Arbeiten in der Pandemie – das heißt aus meiner Sicht vor allem digitales Arbeiten. Auf Abstand, aber eng verbunden. Dank Covid-19 fanden sich viele von uns plötzlich im pandemiebedingt verordneten Homeoffice wieder. Und waren oft überrascht, wie gut es lief. Auch mir ging es so.
Digitale Arbeitswerkzeuge umfassender nutzen
Natürlich, als Leiter des Bereichs CIO Advisory bei KPMG war mir schon vor der Pandemie klar, welche digitalen Arbeitsmittel zur Verfügung stehen und was sie alles können. Allerdings habe auch ich, wie die meisten, nur wenige davon regelmäßig eingesetzt. Viele der technischen Möglichkeiten sind wie eine dicke Daunenjacke, die man im Schrank hat, aber in der Regel nicht braucht. Bis es zu einem unerwarteten arktischen Kälteeinbruch kommt – oder, im Fall der digitalen Arbeitswerkzeuge, zur Pandemie. Gut, dass man sie schon auf dem Rechner hatte.
Mit Beginn der Pandemie wurde in vielen Firmen der CIO zum Mann (oder leider noch viel zu selten: Frau) der Stunde. Die Frage aus der Geschäftsführung lautete oft: Kann unsere IT das denn leisten? Nicht unberechtigt, wenn man bedenkt, dass Großkonzerne in kürzester Zeit tausende von Mitarbeitern gleichzeitig ins Homeoffice geschickt haben. Meist aber verlief es unproblematisch. Die Unternehmens-IT erwies sich als resilient – viele CIOs übrigens auch.
Boom des Digitalen – im Job und privat
Nicht nur seitens der Unternehmens-IT von Arbeitgebern war plötzlich Höchstleistung gefragt. Auch die Serviceprovider mussten nun ausreichend Datenkapazität für Millionen von Heimarbeitern zur Verfügung stellen. Was im Umkehrschluss heißt, dass die Pandemie Gewinner kennt: Die Wachstumskurve der Betreiber von Datenzentren geht seit Jahren nach oben, seit Beginn der Pandemie steil. Auch im Internet-Handel oder bei den Logistikern und Lieferdiensten beschleunigt die Pandemie das ohnehin seit Jahren rasante Wachstum. Und wenn man sieht, wie sich die Streamingdienste in den letzten Monaten entwickelt haben, kann man sich denken, welche Herkulesaufgaben die verantwortlichen CIOs dabei schultern mussten.
Allerdings ist vielen der Beispiele eines gemein: Es handelt sich um die Verlagerung bestehender Strukturen in virtuelle Welten. Wirklich neue Geschäftsmodelle sind rar. Wird die Pandemie daran etwas ändern? Ich denke ja – allerdings wird dies nicht direkt geschehen, sondern meist aus neuen Formen der digitalen Zusammenarbeit erwachsen.
In der Pandemie neue Arbeitsweisen etablieren
Natürlich kann man die Arbeit im Homeoffice so gestalten, dass jeder Mitarbeiter Teile eines Projekts bearbeitet, die dann per E-Mail hin- und hergeschickt werden. Digitales Arbeiten kann und sollte aber mehr sein. Es gibt digitale Plattformen, auf denen mehrere Personen gleichzeitig an einem Dokument arbeiten, sich innerhalb des Systems austauschen und crossfunktional interagieren können. Diese Arbeitsmethode ist in vielen Start-ups bereits die Regel und setzt sich auch in etablierten Unternehmen langsam durch. Schließlich führt sie in der Regel zu einer höheren Effizienz und verbessert die Ideenfindung durch den leichteren Austausch. Allerdings verlangt sie nach einer anderen Führungskultur, die partnerschaftlich ausgerichtet ist. Der CIO sollte in diesem Fall zwischen dem technisch Möglichen und der Firmenkultur vermitteln – und so eine aktive Rolle als Impulsgeber einnehmen.
Vor der Pandemie wurde häufig von digitalem und agilem Arbeiten gesprochen – oft aber war die Umsetzung in den bestehenden Strukturen schwierig. Diese hat die Pandemie aufgebrochen. In der neuen Normalität nun zeigt sich, was mit digitalen Arbeitsmethoden möglich ist.