Transparenz und Effizienz: Token erobern die Versicherung

Assekuranzkonzepte über Blockchain stehen noch am Anfang, die Branche tastet sich heran.

Mit stetig steigenden Kursen für Token wie Bitcoin drängt sich eine Frage auf: Sind diese Konzepte nachhaltig oder handelt es sich doch nur um Spekulationsobjekte in Zeiten großer Unsicherheit, in denen Menschen nach alternativen Anlageformen suchen. Die Kursentwicklungen der letzten Jahre zeigen ein Auf und Ab. Die aktuellen Höchstwerte sind gewiss das Ergebnis von Spekulationen. Erst die Zeit wird zeigen, was sich wirklich durchsetzt. Es mehren sich allerdings die Anzeichen, dass Unternehmen – auch in der Versicherungsbranche – den Mehrwert von Tokenökonomie erkannt haben und die damit verbundenen Möglichkeiten auch in Projekten umgesetzt werden. Als Fortführung der bisherigen Artikel „Token bei deutschen Finanzdienstleistern: Raus aus der Nische“ und „Security Token revolutionieren den Wertpapierhandel“ wird nachfolgend der Einsatz im Geschäftsmodell der Versicherungen skizziert.

Dank Tokenökonomie bieten sich für alle Beteiligten an einer Transaktion zahlreiche Vorteile hinsichtlich Transparenz und Kosteneffizienz und sie kann den Zugang zu gänzlich neuen Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Diese Potenziale gibt es auch im Versicherungswesen. Das Spektrum für tokenisierte Vermögenswerte wird stetig breiter. Bereits heute gibt es zahlreiche damit verbundene Anwendungsfälle für Produkte und Dienstleistungen. In der Zeit von 2017 bis 2019 hat man wöchentlich von neuen Möglichkeiten und Prototypen gehört. Darunter ist ein interessanter Fall, der von einem deutschen InsurTech Start-up orchestriert wurde: In Sri Lanka haben Hunderte Reisfarmer seit 2019 eine Sorge weniger – den Einfluss des Wetters auf ihre Saat. Ob extreme Regenzeit mit Flutschaden oder Dürre als Folge ausbleibenden Niederschlags – wenn das Wetter eine Ernte verdirbt, erhalten sie eine Ausgleichszahlung.

Tokenökonomie im realen Einsatz

Das Besondere an dieser Versicherung ist die komplett automatisierte Abwicklung. Kein Versicherungsformular ist nötig, der Schaden muss nicht einmal individuell nachgewiesen werden. Die Informationen zu den Anbauflächen sind in sogenannten Token gespeichert. Im Voraus werden Schwellenwerte zu Niederschlagsmengen oder Temperaturen definiert. Übersteigen die aktuell gemessenen Bedingungen diese Grenzwerte oder wird eine kritische Anzahl von Tagen ohne Regen erreicht, fließt automatisch Geld.

So wird eine Bevölkerungsgruppe mit einer Versicherungslösung erreicht, für die diese Absicherung aus verschiedenen Gründen in der Vergangenheit oft unmöglich war. Die klaren und unkomplizierten Versicherungsbedingungen bei der beschriebenen Mikroversicherung sind ein Beispiel, in dem Token schon heute zum Einsatz kommen.

Voraussetzungen schaffen für digitale Lösungen

Start-ups und etablierte Anbieter sammeln Erfahrungen mit Tokenisierung. Diese fristet aber trotz vielversprechender Ansätze immer noch ein Nischendasein. Es scheitert dabei nicht unbedingt an der eigentlichen Tokenisierung von Vermögenswerten. Vielmehr liegen die Herausforderungen in (aufsichts-)rechtlichen Unsicherheiten, in der Komplexität bei der Integration in bestehende Prozesse und Technologien sowie in der fehlenden Akzeptanz in der Breite der betroffenen Interessensgruppen. Nachfolgend eine kurze Übersicht an potenziell interessanten Anwendungsfällen:

  • Transportversicherungen: Speditionen und Logistiker haben in den vergangenen Jahren eine umfassende Digitalisierung ihrer Prozesse eingeleitet. Inzwischen testen sie Token, um Beteiligte besser zu vernetzen und um die Transparenz und Sicherheit der Lieferkette zu verbessern. Diese Informationen sowie digitale Frachtdokumente könnten auch eine Grundlage für kundenzentrierte Versicherungslösungen darstellen.
  • Kfz-Versicherung: Token können von der Tarifgestaltung bis zur Abwicklung von Kleinschäden genutzt werden und so dabei helfen, die Kostenquote zu senken.
  • Subrogations-Ansprüche: Statt jeweils Einzelzahlungen auszulösen, können Forderungen auf Token gespeichert werden, um dann gesammelt, etwa monatlich oder im Vierteljahresrhythmus, ausgezahlt zu werden.
  • Vertragstransparenz bei parametrisierten Versicherungspolicen und deren Bedingungen: Dies kann sich auch als besonders nützlich bei betrugsanfälligen Geschäftsbeziehungen erweisen, da nachträgliche arglistige Anpassungen von Bedingungen ausgeschlossen werden.
  • Kapitalanlage der Versicherer: Innovationspotenzial insbesondere bei komplexen Transaktionen wie Konsortialfinanzierungen.

Mehr Sicherheit für Anleger bei Investments in Kryptowerte

Erheblich zunehmen dürfte in naher Zukunft die Nachfrage nach Versicherungen um die Kryptowerte selbst. Auch dafür gibt es erste Beispiele wie die Absicherung von Kapitalplatzierungen über Sicherheits-Token. Die Emittenten sichern sich damit gegen mögliche Beschwerden der Investoren und gegen Rechtsverfahren ab. Wenn der Emittent falsche Angaben gemacht und sie getäuscht hat, erhalten Anleger im Zweifel ihren finanziellen Einsatz zurück.

Zugangshindernisse für Start-ups minimieren

Die Beispiele zeigen, dass etablierte Anbieter genau wie Start-ups aktuell mit den Möglichkeiten der Tokenisierung experimentieren. Junge Unternehmen stoßen indes bei klassischen Versicherungslösungen angesichts der von der Aufsicht erhobenen Kapitalanforderungen in diesem Sektor oft an Grenzen. Gerade das Versicherungswesen ist in den meisten Ländern stark reguliert.

Ein Kernmerkmal, das ein Finanzinstrument zu einer Versicherung macht, ist in der Regel das rechtliche Versprechen, im Schadensfall eine Entschädigung zu bezahlen. Diese juristische Bindung ist die Ursache für eine Vielzahl an Vorschriften und der Grund für hohe Mindestkapitalanforderungen. Zunächst liegt diese Mindestkapitalanforderung bei 2,5 Millionen Euro. Damit ein Unternehmen aber all den anderen formalen Anforderungen gerecht werden kann, bedarf es in den meisten Fällen eines zweistelligen Millionenbetrages – eine hohe Eintrittsbarriere für neue Marktteilnehmer.

Mit dem passenden Ansatz lassen sich die genannten Hürden jedoch verringern. Einzelne Start-ups testen die Option, die Auszahlung im Schadensfall nicht zu garantieren – wodurch ein herkömmlicher Versicherungsvertrag entstünde –, sondern in Form eines Dienstleistungsversprechens zu regeln. Den Verbrauchern muss das einschließlich entsprechender Effekte klar gemacht werden. Statt einer gesetzlich garantierten Auszahlung erhalten sie eine Dienstleistung, für die sie statt der Versicherungsprämie eine Gebühr entrichten. Die Anwendung könnte bei vorab bekannten Schadenshöhen funktionieren. Die grundsätzliche Idee der Absicherung wird dadurch nicht angetastet, den Anbietern ermöglicht der Aufbau aber schnellere, günstigere Produkte und mehr Spielraum für Experimente.

Wer früh dabei ist, kann Einfluss nehmen

Die frühzeitige Beschäftigung mit den genannten Möglichkeiten bringt die gesamte Versicherungsbranche voran. Unternehmen setzen sich mit den Einsatzoptionen und aktuellen Grenzen von Token auseinander, bauen Know-how auf und experimentieren mit der Einbindung in interne und gesellschaftliche Systeme. Den noch jungen Markt können sie damit aktiv mitgestalten, hinsichtlich der Prozesse, der Technologie und nicht zuletzt der künftigen Regulierung.

 

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