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Generationswechsel im Familienunternehmen – gerade jetzt?

Warum die derzeitige Lage eine gute Gelegenheit für die Unternehmensnachfolge sein kann

In der aktuellen Covid-19-Krise dürften so manche Firmeninhaberinnen und -inhaber eine Übergabe ihres Familienunternehmens an die nächste Generation aufschieben, weil sie die Transaktion lieber in einem positiven Konjunkturumfeld vollziehen möchten. Doch was spricht dafür, die Unternehmensnachfolge genau jetzt anzugehen? Darüber haben wir mit Karen Ferdinand, Partnerin, Deal Advisory, Valuation, und Kay Klöpping, Partner, Familienunternehmen, gesprochen.

Herr Klöpping, in der derzeitigen Krisenlage scheint es wenig sinnvoll zu sein, die Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen anzugehen, oder?

Kay Klöpping: Auch wenn es überraschend klingen mag: Die derzeitige Situation kann aus steuerlicher Sicht eine gute Gelegenheit für die Übertragung darstellen.

Warum?

Kay Klöpping: Zum einen ist bei der Übertragung von börsennotierten Unternehmen stets der aktuelle Tageskurs am Schenkungstag als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer heranzuziehen. Aber auch alle anderen Unternehmen, die infolge der Pandemie an Wert verloren und von der jüngsten Erholung bislang nur eingeschränkt profitiert haben, könnten über die vorzunehmende Bewertung in den Anwendungsbereich der Steuerprivilegierung für Unternehmensvermögen rutschen.

Hierbei kann ein Unternehmen mindestens zu einem größeren Teil begünstigt übergeben werden, falls der Unternehmenswert aufgrund der Corona-Krise unter die relevanten Schwellenwerte gefallen ist, die im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für die Verschonung von Betriebsvermögen festgelegt sind. So lassen sich tatsächlich erlittene Werteinbußen unter Umständen zumindest teilweise kompensieren.

Wo liegen diese Obergrenzen?

Kay Klöpping: Die Übertragung von Betriebsvermögen im Volumen von mehr als 26 Millionen Euro ist nur eingeschränkt und von mehr als 90 Millionen Euro nicht begünstigt. Lediglich eingeschränkt begünstigungsfähig sind zudem sogenanntes nicht betriebsnotwendiges Verwaltungsvermögen und Finanzmittel. Insbesondere der Bestand an Finanzmitteln dürfte während der Pandemie bei vielen Unternehmen tendenziell gesunken sein, da diese auf die Liquiditätsreserven in der jetzigen Krise vielfach angewiesen sein werden. Das kann zu niedrigeren Verwaltungsvermögensquoten führen und sich positiv auf die Steuervergünstigung auswirken.

Für die Übertragung des Familienunternehmens ist dessen Wert elementar. Welche Faktoren sind dabei zu betrachten, Frau Ferdinand?

Karen Ferdinand: Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer ist der sogenannte „gemeine Wert“ des übertragenen Betriebsvermögens. Dieser wird meist mithilfe des vereinfachten Ertragswertverfahrens ermittelt, bei dem das durchschnittliche Ergebnis der vergangenen drei Wirtschaftsjahre herangezogen wird. In der aktuellen Lage kann diese Methode jedoch dazu führen, dass der Unternehmenswert mit diesem Verfahren überschätzt wird, denn die Ergebnisse der guten Jahre 2017 bis 2019 dürften kaum ein angemessener Indikator für die kommenden Jahre sein. Insbesondere zeigt sich, dass das unternehmerische Risiko der nahen Zukunft in vielen Branchen deutlich über den Erwartungen der letzten Jahre liegt.

Wie lässt sich ein realistischer Unternehmenswert ermitteln?

Karen Ferdinand: Es sollte eine andere Methode angewandt werden: das sogenannte Discounted-Cashflow-Verfahren. Es ist international üblich und steuerlich zulässig. Das DCF-Verfahren beruht, wie der Name verrät, auf der Diskontierung von zukünftigen Zahlungsströmen. Es bezieht somit die zu erwartende Entwicklung der Unternehmenserträge ein, reflektiert also die aufgrund der Pandemie eingetrübten Geschäftserwartungen und die Unsicherheit. In vielen Fällen dürften sich dabei geringere Unternehmenswerte im Vergleich zum vereinfachten Ertragswertverfahren ergeben, welche die erlittenen Werteinbußen besser reflektieren. So wird nur dasjenige Vermögen der Besteuerung zugeführt, welches auch tatsächlich substanziell an die nächste Generation übertragen wird.

Eine Herausforderung bei der Anwendung der DCF-Methode kann die Prognose der zukünftigen Zahlungsströme sein. Wie überwindet man diese Hürde?

Karen Ferdinand: In der Tat ist die Erstellung einer mittelfristigen Unternehmensplanung angesichts der aktuell unsicheren Lage anspruchsvoll. Hier können Szenario- und Simulationsanalysen herangezogen werden, um die bestehenden Unwägbarkeiten in der zukünftigen Unternehmensentwicklung abzubilden. Außerdem sollte die Unternehmensbewertung zeitnah zum Stichtag erfolgen, damit ein möglichst aktueller Erkenntnisstand dokumentiert wird.

Bei der Unternehmensnachfolge spielt die sogenannte Betriebsvermögensverschonung im Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) eine wichtige Rolle. Welche Bedingungen sind für eine solche steuerliche Begünstigung zu erfüllen?

Kay Klöpping: Die Paragraphen 13a und 13b ErbStG ermöglichen Vergünstigungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf Betriebsvermögen, wenn das Unternehmen während einer Haltefrist von fünf oder sieben Jahren nach der Übertragung in seinem wesentlichen Bestand erhalten bleibt und nicht veräußert wird. Darüber hinaus dürfen nach der Unternehmensnachfolge auch die durchschnittlichen Lohnsummen innerhalb dieser Haltefristen nur in engen Grenzen sinken.

Was bedeutet das für Unternehmensnachfolgen in der aktuellen Krise?

Kay Klöpping: Sind Unternehmer aufgrund einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage infolge der Pandemie gezwungen, Entlassungen vorzunehmen, dann wird sich die Summe der ausgezahlten Löhne verringern. Wenn das bei einem übertragenen Unternehmen innerhalb der Haltefrist geschieht, besteht das Risiko eines Verstoßes gegen die Haltefristvorgaben. Dies kann eine Nachversteuerung zur Folge haben. Abgemildert wird dies jedoch dadurch, dass etwaiges durch das Arbeitsamt erstattetes Kurzarbeitergeld nicht von der Lohnsumme abzuziehen ist. Dennoch bestehen relevante erbschaftsteuerliche Risiken, die bei geplanten Generationsnachfolgen jetzt zu bedenken sind.

Was können Familienunternehmen tun?

Kay Klöpping: Negative Folgen können unter Umständen vermieden werden, indem vor der Übertragung – falls notwendig und ohnehin geplant – Betriebsteile, die aufgrund der Krise nicht mehr profitabel sind, veräußert werden. Werden während der Haltefrist wesentliche Betriebsgrundlagen wie Maschinen, Grundvermögen oder Tochtergesellschaften verkauft und mit dem Veräußerungsgewinn betriebliche Schulden getilgt, kann zudem eine Nachversteuerung regelmäßig vermieden werden, weil das Kapital innerhalb der begünstigten Vermögensart verbleibt. Allerdings muss der Sachverhalt binnen eines Monats dem zuständigen Finanzamt angezeigt werden.

Karen Ferdinand: Aus allem, was wir besprochen haben, ergibt sich: In einer Krisenzeit ist eine Unternehmensnachfolge noch anspruchsvoller als ohnehin. Mit der richtigen Beratung lassen sich aber die beschriebenen Chancen aus der Pandemie nutzen – vor allem, wenn der Generationswechsel unabhängig von der Pandemie beabsichtigt und sinnvoll ist. Gleichwohl gilt es, die Nachfolge auch aus strategischer Sicht sorgfältig zu planen, damit sie gelingt.