Culture eats Strategy for Breakfast

Kulturwandel als Schlüssel bei digitalen Transformationen – Warum dieser entscheidend ist.

Die digitale Transformation ist in vollem Gange und verändert die Unternehmenslandschaft. Damit verbunden sind Nutzenversprechen, wie verbesserte Prozesse, Kostenreduktionen, gesteigerte Produktivität oder höheres Innovationspotenzial. Der Druck, die digitale Transformation schnell und reibungslos umzusetzen, ist gerade auch in Zeiten eines steigenden Zinsniveaus für die Finanzierung der Transformation groß. Häufig wird die Unternehmensstrategie auf die neuen digitalen Möglichkeiten angepasst oder es entstehen gänzlich neue digitale Geschäftsmodelle.

Kein schnelles Projekt

Doch die digitale Transformation ist kein schnelles Projekt, bei dem ganz nebenbei eine Software wie S/4 HANA oder ein durch künstliche Intelligenz gestütztes System implementiert und ein paar Prozesse angepasst werden. Sie ist vielmehr ein komplexer Prozess, der neben der technischen und strategischen auch die kulturelle und menschliche Ebene umfasst.

Häufig sind technische Aspekte wichtiger

Es ist dabei nur allzu einfach und verlockend, sich auf die technologischen Aspekte der Veränderung zu fokussieren. Die Technologie ist jedoch nur ein Oberflächenthema und spiegelt nur einen Teil des Prozesses wider. Technologie wird eingekauft und implementiert in der Hoffnung, dass sie den gewünschten Nutzen generiert, der mit der Einführung verbunden ist. Technische Aspekte rücken dabei in den Vordergrund, sodass die eingeführte Software die Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen so gut wie möglich abbildet.

Culture eats Strategy for breakfast

Doch eine echte Transformation muss auch die Hürden für die Veränderungen angehen, wie interne Trägheit, Silodenken oder ein über Jahre gewachsenes Mindset und Verhaltensmuster. Peter Drucker, Pionier der modernen Managementlehre, hat dies mit seinem berühmten Satz „Culture eats Strategy for breakfast“ zum Ausdruck gebracht und so die Kultur einer Organisation stärker in den Mittelpunkt gerückt. Diese hat nämlich einen deutlich stärkeren Einfluss als es Visionen, Werte, Ziele, Strategien oder Projekte je haben werden.

Neue Anforderungen durch die digitale Transformation

Die digitale Transformation hat zwar in der Technologie ihren Ursprung, betrifft jedoch die gesamte Organisation auch und gerade außerhalb des unmittelbaren technischen Bereichs. So ermöglicht oder erfordert die neue Technik beispielsweise neue flexible oder agile Arbeitsformen und dezentrale Kommunikationswege. Neue Berufsbilder und Rollen tauchen auf, oder es entstehen neue Berufsbilder in bestehenden Berufen. Neue Qualifikationen sind nötig und auch die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften verändert sich. Bestehende Geschäftsprozesse müssen angepasst werden oder gleich neu entwickelt werden, was zu einer Anpassung des Organisationsdesigns führen kann.

Ein neues Selbstverständnis

All diese Veränderungen haben eine Auswirkung auf die Kultur der Organisation. Damit erfindet die digitale Transformation die Organisation in Teilen komplett neu. Und hier geht es nicht nur um neue Schnittstellen, Prozesse oder Rollenbilder, sondern vielmehr um ein ganz neues Selbstverständnis und Mindset zur (Zusammen-)Arbeit. Das betrifft zum Beispiel das Denken in End-to-End-Prozessen oder offenen Netzwerkstrukturen im Gegensatz zum klassischen Abteilungsdenken in Silos, das (Vor-)Leben von agilen Führungsansätzen oder die agilere Gestaltung der Zusammenarbeit und Denkweise in der Organisation.

Mindset-Wandel stößt auf Widerstand

Aus der Praxis wissen wir allerdings, dass ein solcher Mindset-Wandel nicht immer willkommen geheißen und bei einem Teil der Betroffenen sogar auf Widerstand stoßen wird. Diesem kulturellen Aspekt wird häufig nicht genügend Beachtung geschenkt oder erst dann, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“ und die digitale Transformation zum Scheitern verurteilt ist. Das zeigt auch die jüngste Studie von Harvard Business Review Analytic Services (January 2022 Digital Transformation Refocused: New Goals Require New Strategies (hbr.org)), für die rund 700 Führungskräfte weltweit aufgefordert wurden, die Reife ihrer digitalen Transformation einzuschätzen. Demnach sehen rund 40 Prozent der Befragten das Schaffen einer Kultur des kontinuierlichen Lernens als eine der größten Herausforderungen für den Erfolg ihrer Transformationsbemühungen.

Komplexität wird häufig unterschätzt

Grund dafür, dass die kulturelle Herausforderung häufig unterschätzt wird, ist meist, dass die Herausforderung komplexer ist als zunächst angenommen. Im Gegensatz zur schnelleren und dynamischeren Anpassung der Strategie des Unternehmens oder der Einführung von neuen technischen Systemen, ist die Anpassung der Kultur träge und langsam. Sie beruht auf Überzeugungen und Verhalten, die sich nicht von heute auf morgen so leicht verändern lassen. Eine Neugestaltung der Unternehmenskultur erfordert daher einen langfristigen Ansatz und kann nicht einfach und schnell umgesetzt werden.

Kultur definieren

Kultur ist die unausgesprochene soziale Ordnung einer Organisation, die durch Überzeugungen und Verhalten auf unterschiedliche Weise geprägt wird. Das, was nicht formal über Prozesse, Regeln oder die Unternehmensstruktur geregelt wird, regelt sich durch die Kultur und damit die kulturellen Normen – das was eine Gruppe unterstützt und fördert, akzeptiert oder eben ablehnt. Kultur ist ein Gruppenphänomen, das nicht durch eine einzelne Person entsteht, sondern sich durch gelebte Denk- und Verhaltensweise formt. Menschen fühlen sich zu Organisationen hingezogen, die ähnliche Charaktermerkmale aufweisen, wie sie selbst. Im Gegenzug wählen Organisationen mit hoher Wahrscheinlichkeit Kandidaten aus, die zu ihnen und ihrer Kultur passen. Kultur impliziert einen Verhaltenskodex, der Menschen unterschwellig dazu zwingt, sich einem Verhalten oder einer Überzeugung einzuordnen – so wie eine stille Sprache.

Kultur wird im Management noch häufig vernachlässigt

Kultur ist nur schwer fassbar, denn sie beruht auf unausgesprochene Traditionen, Verhaltensweisen und sozialen Mustern. Deswegen wird sie oft von Unternehmenslenkern vernachlässigt oder nur auf der Schauseite durch ein gemeinsam definierten Wertekatalog, der faktisch nicht mit der dominierenden Kultur übereinstimmt, angefasst.

Kultur ist entscheidender Faktor beim Wandel

Dabei ist die Organisationskultur ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung von Veränderungsvorhaben wie der digitalen Transformation oder einer neuen Strategie. Sie trägt dazu bei, Kapazitäten und Ressourcen in der Organisation zu nutzen und auszubauen. Dabei hilft sie dem Unternehmen auch, sich flexibel und eigenständig an Veränderungen anzupassen und damit Chancen und Anforderungen, die an die Organisation gestellt werden, zu nutzen.

Hebel zur Beeinflussung der Organisationskultur

Da Organisationskultur sich als informale Handlungsnormen und -muster durch Wiederholung und Imitation ausbildet, lässt sie sich durch die Verkündung neuer kultureller Werte kaum verändern. Das bedeutet auch, dass darauf aufbauende groß angelegte Kulturprogramme zum Scheitern verurteilt sind. Unklar ist auch, wie die Mitarbeiterschaft überhaupt ein Kulturprogramm aufgreift. Erfolgsversprechender ist es, die formalen Spielregeln zu ändern, die den Spielraum der Kultur beeinflussen. Einige Beispiele dafür sind:

  • Veränderung der formalen Kommunikationswege
  • Anpassung der Ablaufprozesse und Stellenbesetzungen
  • Schaffung von neuen Zielvorgaben und Anreiz- und Bewertungssystemen
  • Übertragen von Verantwortung für Projekte, Themen, usw.
  • Einführung von offeneren Netzwerk-Strukturen und agilen Arbeitsmethoden

Wie solche Veränderungen sich auf die Kultur auswirken, lässt sich jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen. Es gilt, sich hier durch Experimente in iterativen Schleifen vorzutasten und die Effekte auf die Kultur zu bewerten. Bei der Implementierung eines neuen ERP-Systems ist daher ratsam, zunächst in einem Piloten zu verändern und schrittweise die Auswirkungen auf die Organisationskultur zu beobachten.

Kulturwandel bringt neue Anforderungen an Führung mit sich

Auch wenn eine top-down verordnete Anpassung der Unternehmenskultur in den häufigsten Fällen nicht sehr erfolgsversprechend scheint, wird sie häufig so initiiert. Hier kommt vor allem auf die Führungskräfte eine große Verantwortung zu. Führung und Kultur sind untrennbar miteinander verbunden, da Führungskräfte den Wandel vorantreiben. Hier ändert sich durch die digitale Transformation auch das Führungsverständnis hin zu einem stärkeren Teilen von Verantwortung. Um dieses Verständnis (vor-) zu leben, sollten auch ihre Führungskompetenzen für den digitalen Wandel erarbeitet und geschult werden.

Machtkampf Kulturveränderung

Kulturveränderung muss durch die Mitarbeiterschaft gelebt und realisiert werden – also bottom-up. Hierbei kommt es häufig auch zu einem Machtkampf um die Entwicklung von neuen Ideen, Einsatz von Alternativvorschlägen und zu Verhandlungen über akzeptierte Normen zwischen unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Ein professionelles Change Management ist erforderlich, um diese Veränderungen erfolgreich in den Kulturwandelprozess zu integrieren.

Change Management ist essenziell für die Begleitung des Kulturwandel

Die Aufgabe des Change Managements ist es, diese unterschiedlichen Meinungen zu orchestrieren, um Widerstände gegenüber dem Wandel zu verstehen, transparent zu machen und entgegenzuwirken. Denn, wenn der Machtkampf zu Spannungen zwischen Strategie und Kultur führt, dann kann das Vorhaben gänzlich scheitern. Change Management ist das Gestalten, Lenken und Entwickeln der Kultur und begleitet den Wandelprozess in einer strukturierten Weise. Es hilft dabei, Sichtweisen und Verhalten transparent zu machen, die effektive Kommunikation zu fördern und Betroffene zu befähigen. Eine erste Kulturanalyse bietet dabei einen guten Startpunkt, um die Ausgangssituation des Wandelprozesses darzustellen und Hebel für den Change zu identifizieren. Weitere Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um die digitale Transformation voranzutreiben, können folgende Aspekte abdecken:

  • Führungskräfte müssen eine klare Vision und Strategie für die Transformation kommunizieren.
  • Mitarbeitende müssen auf die Veränderungen vorbereitet werden und über die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen.
  • Ein kollaborativer Ansatz kann Widerstände gegen die anstehenden Veränderungen verringern.
  • Eine klare Kommunikation über die Vorteile und Auswirkungen der Veränderungen ist essenziell.
  • Eine kontinuierliche Überwachung sowie die Bewertung der Veränderungen sind notwendig.

In den nächsten Jahren müssen sich Unternehmen kulturellen Herausforderungen stellen und diese aktiv angehen, sodass die Bemühungen um die digitale Transformation im gesamten Unternehmen angenommen werden. Dies ist häufig der blinde Fleck für so viele digitale Transformationsbemühungen – das ist es, was vielen Unternehmen fehlt und wo ein ganzheitliches (agiles) Change Management unterstützen kann.

 

Co-Autorin: Pauline Kaufmann

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