Willkommen im Club - Mobilität als Erlebniswelt

Warum Automobilhersteller sich zum As-a-Service-Anbieter wandeln müssen

Keyfacts:

  • Zukünftige Zielgruppen der Automobilbranche kaufen nachhaltige, individuelle Mobilitätslösungen anstelle von Produkten
  • Die software-gesteuerte Entwicklung und Vernetzung von Fahrzeugen und Services ist eine der größten Herausforderungen für OEMs
  • Mit dem Angebot flexibler Mobilitäts- und Nutzungsmodelle können individuelle oder sogar exklusive Kundenerlebnisse geschaffen werden

Manche Geschäftsmodelle, besonders die aus der Digitalwirtschaft, haben beim Kunden derart Anklang gefunden, dass sie nachhaltig das Konsum- und Investitionsverhalten verändert haben. Deutlich wird dies am digitalen Konsumverhalten. Der KPMG Global Automotive Executive Survey 2020 hat dazu herausgefunden, dass auch der Onlinekauf von Fahrzeugen für Kunden zunehmend relevant wird: 15% der Befragten würden ihr nächstes Auto gern online beim OEM, 10% über Händlerplattformen kaufen. Bei der Nutzung von Onlineangeboten spielen nicht nur die Konsumgewohnheiten von Digital Natives eine Rolle, sondern auch die Hoffnung all derer, die sich schnellere Lieferzeiten wünschen. Beiden Gruppen gemein ist, dass sie eine einfache Anwendung erwarten, die eine zügige Bestellung zulässt.

Mobilität als Service

Ein tiefgreifenderer Wandel im Konsum- und Investitionsverhalten zeichnet sich jedoch nicht nur bei dem Einkaufsverhalten, sondern auch bei den Eigentumsverhältnissen eines Fahrzeugs ab. Statt langfristig ausgelegter Erwerbsmodelle für Besitzer, schaffen Servicemodelle dem Nutzer Annehmlichkeiten, die besonders durch Flexibilität und Komfort geprägt sind. Diese Bereitstellungsstrategien (On-Demand, As-a-Service) haben sich bereits in der Telekommunikations-, IT- und Entertainmentbranche erfolgreich etabliert und halten seit einiger Zeit in der Automobilindustrie Einzug. So ist beispielsweise die Anzahl der Verbraucher ohne eigenes Fahrzeug gestiegen und die Nutzung von Leasing-Angeboten, Firmenwagen, Car-Sharing, Ridesharing, Fahrdiensten und Abo-Modellen gewinnt an Bedeutung. Diese Angebote der „Mobility-as-a-Service“ setzen sich immer stärker durch. Rund die Hälfte derer, die bereits Leasingmodelle nutzen, sind beispielsweise auch bereit Abo-Modelle in Anspruch zu nehmen. Je kürzer also die Haltedauer des Fahrzeugs für einen Kunden ist, desto höher ist auch die Bereitschaft weiterreichende Mobilitätsdienstleistungen auszuprobieren. Dadurch steigt für den Kunden auch die Häufigkeit, Kaufentscheidungen zu treffen.

Ein weiterer Trend, der zunehmend Konsum- und Kaufentscheidungen prägt, ist das Thema Nachhaltigkeit, auch – oder besonders – bei der Gestaltung der eigenen Mobilität. Die liebgewonnenen Annehmlichkeiten der Digitalisierung und ein sich wandelndes Anspruchsverhalten der Kunden einerseits und erste Vorstöße einzelner Marktteilnehmer andererseits verändern immer stärker die Automobilindustrie. Denn zukünftige Zielgruppen werden verstärkt nachhaltige, individuelle Mobilitätslösungen anstelle von Produkten kaufen. Um den Zugriff auf die Mobility Services flexibel und komfortabel zu gestalten, werden diese fast ausnahmslos auf digitalen Plattformen angeboten. Aber genau deshalb befinden sich viele Verbraucher in einen Zwiespalt. Einerseits möchten sie die Vorzüge von Onlinenageboten nutzen, andererseits bilden Vorbehalte der Kunden zur digitalen Sicherheit Eintrittsbarrieren in dieses Marktsegment. Dabei sind Kundendaten für den Mobilitätsdienstleister unverzichtbar, um sich am Kundenbedarf ausrichten zu können. Viele Kunden geben ihre Daten jedoch nicht ohne Weiteres preis. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzer ihre Informationen in sicheren Händen wissen und für ihre Datenpreisgabe einen erkennbaren Gegenwert erhalten. Auch hierzu hat der KPMG Global Automotive Executive Survey 2020 Erkenntnisse gewonnen: Es besteht eine zunehmende Bereitschaft zum Teilen persönlicher Nutzungsdaten, wenn dafür verbesserte Services und eine personalisierte „Consumer Experience“ geboten werden: 80% erwarten ein nahtloses, kanalübergreifendes Einkaufserlebnis.

Zielbild Mobilitätserlebnis

Dieser Wunsch der Kunden nach einem ganzheitlichen Nutzungserlebnis bietet für die OEMs Anlass und Chance, sich über die Produktion von Fahrzeugen hinaus zu einem Anbieter eines vollumfänglichen Mobilitätserlebnis zu entwickeln. Kaufentscheidung basieren zunehmend auf dem Angebot flexibler Mobilitäts- und Nutzungsmodelle sowie neuartiger Fahrerlebnisse. Die größte Herausforderung für die OEMs besteht in erster Linie in der Verbindung der einzelnen Kundenbedarfe, die im Zusammenhang mit der neuen Mobilitätswelt stehen. Es darf keine Einzelbetrachtung eines Service stattfinden. Wenn der Kunde sich in einem Mobilitätskonzept (Ökosystem) bewegt, müssen die einzelnen Touchpoints miteinander verbunden sein – das Kundenerlebnis darf nicht nach dem Bezug einer Dienstleistung enden. Bereits im traditionellen Kerngeschäft der Hersteller – dem Auto als Produkt – funktioniert dies aufgrund der Komplexität der Unternehmen und der Prozesse nicht immer reibungslos. Das Wissen über den Kunden entlang der Customer Journey vom Erstkontakt, der Probefahrt, der Bestellung über die Auslieferung, bestehender Konditionen bei Finanzierung, Serviceansprüchen bis hin zu Service- und Wartungsintervallen jederzeit sichtbar für die Gestaltung der Kundeninteraktion zu machen, ist eine Herausforderung für die OEMs.

Das Ergebnis: Kundenerlebnisse sind zum Teil unbefriedigend. Darüber hinaus fehlen zum Teil schlüssige Konzepte für ein gesamtheitliches Kundenerlebnis. Richtige Vorstöße gibt es wenige. Aber es werden unterschiedliche Konzepte ausprobiert – es wird getestet, was in welchem Markt, in welchem Segment und in welcher Form möglich ist. Zu den neuen Aufgaben der OEMs gehört mehr als eine Lösung, um von A nach B zu kommen. Es bedarf der Entwicklung digitaler Produkte und Services bis zur Gestaltung zunehmend digitaler Interaktionen und durchgängiger Einkaufserlebnisse über alle Kanäle hinweg. Da kommt einiges auf die Hersteller zu – sie müssen als As-a-Service-Anbieter agieren. Dazu kooperieren sie bereits mit unterschiedlichen Partnern, beispielsweise aus der Technologiebranche oder sind untereinander vernetzt. In Pilotprojekten tätigen die OEMs entlang der gesamten Wertschöpfungskette Investitionen – mit stark individualisierten Konzepten und Innovationspfaden. Gewiss ist nur, dass die Grundlage für ein abgestimmtes Ökosystem nur Partnerschaften und Kooperationen sein können.

Aber was genau sollten die OEMs heute angehen, um zukünftig noch wettbewerbsfähig zu sein? Was ist die neue Mobilität? Welches sind die neuen Services und Funktionen (X-on Demand)? Wir sehen in diesem Ökosystem der Mobilität und der neuen X-on Demand-Welt drei Ebenen für Entwicklungsmöglichkeiten. Die Erste ist zunächst „Car-as-a-Service“. Bei diesem etablierten Konzept werden Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum genutzt, um von von A nach B zu gelangen. Diese Dimension ist in erster Linie Hardware-basiert. In der nächsten Ebene, „Car-Functions-on-Demand“ können Funktionen wie Sitzheizung, Life-Style-Features oder die größere Reichweite des Akkus im Elektroauto temporär zugebucht werden. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Hard- und Software. Auf der dritten Ebene, den „In-Car-Applications“ geht es um Software wie Entertainment oder Office-Anwendungen. Diese können von Externen im Fahrzeug zur Verfügung gestellt wird. Aus OEM-Sicht geht es hierbei nur noch die Abstimmung der Hardware mit der Software. Herausfordernd in dieser Dimension wird sein, dass die Software unabhängig vom OEM entwickelt und vertrieben wird – und damit auch möglicherweise der direkte Kundenkontakt verloren geht.

Gemeinschaft und Exklusivität schafft Kundenbindung (Willkommen im Club)

Das entscheidende Asset der OEMs im Wettrennen um die Mobilität der Zukunft und damit auch um den Kunden der Zukunft ist ihr Wissen über die Kunden, das heute noch aus dem Auto generiert wird. Informationen zum Standort, zu Fahr- und Ankunftszeiten, Nutzung von Entertainment, Freisprecheinrichtungen oder Navigationssystemen – die Mobilitätsdaten und das Verständnis dafür liegen beim OEM.

Gelingt es den Herstellern, ein Ökosystem rund um die Mobilität zu schaffen, das den Kunden einen Mehrwert bietet und darüber hinaus Identifikation stiftet, stehen die Chancen gut, weiter eine bedeutende Rolle im neuen Marktumfeld zu bekleiden. Mit einer technologie- und Know-how-basierten Emotionalisierung – sei es durch Zugehörigkeit und dem Community-Gedanken, durch exklusives Wissen und individualisierte Information, durch Design, Kommunikationsform und Austauschmöglichkeiten oder durch ein Image, in dem der Kunde eine Umsetzung seiner Lebensgewohnheiten erkennt, kann Exklusivität entstehen. Es muss sich anfühlen wie ein Club für Mitglieder.

Diese und weitere spannende Insights erfahren Sie auch in unserer Webinar-Aufzeichnung zur Global Automotive Executive Survey 2020:
„Wie gut erfüllen Automobilhersteller die neuen, digitalen Kundenerwartungen?“

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Customer Centricity

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Design von kundenzentrierten und datengetriebenen Geschäftsmodellen, auf Basis von digitalen Produkten und Services

Unternehmen haben inzwischen die Bedeutung eines exzellenten Kundenerlebnisses erkannt, viele bleiben aber immer noch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Stattdessen kämpfen sie mit den Herausforderungen einer unruhigen Zeit: Digitalisierung, schwankende Konjunktur, sich ständig ändernde Kundenbedürfnisse sowie zunehmende Regularien, zum Beispiel durch Daten- und Umweltschutz. Einst etablierte Geschäftsmodelle erwirtschaften nicht mehr die gewohnten Erfolge. Neue Wettbewerber spülen in den Markt. Verbraucher von heute sind besser informiert, weitflächiger vernetzt und anspruchsvoller als je zuvor. Das Orchestrieren eines komplexen Kundenlebenszyklus, um ein exzellentes Kundenerlebnis zu schaffen, wird somit zu einer der größten erfolgskritischen Herausforderungen.

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