Mehr Zeit für Hobbys, für Freunde und die Familie oder einfach nur zum Ausspannen – das wünschen sich viele Arbeitnehmer:innen in Deutschland. Sie würden daher ihre Arbeitszeit reduzieren und ein alternatives Teilzeitarbeitsmodell, beispielsweise eine Vier-Tage-Woche, begrüßen. Das hat eine Befragung von fast 4.000 Beschäftigten zur Arbeitszeit ergeben, die von einem Versicherungsunternehmen beauftragt wurde.
Bei der Vier-Tage-Woche werden die sonst in fünf Tagen zu erbringenden Arbeitsstunden in nur vier Tagen geleistet, sofern dies im Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz steht, um einen zusätzlichen freien Tag in der Woche zu erhalten. Das Gehalt bleibt dabei unverändert, weil die Zahl der Wochenarbeitsstunden unverändert bleibt, nur eben auf vier Tage verteilt statt auf fünf.
Wir sprechen mit Arbeitsrechtsexpertin Kathrin Brügger, KPMG Law, darüber, wie sie die Entwicklung hin zur Vier-Tage-Woche einschätzt und welche Alternativen es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen darüber hinaus gibt.
Welche Konsequenzen hat es für Unternehmen, wenn gerade junge Beschäftigte in Teilzeit oder einer Vier-Tage-Woche arbeiten möchten?
Kathrin Brügger: Hierzu gibt es keine eindeutige Antwort. Ein häufig genutztes Argument ist, dass sich bei einer Teilzeittätigkeit die Arbeitsbelastung und folglich auch die daraus resultierende Ermüdung verringern und gleichzeitig sich die Gesamtzufriedenheit der Arbeitnehmenden aufgrund der eingesparten Arbeitszeit verbessert. In Summe würde dies die Produktivität des Unternehmens erhöhen.
Dieses Ziel kann aber in der Regel wohl nur erreicht werden, wenn die tägliche Arbeitszeit gleichbleibt und dafür die Arbeitstage in der Woche reduziert werden – oder die wöchentliche Stundenanzahl insgesamt sinkt. Dem gegenüber stehen allerdings ein erhöhter Verwaltungsaufwand sowie die Bereitstellung von zusätzlichen Arbeitsplätzen, um die Teilzeitbeschäftigung ordnungsgemäß in den Betrieb einzugliedern.
Müssen Unternehmen jedem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit stattgeben?
Kathrin Brügger: Für Unternehmen, die in der Regel mehr als fünfzehn Mitarbeitende beschäftigen, gilt gemäß § 8 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) grundsätzlich: Sie müssen dem Antrag eines/einer Beschäftigten, dessen/deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, auf Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit entsprechen – außer dem Antrag stehen betriebliche Gründe entgegen. Solche betrieblichen Gründe liegen insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation oder den Arbeitsablauf im Betrieb wesentlich beeinträchtigen würde oder wenn dadurch unverhältnismäßige Kosten entstünden. Ebenso kann ein solcher Antrag des/der Arbeitnehmer:in abgelehnt werden, wenn der Arbeitgeber innerhalb der letzten zwei Jahre einer Arbeitszeitverringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat.
Steigern Teilzeitjobs die Attraktivität von Unternehmen bei jungen Bewerberinnen und Bewerbern?
Kathrin Brügger: Nachdem immer mehr junge Arbeitnehmer:innen Freizeit über Geld stellen, erhöht die Möglichkeit, Teilzeit arbeiten zu können, durchaus die Attraktivität von Unternehmen gegenüber Arbeitgebern, die ein solches Modell ablehnen. Wenn Unternehmen also Teilzeitmodelle anbieten, die den Mitarbeitenden ein flexibleres Arbeiten ermöglichen, und diese dadurch zufriedener und motivierter sind, verschaffen sie sich einen klaren Vorteil sowohl am Bewerber:innenmarkt als auch im eigenen Mitarbeiter:innenkreis, da zufriedene Beschäftigte wesentlich seltener den Job wechseln als unzufriedene. Ein ähnlicher Attraktivitätsaspekt ist die ebenso häufig gestellte Nachfrage nach hybriden Arbeitsplatzmodellen, also die Möglichkeit, aus dem Büro, dem Homeoffice oder anderen Orten – auch im Ausland – zu arbeiten („Work from Anywhere“).
Welche Teilzeitarbeitsmodelle neben der Vier-Tage-Woche gibt es aktuell?
Kathrin Brügger: Neben dem klassischen Teilzeitmodell, bei welchem man beispielsweise nur drei anstatt fünf Tage pro Woche arbeitet und dafür entsprechend weniger Gehalt erhält, bestehen auch noch andere flexible Varianten. Bei der Gleitzeitarbeit haben Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, Arbeitsbeginn und -ende frei zu gestalten, abgesehen von einem meistens festgelegten gewissen Kernarbeitszeitbereich. Im „Job-Sharing-Modell“ hingegen teilen sich zwei Angestellte eine Stelle und die damit verbundene zu leistende Arbeitszeit. Immer mehr Anklang findet die bereits erwähnte „Vier-Tage-Woche“. Ziel der einzelnen Modelle ist primär, Mitarbeitenden mehr Flexibilität im Arbeitsleben zu gewähren, damit sie Beruf und Privates leichter vereinbaren können.
Für welche Branchen sind die beschriebenen Arbeitszeit-Modelle eher geeignet bzw. eher ungeeignet?
Kathrin Brügger: Prinzipiell sind (Teilzeit-)Arbeitszeitmodelle für alle diejenigen Unternehmen möglich, die eine gleichbleibende Produktivität durch Optimierung der Abläufe in weniger Arbeitsstunden erreichen können. Oftmals ist es eine Frage der Organisation und des Mitarbeiter:innenpools, also der Möglichkeit, die Arbeit auch bei weniger einzelner Arbeitszeit durch zusätzliche Arbeitskräfte zu kompensieren. Schwierig dürfte das Konzept in solchen Branchen sein, in denen eine Teilung einer Stelle nicht möglich oder nur mit erheblichem Mehraufwand bewältigt werden kann. Dies kann im Einzelfall beispielsweise bei Forschungsstellen bejaht werden, wenn für eine bestimmte Versuchsreihe eine Mindestanzahl an Anwesenheitsstunden derselben Person erforderlich ist.
Gibt es Erfahrungen von Unternehmen mit der beschriebenen Form der Vier-Tage-Woche?
Kathrin Brügger: Es gibt mittlerweile viele Unternehmen, insbesondere „junge“ Unternehmen, die die konkrete Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit komplett den Arbeitnehmer:innen überlassen. Voraussetzung ist dabei allerdings immer die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, also insbesondere die Berücksichtigung der Höchstarbeitszeit und der Ruhezeit. Alternativ reduzieren einige Unternehmen die Gesamtarbeitszeit auf 4/5, sodass nur noch an vier Tagen gearbeitet wird, ohne dass die tägliche Arbeitszeit erhöht wird – und dies ohne Kürzung von Bezügen. Als Begründung wird dazu häufig angegeben, dass das Unternehmen durch zunehmende Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen in der Lage ist, in weniger Wochenstunden die gleichen Ziele zu erreichen. Einige europäische Länder führen entsprechende Probeläufe derzeitig durch.
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