Keyfacts
- Online-Kanäle gewinnen an Bedeutung, das breite Spektrum an Vertriebskanälen wird aber bleiben.
- Digitalisierungserfolge werden oft nicht registriert, weil aussagekräftige KPIs fehlen.
- Nur acht Prozent der Verantwortlichen sehen ihr Geschäft durch digitale Geschäftsmodelle von Wettbewerbern bedroht – eine trügerische Sicherheit.
Dank digitaler Instrumente können Unternehmen Prozesse optimieren sowie neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle entwickeln. Wie weit Unternehmen ihre Bereiche Marketing und Vertrieb schon digitalisiert haben, hat Markus Deutsch, Director, Consulting, Value Chain Transformation bei KPMG in Deutschland, gemeinsam mit Prof. Dr. Rainer Elste von der Hochschule Esslingen untersucht. Dabei vergleichen sie die Fortschritte der Digitalisierung in Corporates und familiengeführten Unternehmen.
Über die Ergebnisse und deren Analyse haben wir mit Markus Deutsch gesprochen.
Herr Deutsch, in Ihrer Studie zur Digitalisierung in Marketing und Vertrieb erreichen deutsche Unternehmen auf der Skala zwischen 0 („nicht digitalisiert“) und 1 („vollständig digitalisiert“) einen Digitalisierungsindex-Wert von 0,49. Ist eine Volldigitalisierung – also 1,0 – das Ziel?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es hängt vom Unternehmen und seinen Kunden ab. Wer zum Beispiel Handwerker als Kunden hat, wird auch künftig gedruckte Kataloge versenden und die Möglichkeit bieten, per Fax zu bestellen. Wer aber etwa die Automobilindustrie beliefert, braucht das nicht, weil dort die Prozesse volldigitalisiert sind.
Bei Familienunternehmen liegt der Digitalisierungsindex in Marketing und Vertrieb niedriger als bei Corporates. Erwartet man von Familienunternehmen eine persönlichere Bindung zur Kundschaft, was eher für die herkömmlichen analogen Methoden spricht?
In der Tat gab bei den Familienunternehmen ein hoher Prozentsatz an, dass der Vertriebsmitarbeiter weiter der wichtigste Kanal bleiben werde. Das mag sein, aber seine Rolle wird sich stark ändern – wenn etwa standardmäßig der Bedarf an Standardmaterialien automatisiert bestellt wird und Kunden nur noch zwei Mal im Jahr ein längeres Gespräch führen. Es gibt dann beides: analoge Vertriebsmitarbeiter und digitale Vertriebskanäle.
Also wird es auch Medienbrüche weiterhin geben?
Ja, aber das ist nicht überraschend, denn Kunden befinden sich in unterschiedlichen Kaufsituationen. Der Online-Kanal wird präferiert werden, aber es kann durchaus sein, dass ein Kunde z. B. für eine Preisverhandlung noch jemanden persönlich sprechen möchte. Dieses Spektrum wird bleiben, und es geht eher darum, die Kanäle optimal zu verknüpfen. Kaum ein Unternehmen wird es schaffen, die Zahl der Kanäle zu reduzieren.
„Familienunternehmen steuern ihre Aktivitäten besser in ihrer Gesamtheit“
Der Digitalisierungsgrad bei Familienunternehmen ist zwar niedriger – sie führen Digitalisierungsprojekte aber konsequenter durch als Corporates. Woran liegt das?
In Familienunternehmen werden solche Projekte oftmals nachhaltiger entschieden und dann auch durchgezogen. Sie steuern ihre Aktivitäten besser in ihrer Gesamtheit und können dadurch eine höhere Effektivität erzielen. Bei Corporates ist dagegen häufiger zu sehen, dass Entscheidungen in bestimmten Zirkeln wieder hinterfragt werden und Fachbereiche mit Partikularinteressen in bestehende Projekte hineinregieren.
Beides hat Vor- und Nachteile: Es ist sinnvoll, dass Dinge nicht permanent hinterfragt werden und nicht stets mit neuem Budget versehen werden müssen. Allerdings kann es passieren, dass ein Projekt, das in die falsche Richtung geht, womöglich nicht rechtzeitig abgebrochen oder korrigiert wird.