Neue Leitlinien für Finanzinstitute zur Bewertung von ESG-Risiken

Anforderungen der europäischen Aufsicht stellen Banken vor neue Herausforderungen

Key-Facts:

  • Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat kürzlich die Konsultationsphase für eine neue Guideline zu Umwelt-, Sozial und Governance (ESG)-Risiken gestartet, die als Teil der Eigenkapitalrichtlinie (CRD6) bindend sein wird.
  • Der Entwurf ergänzt bereits bestehende Vorgaben der EZB und BaFin beziehungsweise konkretisiert sie.
  • Insbesondere bei den Themen Materialitätsanalyse, ESG-Indikatoren, Klima- und Umweltszenarien sowie Transitionsplänen wurden bisherige Anforderungen an Banken geschärft.

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat, wie bereits im vergangenen Jahr angekündigt, Mitte Januar ihr Konsultationspapier „Draft Guidelines on the management of ESG risks“ veröffentlicht. Die neuen Leitlinien zur Bewertung der ESG-Risiken sollen bis Ende 2024 fertiggestellt und als Teil der Eigenkapitalrichtlinie (CRD6) rechtsverbindlich werden. Parallel hat die EBA auch eine freiwillige Marktbefragung gestartet.

Das Papier der EBA reiht sich damit in die bisherigen Narrative der EZB und der BaFin ein und verdeutlicht einmal mehr, dass Finanzinstitute das Thema Nachhaltigkeit nicht wieder in die Schublade legen können, sondern ganz im Gegenteil, weiter ausbauen müssen.

Zentrales Instrument: Materialitätsanalyse

Die Einschätzung der Wesentlichkeit von ESG-Risikotreibern sollte über verschiedene Zeithorizonte, nämlich kurzfristig (weniger als drei Jahre), mittelfristig (drei bis fünf Jahre) und langfristig erfolgen, wobei letzteres einen Zeithorizont von mindestens zehn Jahren einschließt. Zur umfassenden Bewertung von ESG-Risiken in bankinternen Prozessen wird empfohlen, Methoden zu kombinieren.  Dabei sollten wesentlichen Risikoarten, einschließlich Geschäftsmodell- und Konzentrationsrisiken, berücksichtigt werden. Bei Biodiversität- und Natur-Risikotreibern betont die EBA explizit, dass auch die Lieferketten in der Bewertung zu berücksichtigen sind.

ESG-Risikomessung anhand von drei Methoden

Die EBA konkretisiert, dass zwingend drei Methoden bei der Risikotreiber-Analyse zu Grunde gelegt werden sollen: exposure-basierte (kurzer Zeithorizont), portfoliobasierte (mittlerer Zeithorizont) und szenario-basierte Methoden (mittlerer und langfristiger Zeithorizont).

Insgesamt wird empfohlen, quantitative und qualitative Elemente sowie wissenschaftliche Quellen zu verwenden. Es ist notwendig, dass der Schweregrad und die Eintrittswahrscheinlichkeit der ESG-Risikotreiber auf die wichtigsten Aktivitäten, Dienstleistungen und Produkte in verschiedenen Zeithorizonten bewertet werden – ähnlich wie in Anforderungen zur CSRD.

ESG-Indikatoren ermöglichen Risikoüberwachung

Über bisherige Anforderungen der EZB und BaFin hinaus müssen Institutionen gemäß EBA eine Reihe vergangenheits- und zukunftsgerichteter ESG-Risikokennzahlen und -Indikatoren (KRIs) zwingend überwachen. Die Richtlinie enthält eine explizite Liste von KRIs, die voraussichtlich von großen Banken (Significant Institutions; SIs) überwacht und von sehr kleinen (Less Significant Institutions; LSIs) zumindest berücksichtigt werden sollen. Dies soll zu einer besseren Standardisierung und Vergleichbarkeit der Pläne verhelfen.

Stärker im Fokus: Klima-, Natur- und Biodiversitäts-Szenarien

Instituten wird geraten, Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die Biodiversität und die Verschlechterung der Ökosysteme sowie Messgrößen und Zielvorgaben, wie etwa Szenarien, einschließen. Diese Szenarien sollten die potenziellen Auswirkungen ökologischer und sozialer Veränderungen und die damit verbundenen politischen Maßnahmen auf das langfristige Geschäftsumfeld widerspiegeln.

Bei der Entwicklung dieser Szenarien sind Banken nun auch verpflichtet, die Auswirkungen des EU Green Deals sowie weitere europäische Berichte und Maßnahmen zu berücksichtigen. Gleichzeitig sollten sie ihre eigenen öffentlichen ESG-Verpflichtungen einbeziehen. Die geografische Ausrichtung und Granularität der Szenarien sollten mit dem eigenen Geschäftsmodell sowie der Entwicklung zukünftiger Ziele und Geschäftsstrategien stimmig und konsistent sein.

Verbindliche Forderung: Transitionspläne

Für die Portfolioausrichtung wird zudem das „Net Zero Emissions by 2050“-Szenario der International Energy Agency (IEA) zwingend vorgegeben. Des Weiteren sollten Banken in ihren Plänen verschiedene Zeithorizonte berücksichtigen, die auch einen langfristigen Planungshorizont von mindestens zehn Jahren umfassen. Zusätzlich sollten sie Meilensteine festlegen, die darlegen, wie sie die Treibhausgasemissionen entlang des IEA-Szenarios innerhalb ihres Portfolios bis 2030 verringern werden. Voraussetzung hierfür sind solide Datenprozesse, um die Daten nicht nur zu sammeln, sondern auch zu überprüfen und zu aggregieren. Als möglicher Zwischenschritt wird die Verwendung von Proxys, Schätzungen und externen Datenquellen empfohlen.

Anforderungen an interne Prozesse und das Risikomanagement

Institute sollten sicherstellen, dass ihre Pläne nahtlos in die Geschäftsstrategien integriert sind und dabei mit Risiko- und Finanzierungsstrategien, Risikobereitschaft, Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP), Risikomanagementrahmen und öffentlichen Kommunikationsmaßnahmen abgestimmt und konsistent sind.​ Um dies zu erreichen, sollten die Banken insbesondere eine klare Definition von ESG-Risiken haben und eine Mindestanzahl von Risikopositionen angeben, die materiell mit Umweltrisiken verbunden sind.

Schlussendlich sollten Banken ihre internen Prozesse dafür transparent machen, wie sie sich auf den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft vorbereiten. Dabei unterstützen diese Prozesse insbesondere die Umsetzung des internen Übergangsplanungsprozesses durch die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern, die Integration von ESG-Kriterien in die Kreditvergabepolitik und Anpassungen bei strategischen Finanzierungsentscheidungen.

Fazit

Die EBA unterstreicht, dass die europäische Aufsicht steigende Erwartungen hat und den Druck erhöht, das ESG-Risikomanagement weiter in standardisierte, operationalisierte Prozesse zu integrieren. Das wird deutlich, indem verstärkt auf Methodik gesetzt wird. Für Institute reicht es nun nicht mehr aus, allgemeine ESG-Ansätze zu formulieren, sondern operationalisierbare und wissenschaftlich basierte Methoden zu nutzen.

Für SIs wird es rasch darum gehen, die Erwartungen der EZB-Guideline zu Klima- und Umweltrisiken und die eigenen Umsetzungspläne mit den EBA-Leitlinien abzugleichen, die dargestellten Konkretisierungen zu diskutieren und in die laufenden internen Aktivitäten zu integrieren.