Familienunternehmen im Fokus: Der Eigentümer und Geschäftsführer eines Unternehmens steht mit seinem Sohn auf einer Baustelle. Es geht um neue Projekte und das Familienerbe.

Was deutsche Familienunternehmen im globalen Vergleich besonders macht

Studie belegt Unterschiede zur internationalen Konkurrenz. Im Fokus: das Familienerbe.

1,4 Billionen Euro. Das ist der Umsatz, den laut der Stiftung Familienunternehmen im Jahr 2023 allein die 500 größten Familienunternehmen Deutschlands erwirtschaftet haben. Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland sind bei familiengeführten Firmen angestellt – das unterstreicht die Relevanz des Sektors. Wachstum und Innovationskraft von Familienunternehmen sind demnach von essenzieller Bedeutung.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor dafür ist die Weitergabe des Familienerbes an die nächste Generation. Tendenziell gilt: Je umfassender die Einbindung des Familienerbes in die unternehmerische Tätigkeit, desto besser die Performance. Das zeigt unser Global Family Business Report 2024.

Die Besonderheiten speziell deutscher Familienunternehmen, die im Vergleich mit ihren internationalen Partnern und Konkurrenten in der Studie erkennbar werden, haben indes Folgen für die Gewichtung einzelner Aspekte des Familienerbes, von Vermögen über den vererbten Erfahrungsschatz bis hin zu gemeinsamen Werten. Wir analysieren die wichtigsten Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Familienunternehmen.

Verarbeitende Industrie stärker vertreten als im Ausland – ESG rückt in den Fokus

42 Prozent der befragten deutschen Familienunternehmen gehören zur verarbeitenden Industrie, international sind es nur 16 Prozent – der Wirtschaftszweig ist in Deutschland somit deutlich stärker vertreten als im Ausland. Gleichzeitig geht aus der Studie hervor, dass das Nachhaltigkeitssegment „Umwelt“ bei Befragten in Deutschland mehr im Fokus steht als die Aspekte „Gemeinschaft“, „Personal“ oder „Lieferanten“ (Stakeholder-Management).

Auf Umwelt- und Klimaschutz hat der Studie zufolge das sogenannte soziale Erbe, also Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen, besonders große Auswirkungen. Von ESG-Umbrüchen ist die verarbeitende Industrie wiederum bekanntermaßen stärker betroffen als etwa der Dienstleistungssektor, der international unter den Befragten der Studie dominiert.

Angesichts dessen sollte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ESG in deutschen Familienunternehmen oben auf der Agenda verankert sein, um eine ganzheitliche Transformation erfolgreich zu gestalten. Es gilt, individuell die Frage zu beantworten, wie industriell geprägte Geschäftsmodelle in Zeiten des Umbruchs unter Einbezug von Nachhaltigkeitsfaktoren sinnvoll modifiziert werden können.

Familienunternehmen in Deutschland: Mehr Erfahrungsschatz, stärkere Bindung

Deutsche Familienunternehmen haben im Vergleich zu ausländischen Familienunternehmen im Durchschnitt eine längere Historie: 52 Prozent der hiesigen Firmen werden den Studienteilnehmern zufolge von einem CEO aus der dritten, vierten oder fünften Eigentümergeneration geführt. Weltweit liegt dieser Wert bei nur 20 Prozent. Generationsübergreifendes Unternehmertum wird zwar sowohl in Deutschland als auch im Ausland laut 76 Prozent der Befragten in den Betrieb integriert, der Erfahrungsschatz in Deutschland ist aber viel größer.

Die gewachsenen Strukturen sowie materiellen und immateriellen Vermögenswerte ermöglichen Wettbewerbsvorteile. Der positive Effekt: Ein über Jahre und Jahrzehnte entwickelter hoher Spezialisierungsgrad, der zu signifikant höherer Resilienz im Vergleich zur internationalen Konkurrenz führt. Zudem erlaubt die oftmals bessere – weil höhere – Eigenkapitalquote, dem Transformationsdruck bei den Geschäftsmodellen mit notwendigen Investitionen zu begegnen.

Hinweis auf Status quo des Gründergeists in Deutschland

Auffällig ist außerdem, dass in deutschen Familienunternehmen lediglich neun Prozent der CEOs zur ersten Unternehmergeneration gehören. Weltweit sind es 41 Prozent – ein enormer Kontrast, der als Indiz dafür gelten kann, dass die Bereitschaft, sich mit einem Start-up selbstständig zu machen, in Deutschland viel geringer ausgeprägt ist als international. Selbst im europaweiten Vergleich ist Deutschland ein Sonderfall: Bei europäischen Teilnehmenden gehören 31 statt 41 Prozent der CEOs zu ersten Unternehmergeneration.

Familienunternehmen in Deutschland sind im Schnitt signifikant älter als im Ausland und nachfolgende Generationen sind nicht immer in gleicher Weise wie vorherige geeignet, die CEO-Rolle auszufüllen. Auch fehlt mitunter die Bereitschaft, die Rolle auszufüllen. Es zeigt sich aber auch, dass die Förderung einer Gründerkultur in Deutschland deutlich gesteigert werden kann und muss.

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