Mehr notleidende Kredite bei Gewerbeimmobilien

Deutsche Banken stehen unter Druck, Lösungen für Problemkredite zu finden.

Keyfacts:

  • Die Zahl notleidender Kredite (Non-Performing Loans) steigt, was voraussichtlich die Kosten der Risikovorsorge in die Höhe treiben und zu möglichen Kreditausfällen führen wird.
  • Banken sind angehalten, bisher vernachlässigte Anforderungen im NPL-Management anzuwenden.
  • Wesentlicher Bestandteil des NPL-Managements bei einer hohen Zahl an notleidenden Krediten sind eine NPL-Strategie und deren Implementierung auf operativer Ebene.

Seit dem sprunghaften Anstieg der Inflation und des Zinsniveaus leidet der Gewerbeimmobilienmarkt unter anderem unter höheren Finanzierungs- und Bewirtschaftungskosten, sinkender Nachfrage von Investoren sowie damit verbunden auch rückläufigen Immobilienpreisen. Bislang zeichnet sich noch keine Erholung ab. Nach der zuvor jahrelangen Niedrigzinsphase offenbart sich so manche Finanzierung nun als deutlich risikobehaftet. Banken reagieren bereits auf diese Entwicklung und teilen in ihren jüngsten Pressemitteilungen eine merkliche Erhöhung der Risikovorsorge mit.

Im Portfoliosegment Commercial Real Estate (CRE) haben die deutschen Institute laut dem aktuellen Risk Dashboard der European Banking Authority (EBA) zuletzt mit 4,8 Prozent im 4. Quartal 2023 eine höhere Quote notleidender Kredite (Non-Performing Loans, NPL) verzeichnet. Gleichzeitig war die ehemals moderate Deckungsquote CRE notleidender Kredite niedrig im Vergleich zum Vorjahr (23,6 Prozent). Auch in Europa insgesamt ist die Absicherung für Gewerbeimmobilienkredite mit 33,5-Prozent-Deckungsquote CRE niedriger als im Vorjahr. Kurz gesagt: Für das Segment CRE deutet sich eine weitere Verschlechterung der Kreditqualität an, Kosten der Risikovorsorge, werden weiter steigen und es wird zu möglichen Ausfällen kommen.

Im Euroraum (inklusive EWR) hingegen erhöhte sich die NPL-Quote insgesamt leicht auf einen Wert von 1,9 Prozent im vierten Quartal 2023. Die Quote der Kredite mit signifikant erhöhtem Ausfallrisiko (Stufe 2) stieg hingegen von 9,2 Prozent im dritten Quartal auf 9,6 Prozent an.

Die NPL-Strategie als Relikt der Vergangenheit?

Bereits 2018 wurden wesentliche Leitfäden der EBA und der EZB zu notleidenden und gestundeten Krediten veröffentlicht, um Praktiken im Kreditrisikomanagement zu harmonisieren und eine ausufernde Belastung der Institute durch hohe NPL-Bestände zu verhindern. Spätestens mit der 6. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) wurden diese regulatorischen Anforderungen auf nationaler Ebene verankert und somit auch für Less Significant Institutions (LSIs) relevant.

Obwohl die regulatorischen Anforderungen seit mehr als fünf Jahren bestehen, erkennen wir, dass diese wesentlichen, aber aufgrund des bisher vorteilhaften Marktumfelds noch als optional eingestuften Strategien und Prozesse von den Instituten häufig noch nicht ausreichend ausgestaltet wurden. Vielmehr wurden Personal und Prozesse aufgrund selten auftretender NPL-Fälle abgebaut.

Der Druck auf die Banken steigt: Mit dem aktuellen Anstieg der NPL-Quoten werden die Anforderungen für betroffene Banken mit hohen NPL-Beständen nun verpflichtend – sogar für Teilportfolios kann eine NPL-Strategie verpflichtend werden.

Was erwartet die Aufsicht?

Den Verweis auf die Implementierung einer NPL-Strategie und der hierfür notwendigen Governance bei hohen NPL-Beständen (5 Prozent auf Institutsebene) ist für Banken nicht leichtfertig hinzunehmen. Banken müssen für steigende Bestände an Problemkrediten bereits frühzeitig Lösungen finden und entsprechende Strategien entwickeln.

Wir empfehlen daher, ab einem Wert von 3-Prozent NPL-Quote mit der tiefergehenden Analyse und Überwachung auf Portfolio-/Teilportfoliosicht und den hierfür notwendigen Implementierungskonzepten für eine gegebenenfalls notwendige NPL-Strategie zu beginnen.

Die Kreditvergabe an einzelne Branchen oder Regionen kann dazu führen, dass sich das Risiko in den Bankbüchern konzentriert. Gerade mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung sollten Banken prüfen, ob aufgrund von Risikokonzentrationen, erhöhten NPL-Inflows, einer höheren Anzahl an Forbearance-Maßnahmen oder einer verschlechterten Kreditqualität eine Anwendung der NPL-Strategie von der Aufsicht auch bereits für Teilportfolios eingefordert werden kann. Je nach Portfoliosegmentierung ergeben sich hier bereits signifikante NPL-Bestände.

Was sind die nächsten Schritte?

Banken sollten sich Gedanken machen, welche Schritte zur Implementierung einer NPL-Strategie erforderlich sind und welche Optionen aktuell am Markt bestehen. Wir empfehlen die folgenden Schritte für die Entwicklung einer NPL-Strategie:

  • Quoten ermitteln und Teilportfolios bestimmen: In einer ersten Portfolioanalyse werden die bestehenden NPL-Quoten ermittelt und die regulatorisch betroffenen Teilportfolios bestimmt, die in eine verpflichtende Anwendung fallen oder für die eine Strategieentwicklung empfohlen wird.
  • Interne und externe Treiber ermitteln: NPL-Inflows beispielsweise bedingt durch Branchen oder Regionen werden ermittelt.
  • NPL-Management analysieren und optimieren: Erste Erkenntnisse aus der Analyse des NPL-Managements werden für die Optimierung von unter anderem Prozessen zu Risikofrüh- und Ausfallerkennung bis zu den Handlungsoptionen in der Problemkreditbearbeitung genutzt.
  • Governance stärken: Aufgrund von geringen Bearbeitungskapazitäten durch Personalengpässe, unzureichend ausdefinierten Prozessen und Anweisungen müssen diese den identifizierten Anforderungen entsprechend ausgebaut werden, um die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben und der NPL-Strategie zu operationalisieren.
  • Passende Strategie wählen: Unter Berücksichtigung der Ausgangslage wird die auf das Geschäftsmodell zugeschnittene, individuell passende Strategie erarbeitet. Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem die Abwägung der Handlungsoptionen je Asset, beispielweise Forbearance, rechtliche Optionen, Kreditverkäufe oder Rettungserwerbe sowie die Festlegung realistischer Abbauambitionen für die betroffenen (Teil-)Portfolios. Ziel ist die nahtlose Integration in die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation.

Lesen Sie in Teil 1 aus der Serie „Perspektive Kreditprozess“, wie sich die makroökonomischen Einflussfaktoren auf Banken und die Kreditvergabe auswirken und wie der Kreditprozess der Zukunft aussehen könnte.

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Gut aufgestellt für kommende Herausforderungen: Das Risikomanagement für Banken und Versicherungen weitergedacht.

Chief Risk Officer (CRO) in Banken, Versicherungen, Asset Managern und Immobilienunternehmen stehen unter Druck. Auf der einen Seite nehmen die regulatorischen Anforderungen und die Erwartungen interner Stakeholder an das Risikomanagement seit Jahren stetig zu. Es gilt, immer mehr Risiken und Risikotreiber zu erkennen, zu bewerten und zu steuern. Immer häufiger sind Stresstests und Analysen durchzuführen, und immer umfassender soll die Risikoorganisation über die entwickelten Aktivitäten berichten.

Auf der anderen Seite kann sich auch das Risikomanagement dem Effizienzdruck in der Finanzindustrie nicht entziehen. Es muss seine finanziellen und personellen Ressourcen kontinuierlich hinterfragen und Beiträge zu den unternehmensweiten Kostenzielen leisten. Auch eine klar erkennbare Ausweitung der regulatorischen Anforderungen reicht nicht aus, um hohe Kosten oder gar eine Aufstockung des Personals zu rechtfertigen – ein schwieriges Spannungsfeld.

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