Ein Frachtschiff fährt an Offshore-Anlagen vorbei

Erfolgsstrategien im Claim Management für Offshore-Windprojekte

Strukturiertes Vorgehen steigert Profitabilität und den Projekterfolg.

Keyfacts:

  • Die zunehmende Komplexität von Offshore-Windprojekten erfordert ein strukturiertes und proaktives Claim Management.
  • Eine frühzeitige Identifikation und Bewertung von Claims minimiert Risiken und Kosten.
  • Professionelles Claim Management stärkt die Resilienz und Wirtschaftlichkeit von Offshore-Windparks.

Offshore-Windenergie in Deutschland: Status quo & Ziele

Aktuell liegt die installierte Offshore-Wind-Leistung in Deutschland bei gut neun Gigawatt. Mit der Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) wurden neue Richtlinien festgelegt, die die Offshore-Windenergie als Schlüsseltechnologie für die Energiewende in den Fokus rücken.

Vier Hauptziele bilden dabei die Grundlage:

  1. Die Steigerung des Offshore-Windenergie-Anteils auf mindestens 30 Gigawatt installierter Leistung bis 2030.
  2. Der Aufbau einer Kapazität von 40 Gigawatt bis 2035 und 70 Gigawatt bis 2045.
  3. Die Integration von Offshore-Wind in die Energieversorgung zur Stärkung der Versorgungssicherheit.
  4. Die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen und der CO₂-Emissionen.

Offshore-Windenergie ist ein zentraler Baustein der globalen Energiewende. Das Errichten und der Betrieb von Offshore-Windparks sind jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden: Wetterabhängigkeit, enge Zeitpläne, komplexe Vertragsstrukturen und hohe Investitionssummen, die oft mehrere Milliarden Euro pro Projekt betragen. Die durchschnittliche Investitionssumme der deutschen Offshore Windparks liegt bei ca. 1,5 Milliarden Euro – einzelne Windparks wie „Borkum Riffgrund 3“ und „Baltic Eagle“ liegen mit 2,4 bzw. 3,7 Milliarden Euro allerdings deutlich über dieser Summe.

Eine zuverlässige Kosten- und Zeitplanung ist essenziell, um das Vertrauen von Investoren zu sichern und die langfristige Rentabilität der Projekte zu gewährleisten. Diese liegt bei Offshore-Projekten in der Regel zwischen sechs und zehn Prozent. In diesem anspruchsvollen Umfeld trägt ein effektives Claim Management dazu bei, Risiken zu minimieren und Vertragskonflikte frühzeitig zu lösen. Unter dem Begriff Claim Management versteht man Aktivitäten, die notwendig sind, um eigene Forderungen gegenüber dem Projektpartner durchzusetzen sowie zugleich unberechtigte oder nicht korrekt kalkulierte Forderungen abzuwehren. Dadurch können Budgets und Zeitpläne besser eingehalten und finanzielle Verluste vermieden werden.

Kritische Erfolgsfaktoren von Offshore-Windprojekten

Gerade im Offshore-Bereich sind Claims nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Aufgeteilt in verschiedene Kategorien stellt sich eine Vielzahl von möglichen Gründen für Claims dar: „Vertragliche Claims“ wie Verzugsansprüche oder Störungen in der Bauausführung, „Regulatorische Claims“ wie zum Beispiel die Einhaltung neuer oder veränderter regulatorischer Anforderungen oder „Claims der Lieferanten/Subunternehmer“, welche von verspäteten Lieferungen über Materialmängel bis hin zu erhöhten Fertigungs- oder Baukosten reichen. Dazu kommen „Wetter- und Naturereignisse“, wie Stürme oder unerwartete Bodenverhältnisse und „Betrieb- und Netzanschluss“, die Probleme beim Netzanschluss oder Performancemängel beinhaltet. All diese Umstände können erhebliche Zusatzkosten verursachen. Daher ist es bereits in der Planungsphase essenziell, frühzeitig potenzielle Konfliktfelder zu identifizieren und eine präzise Vertragsgestaltung anzusetzen, um später auftretende Ansprüche valide bewerten zu können. Der Wert der Claims variiert abhängig von der Forderung und befindet sich oft im Millionenbereich. Die Herausforderung besteht darin, einerseits berechtigte Nachforderungen durchzusetzen und andererseits ungerechtfertigte Claims abzuwehren oder in Ihrer tatsächlichen Höhe kaufmännisch, juristisch und technisch zu validieren. Im Offshore-Bereich gibt es zahlreiche Konfliktfelder, die ein effektives Claim Management erfordern.

Präventive Maßnahmen

Um den aufgezeigten Konflikten zu begegnen, sind präventive Maßnahmen für eine erfolgreiche Umsetzung von Off-Shore-Projekten unerlässlich. Eine klare Vertragsgestaltung ist hierbei von zentraler Bedeutung. Verträge sollten möglichst präzise definieren, welche Risiken von wem getragen werden. Besonders wichtig sind Regelungen zu Wetterrisiken, Verzugsfolgen und Kompensationsmechanismen. Eine frühzeitige Risikobewertung ist ebenfalls entscheidend. Systematisches Risikomanagement hilft, potenzielle Claims bereits in frühen Projektphasen zu erkennen und zu minimieren. Laufendes Monitoring ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Eine lückenlose Dokumentation von Baufortschritten, technischer Änderungen und auftretenden Problemen ist essenziell, um später fundierte Nachforderungen zu stellen oder zu validieren. Ein transparenter und analytisch fundierter Ansatz bei der Claim-Verhandlung mit Auftragnehmern und Zulieferern kann langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden.

Die Rolle der Digitalisierung im Claim Management

Die Digitalisierung bietet ebenfalls neue Möglichkeiten, das Claim Management im Offshore-Bereich zu optimieren.  Eine detaillierte Erfassung und kaufmännische Bewertung sämtlicher Änderungen im Projektverlauf ermöglicht eine lückenlose Dokumentation und Analyse von Projektdaten in Echtzeit. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können potenzielle Konfliktfelder frühzeitig erkannt und bewertet werden. Zudem erleichtern digitale Plattformen die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten, was zu einer schnelleren und effizienteren Bearbeitung von Claims führt.

Erfolgsfaktoren für ein effizientes Claim Management

Ein wirkungsvolles Claim Management basiert auf transparenter Kalkulation der technischen Veränderungen, lückenloser Dokumentation zur offenen Kommunikation, der gezielten Optimierung von Prozessen und der Einbindung externer Fachleute.

Eine offene und klare Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten hilft, Missverständnisse und Konflikte frühzeitig zu vermeiden. Regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen sorgen dafür, dass alle Beteiligten über die erforderlichen regulatorischen Anforderungen und spezifischen Kompetenzen verfügen. Zudem ist es essenziell, Prozesse kontinuierlich zu analysieren und auf Basis praktischer Erfahrungen stetig im Lessons Learned Prinzip zu verbessern.

Fazit

Claim Management im Bereich Offshore-Wind ist kein notwendiges Übel, sondern eine strategische Notwendigkeit und für die Umsetzung von Offshore-Windprojekten von entscheidender Bedeutung. Sowohl Unternehmen als auch Investoren, die frühzeitig auf professionelles Claim Management setzen, können nicht nur finanzielle Risiken minimieren, sondern auch die Resilienz und Wirtschaftlichkeit ihrer Projekte stärken. Wer gut vorbereitet ist, kann ungerechtfertigte Claims nicht nur erfolgreich abwehren, sondern auch eigene berechtigte Ansprüche durchsetzen – und damit den Projekterfolg sichern.