Cradle-to-Cradle: Auf dem Weg zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

Cradle-to-Cradle: Auf dem Weg zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

Rahmenbedingungen, Vorteile und Herausforderungen einer neuen Form des Wirtschaftens.

Fragen der Nachhaltigkeit betreffen nicht nur die gesamte Gesellschaft, sondern auch alle Bereiche der Wirtschaft. Ein essenzielles Modell, um das Ziel einer nachhaltigen Unternehmensführung zu erreichen, ist die Kreislaufwirtschaft. Dabei stellt sich die entscheidende Frage: Wie gelingt der Übergang von der derzeit vorherrschenden Linearwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft?

Dringend benötigt: Kreislauffähige Produkte und Materialtransformation

Die Linearwirtschaft ist bis heute das deutlich vorherrschende Wirtschaftsmodell. Nur ein sehr kleiner Anteil der aufgewendeten Ressourcen wird bislang der Wiederverwendung zugeführt. Das hat eine Reihe von Gründen.

Ein Problem ist, dass es bislang kaum kreislauffähige Produkte gibt, deren Wiederverwertbarkeit von Anfang an eingeplant wurde. Für eine Wiederverwertung ist beispielsweise die Einführung von neuen Absatz- und Vertriebswegen wie Leasing-Modellen oder Sharing-Plattformen entscheidend. Da es allerdings noch zu wenig Anreize dafür gibt, dominieren bislang lineare Geschäftsmodelle, die darauf ausgelegt sind, möglichst viele Produkte zu verkaufen. Die damit einhergehenden Kosten für Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und Abfallerzeugung, ließen sich durch zirkuläre Modelle vermeiden oder zumindest drastisch reduzieren.

Hinzu kommt die oft mangelhafte Umsetzung der Materialtransformation. Obwohl Sekundärmaterialien und Abfälle aus einem Bereich sehr wichtig für eine andere Branche sein können, wird dieses Potenzial aus Unkenntnis und aufgrund fehlender Kommunikation nicht ausgenutzt. Zudem werden zum Teil funktionierende Produkte wegen kleiner technischer Mängel, wie dem Defekt einer Batterie, vollständig entsorgt. Diese Denkweise sollte sich ändern, um dem Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft näherzukommen.

Darum sollte die Kreislaufwirtschaft von Beginn der Produktion an mitgedacht werden

Im Gegensatz zur Linearwirtschaft werden die eingesetzten Ressourcen innerhalb eines Kreislaufsystems weiter- und wiederverwendet und damit fortlaufend wertschöpfend eingesetzt. Auf diese Weise werden sie nicht nur effizienter und nachhaltiger verwendet, sondern es werden Abfälle vermieden und die CO2-Emissionen verringert. Im Fokus steht aber die Ressourcenknappheit, die sich durch das stetige Wachstum der Weltbevölkerung zusehend verschärft.

Die Kreislaufwirtschaft zielt demnach auf ein nachhaltigen Produktlebenszyklus ab. Entscheidend ist dabei, dass bereits vor der Produktionsphase eine nachhaltige Produktentwicklung einberechnet wird, um darauffolgende Prozesse entsprechend zu beeinflussen. Dies bedeutet, dass bereits frühzeitig im Rahmen der Forschung und Entwicklung (F&E) auf ein nachhaltiges Produkt abgezielt wird, um die Transformation von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft vorzubereiten. Ein solches Vorgehen hilft dabei, beispielsweise das Design zu verbessern, um Produkte ressourcenextensiver zu produzieren, sie langlebiger zu machen sowie die Reparaturfähigkeit zu erhöhen. Für einen möglichst geschlossenen Kreislauf sollten die eingesetzten Materialien zudem alle wieder verwendbar sein.

Wie die Einführung eines Kreislaufsystems gelingen kann

Die Einführung einer Kreislaufwirtschaft in ein bestehendes System ist mit hohem Aufwand verbunden. Nichtsdestotrotz gehen damit viele Vorteile einher, die nicht unterschätzt werden dürfen.

Dazu gehört eine Optimierung des gesamten Geschäftsmodells. Beispielsweise kann durch die vertikale Integration aller Bestandteile das Geschäftsfeld erweitert werden: Indem Lieferanten oder die Rohstofferzeugung integriert werden und auch die einzelnen Bestandteile der Produktion auf eine Kreislaufwirtschaft umgestellt werden, können die Kosten insgesamt gesenkt, neue Einnahmequellen erschlossen und die Resilienz gestärkt werden. Die Integration von Recycling-Unternehmen kann beispielsweise in der Beschaffung eben jene Materialkosten senken, die für die Produktherstellung benötigt werden oder neue Einnahmenquellen durch den Verkauf des Sekundärmaterials erschließen. Somit wird neben der Verringerung der Abhängigkeit von komplexen Lieferketten, ein resilienteres Ökosystem erschaffen, in dem sowohl Kosten gesenkt als auch das Umsatzpotenzial gesteigert werden kann.

Es können auch Langzeit-Partnerschaften geschlossen werden, um für zukünftige Produktgenerationen die Kosten einer Kreislaufwirtschaft gering zu halten. Zum Beispiel können Recycling-Unternehmen als wichtige Lieferanten erschlossen werden. Wenn im Zuge dessen eine intelligente Abfallwirtschaft eingeführt wird, können von Endkonsumenten zurückgeführte Produkte effektiv und effizient in den Kreislauf eingebunden werden, womit die Umweltbelastung gesenkt wird.

Sei es durch vertikale Integration, Langzeit-Partnerschaften oder regelmäßige Materialkäufe aus verschiedenen Quellen: Eine Kreislaufwirtschaft kann langfristig Kosten senken, das Umsatzpotenzial sowie die Resilienz erhöhen und die Umwelt schonen.

„Cradle-to-Cradle“ – das Ideal der Kreislaufwirtschaft

Das Ideal einer Kreislaufwirtschaft ist der sogenannte „Cradle-to-Cradle“-Ansatz („von Ursprung zu Ursprung“): Für neue Produkte werden dabei nur Materialien verwendet, die zuvor nachhaltig recycelt wurden. Zum Beispiel können die Reste organischer Produkte zum Wachstum von Holz beitragen oder anorganisches Material wird aus zuvor verwerteten Maschinen gewonnen und anschließend für neue Produkte wiederverwendet.

Auch wenn aufgrund eines starken Wirtschaftswachstums das angestrebte Ideal vom Cradle-to-Cradle-Ansatz selten in Reinform umgesetzt werden kann, trägt der Ansatz dennoch zu einer erheblichen Wertsteigerung bei, indem durch minimierten Rohstoffabbau Produktionskosten langfristig gesenkt werden. Besonders in rohstoffreichen Industrien, wie etwa der Automobilindustrie, können somit erhebliche Potenziale ausgeschöpft werden. Wenn Hersteller ihre eigenen Produkte wiederverwerten können, profitieren sowohl Stakeholder als auch die Umwelt.

Warum an der Kreislaufwirtschaft kein Weg vorbeiführt

Es gibt zwei wesentliche Treiber auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft: zum einen die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und zum anderen die veränderten Wünsche auf Kundenseite. So hat die Europäische Kommission im Dezember 2019 ein Konzept vorgestellt, welches als „Europäischer Grüner Deal“ bezeichnet wird. Mit diesem soll der Übergang zu einer neuzeitlichen und ressourceneffizienten Wirtschaft ermöglicht werden. Ein wichtiges Ziel dabei ist, dass bis 2050 in Europa keine Netto-Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Als eine der bedeutendsten Komponenten dieses Deals gilt hierfür ein Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Dieser stellt mit Hilfe einer Reihe untergeordneter Regelwerke (z.B. die Ökodesign-Richtline für nachhaltige Produkte (ESPR) oder die Europäische Batterieverordnung) sicher, dass das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung entkoppelt wird, um nachhaltig einen klimaneutralen Kreislauf schaffen zu können. Im Einklang hierzu steht die geplante Europäische Richtlinie über Altfahrzeuge (ELV-Richtlinie), für die in 2023 ein neuer Vorschlag eingereicht wurde, welche zum Ziel hat, durch Wiederverwendung und Recycling der Materialien die Umweltbelastung durch Altfahrzeuge zu verringern sowie Energieeinsparungen zur erzielen. Auch in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ der Bundesregierung, deren Weiterentwicklung im März 2021 veröffentlicht wurde, spielt die Kreislaufwirtschaft als einer von sechs festgelegten Transformationsbereichen eine bedeutungsvolle Rolle.

Neben dem erhöhten Druck von politischer Seite steigen auch die Kundenanforderungen nach nachhaltigen Produkten. Um diesen veränderten Anforderungen zu begegnen, haben sich bereits einige Unternehmen selbst ambitionierte Ziele gesetzt und streben beispielsweise an, Produkte ausschließlich aus erneuerbaren Ressourcen oder recycelten Rohstoffen herzustellen. Namenhafte Vorreiter sind für eine nachhaltige Zukunft außerordentlich wichtig, um auch Nachzüglern den Mut zuzusprechen, diese Schritte zu wagen.

Die Ziele der Kreislaufwirtschaft

Die angesprochenen Ziele einer Kreislaufwirtschaft sind unter anderem die Ressourcenschonung sowie der damit verbundene Klimaschutz, die Verlängerung des Lebenszyklus von Produkten und die Abfallvermeidung. Primärmaterialien sollen eingespart und mit Sekundärmaterialien substituiert werden. Das Recycling und die Wiederverwendung von Letzteren verringern erheblich den Einfluss auf die Umwelt als der stetige Abbau und die Neugewinnung von Primärressourcen. Die Europäische Kommission betont – im Gegensatz zur umweltpolitischen Sicht – im oben genannten Aktionsplan hierfür vor allem Ziele wie Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, lokale Wertschöpfung und Wachstum. All diese können zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beitragen.

Fazit: Jetzt handeln, Zukunft sichern

Die hier ausgeführten Zusammenhänge zu den Rahmenbedingungen, Vorteilen und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft zeigen deutlich, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht. Produkte müssen künftig zukunftssicher (weiter-)entwickelt werden, um eine Rückführung der verwendeten Rohstoffe in einen geschlossenen Kreislauf sicherzustellen und somit die Linearwirtschaft zu reformieren. Des Weiteren ist die Verbesserung der generellen Umsetzung erforderlich, wobei der Cradle-to-Cradle-Ansatz hierbei das letztendliche Ziel sein sollte.

Hinzu kommt künftig die Sicherstellung der Compliance gegenüber neuen Regularien, um die Voraussetzung für bestehende Geschäftsmodelle zu schaffen bzw. zu erhalten. Zukünftige Wertschöpfungsanpassungen sollten jedoch darüber hinaus gehen, um reellen Mehrwert zu schaffen und einen nachhaltigen kompetitiven Vorteil zu erringen. Es ist von großer Wichtigkeit, dass dieser Aufbruch der Unternehmens- und Produkttransformationen aktiv von Unternehmen gestaltet wird. Ausschlaggebend sind dabei grundsätzlich politische sowie kundenspezifische Anforderungen, die in den Entwicklungsprozess neuer Produkte und die Transformationen bestehender Wertschöpfungsketten einfließen sollten. Dies beginnt bereits bei einer angepassten Produktentwicklung, die auf einer Kreislaufwirtschaft aufbaut.