Customer Experience gibt neue Impulse für die Reisebranche

Wie sich Unternehmen durch Customer Experience in der Reisebranche differenzieren können

Die gesamte Reisebranche ist von einer nie da gewesenen Herausforderung durch Covid-19 gekennzeichnet. Keiner weiß heute, wie das Reisen und die Customer Travel Experience der Zukunft langfristig aussehen werden. Doch nicht nur das Reiseerlebnis, sondern auch Erwartungen an Urlaub, Erholung und Reisen im Allgemeinen haben sich seit der Pandemie stark gewandelt.

Dieser Wandel wirft elementare Fragen für die gesamte Branche auf:

  • Wie sieht das Reisen in der Zukunft aus?
  • Welche Leistungen und Geschäftsmodelle werden erforderlich sein, um Erwartungen und Bedürfnisse von Reisenden in Zukunft zu erfüllen?
  • Welche Möglichkeiten haben Unternehmen der Reisebranche, um das Kundenerlebnis in Bezug auf die pandemiebedingten, geänderten Erwartungen zu gestalten?
  • Mit welchen Innovationen und neuen Angeboten können sich Unternehmen auch in Zukunft am Markt differenzieren?

Die Antworten auf diese Fragen werden je nach Zielgruppe, Unternehmen, Land und Region mit unterschiedlicher Ausprägung, Geschwindigkeit und in Abhängigkeit von Kundenerwartungen anders aussehen. Fest steht aber, dass sich Unternehmen mit diesen Themen auseinandersetzen müssen, um Lösungsansätze zu definieren, mit denen sie sich auch in Zukunft positiv am Markt differenzieren und die Erwartungen ihrer Kunden, Partner und Stakeholder erfüllen und möglicherweise sogar übertreffen können.

Unternehmen der Reisebranche stehen in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit ihrer Kernleistungen und ihres Geschäftsmodells im Wesentlichen vor drei Handlungsalternativen:

Agilität und Flexibilität

Welche neuen Anforderungen ergeben sich durch die Erfahrungen aus der Coronapandemie an das eigene Geschäftsmodell? Wie kann das Operating Model nachhaltig agiler gestaltet werden, um beim nächsten Einbruch der Märkte flexibler und schneller Kosten reduzieren zu können?

Innovative Ansätze finden sich beispielsweise in der Hotelbranche, in der junge Start-ups Betriebskosten dadurch reduzieren, dass einzelne Zimmer und Wohnungen in Bestandsimmobilien gemietet und kreativ ausgestattet werden und im Vergleich zu konventionellen Hotels komplett auf eine Rezeption und Frühstücksoption verzichtet wird. Der gesamte Prozess von Check-in bis Check-out inkl. Zugang zum Zimmer findet hierbei vollständig digital statt.

Kooperationen

Sind klassische Fusionen heute und in Zukunft noch das Mittel der Wahl, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern? Oder eröffnen sich durch Kooperationen, temporär oder in Teilbereichen des Geschäfts, nicht neue Chancen, die einerseits zur Konsolidierung des Marktes führen, andererseits aber auch Bestandteil völlig neuer Ökosysteme werden können?

Um die Verfügbarkeit und Kapazität rund um Camping in Amerikas Nationalparks und Wäldern in Echtzeit anzeigen zu können, hat ein amerikanisches Start-up eine Partnerschaft mit Unternehmensberatungen und Reiseanbietern geschlossen.

Im stark wachsenden Markt der temporären Vermietung von Privat- und Ferienwohnungen schließen Anbieter Kooperationen mit Wohnungsvermittlern und Online-Plattformen mit dem Ziel, den Prozess der gesamten Wäscheabwicklung, von Vermietung, An- und Ablieferung bis zum Waschen selbst, während des Aufenthalts von Gästen zu übernehmen. Die Vorteile bestehen in konsistent hoher Servicequalität, Zeitersparnis des Waschprozesses und Reduzierung der Umweltbelastung durch Skaleneffekte der Waschprozesse. Im Gegenzug für diesen Service verlangen die Anbieter einen Provisionsanteil der Mieteinnahmen von Vermittlern oder Wohnungseigentümern.

Differenzierung

Wie können sich Unternehmen durch gelebte Nähe zum Kunden am Markt differenzieren? An welchen Touchpoints sollten wertstiftende Interaktionen mit Kunden gestaltet werden, um Trends einerseits frühzeitiger zu erkennen und andererseits diese auch selbst zu prägen?

Ein mögliches Szenario für Reiseagenturen wäre beispielsweise, jedem Kunden einen dedizierten Customer-Service-Mitarbeiter zuzuordnen, der sie ab Erstkontakt mit dem Unternehmen über die gesamte Dauer der Reise hinweg bis zum Feedbackprozess 24/7 online, mobil, per Telefon oder sogar, in ausgewählten Fällen, persönlich betreut. Somit könnten Erwartungen oder Fragen des Reisenden direkt adressiert werden. Durch diese End-to-End-Betreuung des gleichen Mitarbeiters lernt das Unternehmen seine Kunden noch besser kennen, kann zeitnah und zielgerichtet priorisieren und Rückschlüsse für künftige Zielgruppen zur Steigerung der Zufriedenheit oder Möglichkeiten zum Upselling nutzen.

Die zu erwartende Neuausrichtung der Reisebranche wird sowohl kleinere neue Firmen als auch große etablierte Schwergewichte dazu bewegen, das eigene Werteversprechen, Leistungsangebot und die Customer Experience zu überdenken und an das geänderte Konsum- und Reiseverhalten von Kunden anzupassen. Und genau darin besteht die Chance für diejenigen Marktteilnehmer, die den Kern ihrer Marke und ihrer Kompetenzen zielgerichtet und schnell auf aktuelle Kundenerwartungen ausrichten und somit künftige Erwartungen und Bedürfnisse besser antizipieren und in entsprechende Leistungen umsetzten können. Beziehungen, Expertise, Vertrauen und vor allem Sicherheit werden hierbei eine tragende Rolle spielen, um neue, innovative Leistungen zu entwickeln, die auch dem technologischen Fortschritt und dem vermehrten Bedürfnis nach Transparenz und permanenter Kommunikation gerecht werden.

So können in etwa Hotels freie Kapazitäten in Garagen oder auf Stellflächen Energiedienstleistern zur Verfügung stellen, um Kunden (oder Dritten) das Laden ihrer E-Autos, E-Bikes oder E-Scooters zu ermöglichen. Die Kundschaft könnte hierbei auch dadurch profitierten, dass die Kosten für den Ladevorgang durch Angebote des Energiedienstleisters subventioniert werden. Zum Beispiel indem der Endkunde sich entschließt in Zukunft einen Vertrag für die Stromversorgung seines Privathaushaltes abzuschließen oder nicht nur den für den Ladevorgang benötigten Strom kauft, sondern direkt zehn weitere Ladevorgänge im Voraus erwirbt. Somit könnte er sowohl Geld als auch Zeit je Ladevorgang sparen, der Energiedienstleister könnte hierdurch Neukunden gewinnen und seine Kundenbindung erhöhen. Er könnte jeden weiteren Ladevorgang für zusätzliche Angebote nutzen und das Hotel hätte eine zusätzliche Einnahmequelle durch Provisionszahlungen des Energiedienstleisters.

Durch die Kenntnis der Customer-Experience-Treiber die Kundenzufriedenheit verbessern

Authentische Werte, die konsequent über alle Touchpoints der Customer Journey gelebt werden, können Kunden und insbesondere Reisenden besonders aktuell Vertrauen, Sicherheit und somit Zufriedenheit geben. Es ist daher unerlässlich, die wesentlichen Treiber für die Zufriedenheit der eigenen Kundschaft zu identifizieren, deren Relevanz zu bestimmen sowie Anpassungen für das Produkt- und Leistungsportfolios gezielt umzusetzen. In der Studie „Customer Experience Excellence 2020“ von KPMG zeigt sich diese Erkenntnis dadurch, dass im vergangenen Jahr besonders die folgenden drei Treiber der Customer Experience an Bedeutung gewonnen haben: Personalisierung, Integrität und Empathie. Wer diese kontinuierlich validiert und das Leistungsportfolio entsprechend ausrichtet, kann die Kundenzufriedenheit entscheidend verbessern: Indem in Hotels beispielsweise Kunden mit eingeschränkter Mobilität Zimmer in der Nähe zu Ein-/Ausgang und Fahrstuhl bereits während des Buchungsvorgangs angeboten werden oder bei kurzfristiger Stornierung vor Reiseantritt die Möglichkeit besteht, die Wahl des Transportmittels (Flugzeug, Bahn etc.) noch zu ändern oder ergänzende zeitsparende Alternativen (E-Scooter in Städten) angeboten werden ohne zusätzliche Kosten in Kauf nehmen zu müssen oder bestenfalls einen Teil der Kosten erstattet oder gutgeschrieben zu bekommen. Darüber hinaus könnten während dieser Phase der Customer Travel Journey ebenfalls Informationen zu positivem oder negativem Einfluss gewählter Transportmittel auf den CO2-Fußabdruck gegeben werden, sodass Reisende den Effekt ihrer eigenen Reisepräferenzen auf die Umwelt in ihre Entscheidungen mit einbeziehen können.

Veränderte Gründe für Reisen verlangen nach neuen Angeboten und schaffen Bedarf an neuen Produkten

Ausgewählte Trends und Buchungszahlen geben bereits jetzt Hinweise darauf, in welchen Bereichen Angebote angepasst werden sollten: Mehr als die Hälfte aller Reisenden gibt als Hauptgrund für ihren Reisewunsch ein Wiedersehen mit Familie oder Freunden an. Während vor der Pandemie Kurztrips an der Tagesordnung waren, zeichnet sich ab, dass Reisende vermehrt längere Urlaube (>14 Tage) sowie ein qualitativ hochwertiges Reiseerlebnis anstreben. Über zwei Drittel planen nach wie vor Aufenthalte in internationalen Hotels, favorisieren aber kleinere und persönlichere Einrichtungen anstelle von internationalen, stadtnahen Hotelketten.

Für Geschäftsreisende und deren Arbeitgeber stehen zunehmend nicht nur Vertrauen und Sicherheit, sondern auch Risikomanagement und Fürsorgepflicht gefolgt von kostenlosen, kurzfristigen Änderungen, Stornierungen und Buchungen der Reise ganz oben auf der Agenda der Erwartungen an Reiseagenturen. Dadurch ergeben sich für Reiseagenturen neue Geschäftsfelder, wie z. B. die Entwicklung des optimalen Reiseplans oder Informationspakete gültiger Sicherheitsbestimmungen für die gesamte Reise – international verfügbar und tagesaktuell.

Weiterhin setzt sich der Trend zur Spezialisierung des Reiseangebots zugeschnitten auf Nischenmärkte wie etwa Abenteuerreisen, Ökoreisen, Halalreisen und Singlereisen fort, der bereits vor der Pandemie begonnen hatte. Eine neue Ausprägung dieses Trends sind jedoch hyperspezifische Angebote, die sich durch die Kreuzung und Überschneidung verschiedener Nischenangebote auszeichnen, wie z.um Beispiel Abenteuerreisen in Nepal oder Ökoreisen in Schweden. Auch wenn diese Form des Angebots in der Vergangenheit aufgrund eingeschränkter Nachfrage wenig attraktiv für Reiseanbieter war, haben stetig fallende Preise für Reisen und die zunehmende globale Vernetzung dazu beigetragen, dass dieses Segment in Zukunft durchaus relevant für einige Reiseanbieter und damit für das gesamte Reiseökosystem sein könnte.

Die Konzentration auf Nischenmärkte könnte somit eine tragfähige Alternative für einige Anbieter darstellen, um sich zu differenzieren: beispielsweise eine Reise mit Fokus auf Begegnungen mit Aktivist*innen und Expert*innen der Zivilgesellschaft, die dazu beitragen, ihr Land und ihre Gesellschaft zu verändern. So erhalten Reisende intensivere Einblicke ins Urlaubsland und die Dynamik seiner Gesellschaft (Taz-Reisen in Zivilgesellschaft). Oder aber der Anbieter „Langsamreisen“, der sich zum Ziel gesetzt hat, eine kreative Alternative zur herkömmlichen Flug- und Erlebnisreise anzubieten. Per Fracht-, Fluss-, Segel- oder Expeditionsschiff sowie im Rahmen einer Schienenreise sollen CO₂-arme Reiseformen neu entdeckt werden (Langsamreisen).

Auch wenn die Reisebranche sich durch die Pandemie wandeln wird, werden einige Reiseformen weiterhin aktuell sein und andere werden neu hinzukommen. Junge, innovative Firmen werden durch neue Ideen Trends prägen und einige traditionelle Reiseunternehmen werden an die gute Geschäftsbeziehung mit ihren Stammkunden von vor der Pandemie anknüpfen. Schlussendlich hat diese Zäsur aber eines schon jetzt ganz deutlich bewiesen: Das Bedürfnis von Menschen nach Mobilität und Reisen, nach Austausch mit anderen Kulturen, nach Abwechslung und nach einzigartiger, individueller Erfahrung, die den ganz besonderen Perspektivwechsel auf die Umwelt im Alltag bietet, wird weiterhin bestehen bleiben und in Zukunft wahrscheinlich noch stärker ausgeprägt sein. Welche Trends und Angebotsformen sich dabei am Markt behaupten werden, wird die Zeit zeigen. Aber nur die Unternehmen werden am Markt reüssieren, die Kunden und deren Bedürfnisse besser verstehen, ihre Leistungen schneller und personalisierter darauf ausrichten und durch zielgerichtete, kontinuierliche Interaktion mit ihren Kunden präziser Erwartungen und Wünsche von Morgen erfüllen können.

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In der heutigen Zeit sind Kunden besser informiert, vernetzt und haben höhere Erwartungen an Produkte und legen mehr Wert auf das Kundenerlebnis als je zuvor. Hinzu kommt eine stetig steigende Vielfalt an Produkten, Informationen und Diensten – und das 24/7. In diesem Umfeld wird es für Unternehmen zunehmend schwerer, Kunden zu gewinnen und vor allen Dingen diese auch langfristig zu halten. Daher ist es umso wichtiger für Unternehmen, jede Interaktion mit ihren Kunden möglichst zur vollsten Zufriedenheit zu gestalten. Dafür ist es essentiell, nicht nur den komplexen Kundenlebenszyklus von Anfang bis Ende zu orchestrieren, sondern auch seine Kunden sowie deren Bedürfnisse zu kennen, zu verstehen und in den Fokus zu rücken.

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