Bürgerzentrierte Serviceoptimierung im öffentlichen Sektor

Wie Behörden bürgerzentriert Prozesse verbessern und Services optimieren

Der Schlüssel zu besseren Serviceerlebnissen

Die Herausforderungen im öffentlichen Sektor sind vielfältig – von fragmentierten Prozessen bis zu steigenden Erwartungen der Bürger:innen. Doch die eigentliche Frage lautet: Wie lassen sich Services so gestalten, dass sie nicht nur funktionieren, sondern Vertrauen schaffen und einen echten Unterschied im Alltag machen?

Ein Blick auf die Erfahrungen der Bürger:innen zeigt, dass die Zufriedenheit nicht allein von der Effizienz eines Services abhängt, sondern vor allem davon, ob man sich gesehen, verstanden und respektiert fühlt.

KPMG hat in dem Citizen Experience Excellence Report 2024 – 2025 die drei Prinzipien Remembered, Recognized und Respected identifiziert, welche die Grundlage für ein modernes, bürgerzentriertes Serviceverständnis bilden. 1 Sie helfen, Optimierungspotenziale sichtbar zu machen und den Weg zu einer Verwaltung zu eröffnen, die Bedürfnisse der Bürger:innen in den Mittelpunkt stellt.

Optimierungspotenziale erkennen und Veränderung ermöglichen

Bürgerorientierung ist mehr als Servicefreundlichkeit oder Digitalisierung – sie beginnt mit dem tiefen Verständnis dafür, wie Menschen öffentliche Dienstleistungen erleben und empfinden. Die im Report identifizierten Prinzipien helfen dabei, diese Perspektive konsequent einzunehmen und Bürgerinteraktionen nachhaltig menschenzentriert zu gestalten. Wer sie ernst nimmt, setzt nicht nur den Grundstein für ein verbessertes Erlebnis für Bürger:innen, sondern erhöht gleichzeitig die Effizienz und Leistungsfähigkeit öffentlicher Dienstleistungen.

Remembered – Bürgererlebnisse konsistent gestalten

Zwei von fünf Bürger:innen gaben in einer Befragung an, dass sie sich bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen nicht an frühere Interaktionen erinnert fühlten. 39 Prozent berichteten, dass sich Services nicht wie aus einer Hand anfühlten. In diesen Fällen sank die erlebte Servicequalität um bis zu 17 Prozent.1

Das Problem liegt meist in der Systemlandschaft. Viele Behörden arbeiten mit voneinander getrennten Systemen. Bürger:innen müssen dadurch ihre Informationen wiederholt eingeben. Ein frustrierendes Erlebnis, das Vertrauen kostet und Ressourcen bindet.

Ein gutes Bürgererlebnis bedeutet dagegen, dass Interaktionen aufeinander aufbauen. Bürger:innen brauchen das Gefühl, dass ihre Anliegen verstanden werden und dass mitgedacht wird, ohne sich ständig wiederholen zu müssen.

Relevante Ansatzpunkte:

  • Verzahnte Datenarchitektur etablieren: Durch den Ausbau einer übergreifenden CRM-Strategie können Behörden relevante Informationen dienstübergreifend verfügbar machen. So entsteht ein nahtloser Blick auf Anliegen und Präferenzen der Bürger:innen.
  • Schrittweise Integration ermöglichen: Eine kohärente „Citizen Journey“ entsteht nicht über Nacht. Entscheidend ist, mit einer klaren Vision und einem iterativen Fahrplan zu starten, beginnend bei jenen Services, bei denen der größte Impact auf das Nutzererlebnis möglich ist.

Wenn sich Bürger:innen nicht mehr ständig wiederholen müssen und sich Interaktionen sinnvoll aufeinander beziehen, stärkt das nicht nur die Effizienz der Verwaltung – es vermittelt vor allem das Gefühl, ernstgenommen und begleitet zu werden.

Recognized – Menschen in ihrer Lebensrealität sehen

31 Prozent der Befragten sagten, dass ihre individuellen Bedürfnisse bei der Nutzung öffentlicher Dienste nicht berücksichtigt wurden. Die Folge: Die Bewertung der Servicequalität sank um bis zu 21 Prozent.1 Dabei ist es essenziell, Bürger:innen in ihrer konkreten Lebenssituation zu verstehen: Ein Umzug, eine Geburt oder eine Pflegebedürftigkeit, all das sind Ereignisse, bei denen die öffentlichen Services relevant werden und gleichzeitig Empathie, Flexibilität und Passgenauigkeit gefragt sind.

Was hilft:

  • Segmentierung: Datensätze können in kleinere, bedarfsorientierte Gruppen gegliedert werden – etwa nach Lebensereignissen oder besonderen Herausforderungen.
  • Kontextbasierte Gestaltung: Je mehr Kontext Informationen bieten, zum Beispiel aus früheren Kontakten, desto zielgerichteter und relevanter können Services gestaltet werden.

Nur wenn der öffentliche Sektor flexibel auf Lebensrealitäten reagiert, entsteht ein echter Mehrwert – sowohl für Bürger:innen als auch für die Organisationen, die diese Leistungen anbieten.

Respected – Bürger:innen als Menschen behandeln, nicht als Fallnummern

Fast die Hälfte der Bürger:innen gab an, dass sie nicht auf Anhieb die richtige Ansprechperson finden konnten. 44 Prozent hatten das Gefühl, dass sich das Personal nicht wirklich um sie kümmerte. In diesen Fällen sank die Zufriedenheit mit dem öffentlichen Serviceangebot um bis zu 16 Prozent.1

Respekt im Servicekontext bedeutet, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Dazu gehört, ihre Zeit wertzuschätzen, ihnen aktiv zuzuhören und sie im Kontakt ernst zu nehmen. Vor allem in emotional belastenden oder komplexen Lebenslagen.

Zentrale Stellschrauben:

  • Technologie mit Empathie kombinieren: KI und Automatisierung bieten Effizienzvorteile, aber sie müssen mit einer menschlichen Note ergänzt werden. Der Schlüssel liegt in der bewussten Balance zwischen Automatisierung und echter, empathischer Kommunikation.
  • Emotionale Intelligenz fördern: Mitarbeiter:innen im öffentlichen Sektor sollten befähigt werden, nicht nur fachlich kompetent, sondern auch empathisch zu handeln. Denn oft ist der menschliche Kontakt nicht nur Mittel zum Zweck – sondern bereits Teil der Lösung.

Organisationen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, investieren in Vertrauen und schaffen gleichzeitig langfristige Beziehungen zu Bürger:innen.

 

Best Practices für bürgerzentrierte Verwaltung

Die Umsetzung bürgerorientierter Prinzipien zeigt sich besonders dann, wenn Organisationen innovative Ansätze in die Praxis überführen. Die folgenden Beispiele verdeutlichen, wie unterschiedliche Treiber zur Verbesserung des Serviceerlebnisses beitragen können.

  • Integrität: Bürgerorientierung in Strukturen verankern

Ein führender Bahnbetreiber verfolgt einen klaren Ansatz, um Bürgernähe nicht nur als Ziel, sondern als gelebte Kultur zu verankern. Bürgerperspektiven fließen direkt in Entscheidungen ein – vom täglichen Betrieb über Serviceverbesserungen bis hin zu langfristigen Strategien. Das Unternehmen legt besonderen Wert darauf, Bürgerfeedback nicht nur aus regulatorischen Gründen zu sammeln, sondern es auch als wertvolle Grundlage für Verbesserungen und Vertrauen zu nutzen. Zudem werden Partnerschaften mit anderen Akteuren aufgebaut, um Daten zu teilen und das Gesamterlebnis der Bürger:innen zu verbessern.

  • Problemlösung: Balance zwischen digital und persönlich

Ein führender Passdienst hat einen Ansatz entwickelt, der digitale Selbstbedienung und persönlichen Kontakt kombiniert. Einfache Anliegen werden digital abgewickelt, während Mitarbeiter:innen empathisch komplexe Situationen begleiten. Dadurch wird sichergestellt, dass Dienstleistungen für alle zugänglich sind, Probleme proaktiv gelöst werden und kontinuierliche Verbesserungen möglich sind.

  • Erwartungen: Einheitliche Erlebnisse schaffen

Eine Stadtverwaltung hat eine digitale „Eintrittstür“ eingerichtet, die alle digitalen Interaktionen vereinheitlicht. Datenquellen werden in einem einheitlichen System zusammengeführt, sodass Bürger:innen unabhängig vom Kommunikationskanal konsistente Antworten erhalten. Dies sorgt dafür, dass Erwartungen erfüllt werden und Brüche in der Serviceerfahrung vermieden werden. Gleichzeitig wird in Forschung und Datenanalyse investiert, um Bedürfnisse kontinuierlich besser zu erkennen.

  • Zeit & Aufwand: Services vereinfachen

Ein Kindergeld- und Unterhaltsdienst hat den Erstantragsprozess von einem 40-minütigen Telefongespräch auf eine vollständig digitale Antragstellung umgestellt. 99 Prozent aller Anträge konnten hierdurch online eingereicht werden. Zusätzlich wird ein Online-Portal genutzt, das alle Fälle verwaltet und KI unterstützt proaktiv dabei, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Das spart Zeit, Aufwand für Bürger:innen und ermöglicht die Konzentration auf komplexere Fälle.

  • Personalisierung: Bedürfnisse konsequent berücksichtigen

Ein führender Verkehrsbetreiber hat seine Services so gestaltet, dass sie die individuellen Bedürfnisse der Fahrgäste berücksichtigen, insbesondere hinsichtlich der Barrierefreiheit. Die Infrastruktur wird zunächst für alle Fahrten zugänglich gemacht, danach folgen barrierefreie Informationen und Zahlungsoptionen. Auf diese Weise entsteht ein personalisiertes, nahtloses Serviceerlebnis. Die Fahrgäste fühlen sich dadurch während der gesamten Reise unterstützt und ihre Lebensqualität wird verbessert.

  • Empathie: Emotionale Verbindung aufbauen

Ein führender Bahnbetreiber setzt auf eine „Community Railway“, die eine emotionale Verbindung zu den Bürger:innen schafft. Mitarbeitende spiegeln die Gemeinschaft wieder und Bahnhöfe werden lokal verankert, um ein vertrautes Gefühl zu vermitteln. Der Service berücksichtigt sowohl vor als auch nach der Reise die individuellen Bedürfnisse der Bürger:innen. Gleichzeitig wird auf Mitarbeiter:innen geachtet, die motiviert und stolz auf ihre Arbeit sind, wodurch Empathie authentisch gelebt werden kann.

 

Vom Potenzial zur Umsetzung – Impulse für den öffentlichen Sektor

Die Beispiele zeigen: Bürgerzentrierung im öffentlichen Sektor ist kein abstraktes Ziel, sondern oft schon gelebte Praxis. Organisationen, die konsequent auf die sechs Treiber Integrität, Problemlösungskompetenz, Erwartungen, Zeit- & Aufwand, Personalisierung und Empathie setzen, schaffen spürbare Verbesserungen für Bürger:innen. Zugleich wird die Effizienz gesteigert und das Vertrauen wird gestärkt.

Der Schlüssel liegt in der Balance: Digitale Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, doch ihre Wirkung entfalten sie erst, wenn sie durch menschliche Nähe, Transparenz und echte Bürgerorientierung ergänzt werden. Die aufgezeigten Best Practices machen deutlich, dass Fortschritt nicht in großen Sprüngen entsteht, sondern in einer Vielzahl kleiner gezielter Maßnahmen.

Für die Praxis bedeutet das, den Mut aufzubringen, Strukturen zu hinterfragen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Technologie gezielt einzusetzen, um echte Mehrwerte zu schaffen. Auf diese Weise lässt sich Schritt für Schritt eine Verwaltung gestalten, die nicht nur effizient ist, sondern auch bürgernah, empathisch und zukunftsfähig.

 

 

1 KPMG, The Citizen Experience Excellence Report 2024-25, published April 2025