorische oder steuerliche Anreize für nachhaltige Anleihen für einen weiteren Nachfrageschub sorgen.

Wie sollten interessierte Emittenten vorgehen?

Emittenten, die sich für das Begeben sozialer Anleihen interessieren, sollten am besten sofort mit den Vorarbeiten beginnen. Denn die nötigen Vorbereitungsmaßnahmen für das Schaffen der Emissionsbasis – also etwa das Erstellen erforderlicher Reportings sowie das Anpassen der Emissionsunterlagen – sind umfangreich. Zur Vorbereitung der Emissionsfähigkeit bietet sich aus unserer Sicht ein Vorgehen in fünf Schritten an:

1

Analyse der relevanten Social-Bond-Framework-Standards für die Emission sozialer Anleihen mit Blick auf ihre generellen Anforderungen an finanzierte Projekte und die Auswirkungsberichterstattung

2

Analyse der konkreten Datenanforderungen, die sich aus den Standards ergeben, und Aufzeigen entsprechender Gestaltungsoptionen

3

Vergleich der Datenanforderungen mit den verfügbaren Daten im Darlehensbestand und Ableitung eines geeigneten Datenkatalogs für soziale Anleihen

4

Identifikation der relevanten Refinanzierungsobjekte und Abschätzung des möglichen Refinanzierungsvolumens, soweit erforderlich auch durch Nacherhebung zusätzlich benötigter Daten

5

Aufsetzen der erforderlichen Dokumentation, zum Beispiel Veröffentlichung des eigenen Social Bond Frameworks, der Berichterstattung an Investoren über die Mittelverwendung für soziale Zwecke und dessen Wirkung. Von den Standardgebern gefordert ist außerdem eine externe Beurteilung des Frameworks.

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