Elektromobilität: Begeisternde Ladeerlebnisse für neue Kundengruppen

Wie Unternehmen begeisternde Ladeerlebnisse für ihre Kund:innen erzeugen

Die Elektrifizierung der Antriebsstränge und der damit verbundene Wandel schreitet immer weiter voran. Infolge der steigenden Nachfrage tauchen neue Hersteller von Elektroautos und Anbieter von Elektromobilitätslösungen in allen großen Automobilmärkten auf und treten dabei in Konkurrenz zu den etablierten Spielern.

Durch die Veränderungen im Zuge der Mobilitätswende ergeben sich neue Herausforderungen und Chancen für alle Anbieter entlang der Wertschöpfungskette. Andere Abläufe beim Ladevorgang – verglichen mit dem Tankvorgang – und immer stärker digitalisierte Fahrzeuge haben großen Einfluss auf das Mobilitätserlebnis der Kundschaft. Daher ist es für Anbieter von Elektromobilität besonders wichtig, das Laden des Fahrzeugs als wesentlichen Teil der Customer Journey im Blick zu haben. Um nachhaltig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen ihre individuellen Kundengruppen und deren Bedürfnisse sehr gut verstehen und das Ladeerlebnis entsprechend gestalten können. Im derzeit fragmentierten und wettbewerbsintensiven Marktumfeld eine anspruchsvolle Aufgabe.

Neue Kund:innen und ihre Erwartungen an das Ladeangebot

In ihren Anfängen war die Elektromobilität vornehmlich durch technisch affine Autokäufer:innen geprägt, die über überdurchschnittliche finanzielle Mittel und technische Kenntnisse verfügen. Diese Kundengruppe tolerierte eine noch unzureichend ausgebaute Infrastruktur sowie einen unübersichtlichen Angebotsdschungel aus Ladepunkten und Ladepreisen in einer Vielzahl unterschiedlicher Lade-Apps. Das mit der Elektromobilität verbundene positive Image sowie Förderungen und Steuererleichterungen waren attraktiv genug, um die Nachteile und den Mehraufwand im Vergleich zu einem herkömmlichen Verbrennerfahrzeug in Kauf zu nehmen.

Viele Unternehmen haben ihr ursprüngliches Angebot an den Bedürfnissen dieser Kundschaft ausgerichtet: So bot Tesla seinen ersten Kundinnen und Kunden neben interessanten technischen Features wie Fahrassistenzsystemen eine hohe Ladegeschwindigkeit und kostenloses Laden an Superchargern an.

Inzwischen ist die Elektromobilität im Massenmarkt angekommen und erreicht zunehmend komfortorientierte Zielgruppen. Diese bevorzugen eine einfache Nutzung durch simple und verlässliche Lösungen, zum Beispiel in Charging-Apps oder Navigationssysteme, die automatisch Ladestopps einplanen und die beste Ladestrategie für eine Route vorschlagen.

Diese Kundengruppe erwartet ein mit Verbrennerfahrzeugen vergleichbares Nutzererlebnis.

Die Charging Journey und die Kundenerwartungen

Um die unterschiedlichen Bedürfnisse dieser Kundengruppen zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Customer Journey für den Ladevorgang, die sogenannte Charging Journey.

Quelle: KPMG Deutschland, 2022

 

Diese besteht im Wesentlichen aus den folgenden Phasen:

  • Inform: Information über verfügbare Ladeangebote (z. B. über eMSP-App oder Navigationssystem)
  • Activate: Aktivierung des gewählten Ladeangebots durch Hinterlegung eines Zahlungsmittels
  • Find: Finden eines Ladepunkts entlang der gewünschten Route
  • Navigate: Navigation zum Ladepunkt
  • Charge: Durchführung des Ladevorgangs
  • Pay: Bezahlung der abgerufenen Ladeleistung
  • Monitor: Kontrolle und Administration der bezahlten Ladevorgänge

Um all diese Phasen anbieterseitig abdecken zu können, ist ein nahtloses Zusammenspiel zwischen den einzelnen Leistungsstufen der Wertschöpfungskette nötig. Allerdings funktioniert dieses Zusammenspiel nicht immer perfekt im Sinne einer guten Customer Experience.

Technisch versierte Kundengruppen stören sich besonders an Missständen, welche die Funktionalität ihres Fahrzeugs einschränken. Ein Beispiel hierfür sind fehlende Schnellladesäulen oder unzureichende Integration der heimischen Wallbox in das App-Ökosystem des Elektroautoherstellers.

Für komfortorientierte Kundinnen und Kunden ist es hingegen absolut unerlässlich, dass die Nutzung des Elektroautos für sie so reibungslos und stressfrei wie möglich in den Alltag integriert werden kann. Die einfache Nutzung der Mobilität ist ihnen so wichtig, dass selbst bei herausragender Funktionalität des Autos das Gesamterlebnis negativ empfunden wird, wenn sich diese Funktionen nicht so einfach wie möglich nutzen lassen.

Aufbau der Charging Value Chain und daraus resultierende Herausforderungen

 Um den Kundenanforderungen gerecht zu werden, hilft bei der Analyse und Optimierung des Ladeangebots ein Blick auf dessen Leistungsbestandteile in der sogenannten Charging Value Chain.

Quelle: KPMG Deutschland, 2022

 

Diese setzt sich aus den folgenden Aktivitäten zusammen:

  • Energy Provision: Energieerzeugung und -vertrieb
  • Equipment Supply: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Hardware wie Chargern, Wallboxen und Ladesäulen
  • Installation and Field Services: Vorbereitung des Grundstücks, Installation und Wartung der öffentlichen Ladesäulen
  • Site and Asset Ownership: Besitz und Verwaltung des Ladestandortes sowie der dort befindlichen Ladesäulen
  • Charge Point Operation (CPO): Betrieb der Ladesäulen, Überwachung des Status der Ladesäulen sowie Koordination der Wartung
  • E-Mobility Service Provision (eMSP): Bereitstellung von Lade- oder anderen Mobilitätsservices auf App- oder Kundenkonto-Basis

Die oben genannten Aktivitäten werden entweder durch verschiedene Unternehmen ausgeführt, deren Leistungen koordiniert und gebündelt angeboten werden, oder von integrierten Anbietern, die alle oder mehrere Bereiche der Charging Value Chain selbstständig abdecken können.

Jeder einzelne Teil der Charging Value Chain kann jedoch für die Qualität der Charging Journey entscheidend sein. Liefert der Energieerzeuger keinen Strom oder funktioniert die Hardware nicht zuverlässig, kann das Fahrzeug nicht geladen werden. Wird die Ladesäule nicht regelmäßig gewartet, fällt sie gegebenenfalls aus oder liefert nicht die erreichbare Ladeleistung. Sind die Ladesäulen auf dem Grundstück nicht günstig positioniert, können die Kundinnen und Kunden sie nicht auf Anhieb finden. Liefert die Ladesäule den falschen Status, ist sie bereits besetzt, wenn Kund:innen laden möchten. Funktioniert die Bezahlfunktion in der App des eMSP nicht richtig, kann der Ladevorgang nicht gestartet oder bezahlt werden.

Diese Beispiele zeigen, an wie vielen Stellen die Kundenerwartungen enttäuscht werden können. Sie zeigen aber auch die Komplexität des Zusammenspiels der involvierten Unternehmen und die Herausforderungen für deren Geschäftsmodelle.

Geschäftsmodelle entlang der Charging Value Chain

Mit dem zunehmenden Ausbau der Ladeinfrastruktur haben sich verschiedene Geschäftsmodelle entwickelt, die entweder einen vertikal fokussierten oder einen horizontal integrierten Ansatz verfolgen. Vertikal haben sich neue Potenziale in etablierten Geschäftsfeldern (Energy Provision, Equipment Supply, Installation & Field Services, Site & Asset Ownership) für Unternehmen aus der Energie-, Hardware- und Servicebranche eröffnet. Zusätzlich sind neue Geschäftsfelder (Charge Point Operation, E-Mobility Service Provision) entstanden, die sowohl von etablierten Unternehmen als auch von Start-ups erschlossen werden.

Zudem haben sich die folgenden horizontal integrierten Geschäftsmodelle entwickelt. Bei der Turnkey Solution erfolgt die Koordination von Eigen- und Partnerleistungen innerhalb der Charging Value Chain mit dem Ziel, eine schlüsselfertige Ladelösung in eigenem Namen oder im Namen eines OEMs für möglichst breite Kundengruppen anzubieten. End-to-End-Integration steht für den eigenständigen Aufbau der gesamten Charging Value Chain mit dem Ziel, diese vollständig kontrollieren und damit auch das Kundenerlebnis direkt steuern zu können.

Wie Elektromobilitätsanbieter ihr Angebot gezielt gestalten und verbessern können

Um das anfangs bestehende Henne-Ei-Problem aus fehlender Ladeinfrastruktur und mangelnder Nachfrage bei Elektroautos zu beheben, wählten Pioniere wie Tesla das Modell des „End-to-End Integrators“. Allerdings ist eine solche Strategie mit sehr hohen Anfangsinvestitionen verbunden und daher für den Großteil der nachfolgenden OEMs nicht attraktiv. Zudem wurden in vielen Ländern staatliche Maßnahmen zum Aufbau von Ladeinfrastrukturen ergriffen, sodass die Notwendigkeit einer eigenen Infrastruktur nicht mehr zwingend gegeben ist. Eine Alternative zum eigenständigen Aufbau der Infrastruktur sind Turnkey Solutions, um der Kundschaft einfach und schnell ein Ladeangebot machen zu können, ohne das Risiko hoher Anfangsinvestitionen einzugehen.

KPMG-Studien und -Analysen zeigen ein vielschichtiges Bild. Demnach ist bei einigen OEMs aktuell eine hybride Strategie erkennbar. So wird einerseits in Partnerschaften mit Anbietern einzelner Wertschöpfungsstufen investiert. Andererseits wird auf integrierte, schlüsselfertige Lösungen mit OEM-Branding gesetzt.

Wohin sich der Markt für Ladelösungen entwickelt

 Die oft fehlende Möglichkeit, das eigene Fahrzeug schnell zu laden, zählt nach wie vor zu einem der größten Schmerzpunkte für die Kundinnen und Kunden. Gleichzeitig ist die Investition in Schnellladesäulen deutlich attraktiver als in Ladesäulen mit langsameren Ladegeschwindigkeiten. Daher wächst die Zahl der Schnellladesäulen an Verkehrsknotenpunkten stetig weiter an.

Nachhaltig erfolgreiche Hersteller von Elektroautos zeichnen sich zunehmend nicht nur durch überzeugende Fahrzeuge, sondern auch durch kundenorientierte Ladelösungen aus.

Einige Pilotversuche deutscher OEMs lassen bereits die Zukunft erahnen: Ladeparks an Hauptverkehrsadern werden zu Komfortdestinationen, an denen zusätzliche Angebote gemacht und die Marke präsentiert werden kann. Mit einer Flughafen-Lounge vergleichbare Hypercharging-Lounges könnten die neuen Maßstäbe öffentlicher Ladepunkte sein.

Jüngst angekündigte Kooperationen namhafter Autohersteller mit den Betreibern großer Tankstellennetze – die neben Sprit für Verbrennerfahrzeuge auch integrierte Ladelösungen anbieten – zeigen, wohin die Reise gehen kann.

Im Privaten wird die einfache Konfiguration, Bestellung, Lieferung und Installation ganzheitlicher Ladelösungen im Vordergrund stehen. Ebenso wie die optimale Integration von Photovoltaikanlage, Wallbox, Fahrzeug, User-Endgeräten, Energiemanagement und dem Smart Home.

Wie KPMG unterstützen kann

Betrachtet man die oben genannten Veränderungen in der Elektromobilität, stellen sich vier Schlüsselfragen:

  1. Wie sollte mein Unternehmen in der Elektromobilität zukünftig positioniert sein?
  2. Wie kann ich ein ganzheitliches Ladeerlebnis für bestehende und neue Kundengruppen erzeugen?
  3. Wie kann ich mich über das Ladeerlebnis vom Wettbewerb differenzieren?
  4. Welche Veränderungen am Geschäftsmodell muss ich vornehmen, um nachhaltig erfolgreich zu sein?

Antworten darauf liefert KPMG mit seinem Know-how aus vielfältigen Projekten sowie eigenen Studien und Analysen. Daraus wurde ein Vorgehen entwickelt, um Ladeerlebnis und Ladeangebot aus der Kunden-, Unternehmens- und Marktperspektive beleuchten zu können und geeignete Strategien abzuleiten.

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Co-Autorin: Melina Thieme

 

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In der heutigen Zeit sind Kunden besser informiert, vernetzt und haben höhere Erwartungen an Produkte und legen mehr Wert auf das Kundenerlebnis als je zuvor. Hinzu kommt eine stetig steigende Vielfalt an Produkten, Informationen und Diensten – und das 24/7. In diesem Umfeld wird es für Unternehmen zunehmend schwerer, Kunden zu gewinnen und vor allen Dingen diese auch langfristig zu halten. Daher ist es umso wichtiger für Unternehmen, jede Interaktion mit ihren Kunden möglichst zur vollsten Zufriedenheit zu gestalten. Dafür ist es essentiell, nicht nur den komplexen Kundenlebenszyklus von Anfang bis Ende zu orchestrieren, sondern auch seine Kunden sowie deren Bedürfnisse zu kennen, zu verstehen und in den Fokus zu rücken.

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