Regulatorische Herausforderungen für digitale Produkte und Services
Regulatorik für digitale Produkte
Regulatorik verstehen und in digitale Innovationen überführen
Unternehmen sehen sich immer häufiger mit der Herausforderung konfrontiert, Technologien und Produkte nicht konsistent global anbieten zu können. Darunter leiden nicht nur Kund:innen, da sie Leistungen nicht erhalten, sondern auch Unternehmen, da sie Produkte und Unique Selling Points (USP) nicht konsistent anbieten können. Durch den technologischen Fortschritt als auch gesellschaftliche Veränderungen kommen auf Unternehmen verstärkt weitere regulatorische Anforderungen hinsichtlich der Interaktion mit Kund:innen durch digitale Produkte und Services hinzu. Diese haben klare Implikationen auf Gestaltung der digitalen Produkte und Services, den dahinterliegenden Prozessen, der Organisationsentwicklung als auch den Berichts- und Dokumentationspflichten, die jetzt strategisch ausgeplant und durch Implementierung zeitnah realisiert werden müssen. Dabei sind die Unterschiede hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen global teils konträr ausgeprägt und fordern international agierende Unternehmen heraus1. Es besteht hierbei ein klarer Zusammenhang zwischen zusätzlichen Kosten, Umsatzausfällen, Produktstart-Verzögerungen oder einem inkonsistenten Produktangebot durch zu spätes oder Ad-hoc-Reagieren auf regulatorische Anforderungen bei der nationalen und internationalen Angebotsgestaltung digitaler Produkte und Services2.
Digitale Produkte und Services – Regulatorische Themenfelder und Rahmenwerke
Weltweit kann Regulatorik für produzierende als auch digital agierende Unternehmen zunehmend über Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmung entscheiden. Für digitale Produkte und Services sind dabei die folgenden regulatorischen Themenfelder von besonderer Relevanz:
Datenschutz und Privatsphäre
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- Erweiterte DSGVO-Vorschriften: Es wird erwartet, dass die DSGVO weiterentwickelt wird, um neue Technologien wie KI und IoT besser zu regulieren. Dies könnte strengere Anforderungen an die Transparenz und Kontrolle über persönliche Daten umfassen.
- Globale Datenschutzstandards: Länder außerhalb der EU könnten ähnliche Datenschutzgesetze einführen, die mit der DSGVO vergleichbar sind, um den internationalen Datenaustausch zu erleichtern. Darüber hinaus können global Standards auftreten, welche den Datenschutz nochmal wesentlich restriktiver auslegen.
Künstliche Intelligenz (KI)
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- EU AI Act: Die Europäische Union arbeitet an einem Gesetz zur Regulierung von KI, das voraussichtlich Anforderungen an Transparenz, Sicherheit und ethische Nutzung von KI-Systemen festlegen wird.
- Ethik und Verantwortung: Es wird erwartet, dass Unternehmen stärker in die Verantwortung genommen werden, um sicherzustellen, dass KI-Systeme fair und ohne Diskriminierung angewendet werden.
Digitale Märkte und Plattformen
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- Digital Markets Act (DMA): Die EU plant, große Online-Plattformen stärker zu regulieren, um fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz zu gewährleisten.
- Digital Services Act (DSA): Diese Gesetzgebung zielt darauf ab, die Verantwortlichkeiten von Plattformen in Bezug auf Moderation und den Umgang mit Inhalten zu regeln. Darüber hinaus soll sie Nutzer digitaler Dienste besser schützen und Anforderungen an die Transparenz von Algorithmen sowie die Nutzung von Daten stellen.
Auswirkungen von Regulatorik auf digitale Produkte und Services, Technologien und Organisationen
Übergreifend steuert und kontrolliert Regulatorik Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft, um den Schutz der Verbraucher:innen oder die Förderung des fairen Wettbewerbs sicherzustellen. Im Zusammenhang der digitalen Produkte und Services wirkt sich Regulatorik insbesondere auf die Gestaltung der Produkte und Services, die Technologien als auch die Organisation aus. Die zusammenfassende Grafik dient dazu, aus 40 bis 60 Märkten (Ländern) diejenigen zu identifizieren, die den zentralen Vertrieb (aus Deutschland heraus) begünstigen (Annahme: bei 40-60 Ländern kann es Länder geben, deren Datenschutz oder Verbraucherschutz besonders hohe Anforderungen an Funktionen, Prozesse und Organisation des Anbieters stellen). Die Grafik und der Entscheidungsbaum sollen dem Fachbereich helfen, den Umfang für rechtliche Prüfungen und die Umsetzungen von technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs) einzuschätzen und Rollout-Maßnahmen zu priorisieren.
- Produkte -> Das Produktportfolio muss an der national als auch international bestehenden Regulatorik ausgerichtet sein. Dadurch entstehen Produkte, die potenziell an nationale Vorschriften angepasst werden müssen. Somit können nicht alle Features und Produktfunktionalitäten global einheitlich angeboten und vermarktet werden. Allerdings kann Regulatorik auch dazu führen, dass Unternehmen durch die Erhebung und den Umgang von und mit Daten neue Geschäftsmodelle entwickeln können und verstärkt Innovationen hervorbringen.
- Services -> Die Nichterfüllung bestimmter Dienstleistungsstandards, wie beispielsweise spezifische Service Level Agreements (SLA), welche zur Aufrechterhaltung der Services vorausgesetzt werden, kann dazu führen, dass der Zugang zu bestimmten Märkten erschwert wird oder ausbleibt. So müssen Unternehmen frühzeitig feststellen, in welcher Form (Gründung von Ländergesellschaften) und ob in Persona durch physische Präsenz der Markt bedient werden muss.
- Software- und Telekommunikationstechnik -> Die Anwendung von Software auch in physischen Produkten kann regulatorisch herausfordernd sein. Neben national außerordentlichen Cybersecurity- oder Datenspeicherungs- und Archivierungsanforderungen können beispielsweise lokale Telekommunikationslizenzen notwendig sein, um die Dienste sicherzustellen. Unternehmen müssen sich im Rahmenwerk der bestehenden Gesetzgebung bewegen. Dabei kann Technologieoffenheit zur Bedienung unterschiedlicher Regulatorik Unternehmen Flexibilität bringen und Risiken senken. Zeitgleich muss sichergestellt sein, dass die technologischen Inhalte vermarktungsfähig bleiben und Kundennutzen erzielen.
- Organisationsanpassungen -> Die regulatorischen Anforderungen müssen in den entsprechenden Fachabteilungen wie der Entwicklung, Produktion, dem Marketing und Vertrieb, der IT und Datenschutz als auch dem Aftersales Compliance gleichermaßen Berücksichtigung finden, um eine Umsetzung zu ermöglichen. Um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, müssen vollumfängliche Rollen- und Rechtekonzepte bestehen.
Entscheidungsbaum zur Kategorisierung von Märkten beim zentralen Vertrieb digitaler Produkte – Disclaimer „Die enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und nicht auf die spezielle Situation einer Einzelperson oder einer juristischen Person ausgerichtet.“
Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung von Regulatorik
- Produktspezifische Rollout-Szenarien erstellen: Durch die global unterschiedlichsten und teils gegenläufigen regulatorischen Anforderungen müssen Unternehmen bei Produkt-Start Rollout-Szenarien schaffen, die dies spiegeln.
- Modulare Produktgestaltung: Digitale Produkte sollten so gestaltet werden, dass USPs der Produkte durch die Deaktivierung einzelner Features, nicht ihren USP verlieren und somit weiterhin global genutzt werden können. Sofern grundsätzlich konträre regulatorische Anforderungen bestehen, muss frühzeitig national oder kontinental ein alternatives Produkt geschaffen werden.
- Einbeziehung / Stärkung der Ländergesellschaften: Die Anforderungen an Produkte sollten nicht nur durch die Zentrale eingebracht werden. Bereits zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt sollten regulatorisch herausfordernde Märkte in das Anforderungsmanagement einbezogen werden.
- Entwicklung neuer Geschäftsmodelle entlang der Regulatorik: Wettbewerbsvorteile und neue Geschäftsmodelle können geschaffen werden, indem Produkte aktiv entlang der regulatorischen Leitplanken entwickelt werden. Dies schafft Vertrauen gegenüber Kund:innen und Behörden und fördert Innovationen. So kann beispielsweise die Verpflichtung zur Erhebung von Daten oder die Speicherung von Daten zur Beauskunftung Datenlizensierungen gegenüber Dritten ermöglichen.
Co-Autor: Tonio Salzwedel