Bauarbeiter auf einer Baustelle von oben aufgenommen.

Wie Bauunternehmen ihr Reporting und Steuerung regulatorikfest machen

2026 wird zum Wendepunkt für wichtige Projekte. Das heißt: hoher Handlungsdruck.

Keyfacts:

  • Bis 2026 greifen neue EU- und nationale Vorschriften, die Bauunternehmen zu umfassender Steuerungsanpassung zwingen.
  • Energieeffizienz, CO₂-Kosten und Produktdaten werden entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit und Finanzierung.
  • Punktuelle Umsetzung reicht nicht – integrierte Datenmodelle und klare Governance sind Pflicht.

2026 und 2027 markieren für die Bau- und Immobilienwirtschaft einen strukturellen Einschnitt: Bis 2026 treten mehrere europäische und nationale Vorschriften in Kraft, die direkte operative Pflichten für Projekte, Portfolios, Lieferketten, Energieeinsatz und Finanzprozesse mit sich bringen. Für Bauunternehmen bedeutet das nicht einfach „mehr Reporting“.  Ein grundlegender Umbau ihrer Steuerungslogik ist erforderlich: Energieeffizienz, CO₂-Kosten, Taxonomie-Fähigkeit und Produktdatenqualität werden zu zentralen Steuerungsgrößen, die über Wettbewerbsfähigkeit, Finanzierungskonditionen und Zuschlagschancen mitentscheiden.

Zwar diskutiert die Europäische Union (EU) auch über Entlastungen und Vereinfachungen in der Nachhaltigkeitsregulierung, doch die wesentlichen Meilensteine bleiben bestehen. Wer auf Sicht fährt und nur Einzelanforderungen abarbeitet, riskiert ab 2026 sowohl Compliance-Lücken als auch eine Steuerung, die an den neuen ökonomischen Realitäten vorbeigeht.

Regulatorik 2026 im Überblick – diese Bereiche sind besonders betroffen

Im Bereich Gebäude und Wärme rückt die Energy Performance of Buildings Directive die energetische Performance des Gebäudebestands in den Mittelpunkt. Bis Ende 2025 liegen nationale Renovierungspläne vor, bis Mai 2026 erfolgt die Umsetzung ins nationale Recht. Damit gewinnen aufwändige Sanierungen, vor allem bei älteren Gebäuden oder Gebäuden mit schlechtem energetischem Zustand, an strategischer Bedeutung. Das Wärmeplanungsgesetz und seine Verknüpfung mit dem Gebäudeenergiegesetz führen dazu, dass Kommunen bis 2026 (in großen Städten) beziehungsweise 2028 Wärmepläne vorlegen müssen. Außerdem greift die Pflicht, in großen Städten neue Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie zu betreiben.

Bei Produkten, Materialien und Lieferketten verschiebt sich der Fokus von einfachen Stücklisten hin zu verlässlichen Umwelt- und Herkunftsdaten. Ab 2026 wirken sich durch den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) die CO₂-Emissionen von Materialien wie Zement, Stahl und Aluminium auf die Kosten aus. Die neue Bauprodukte-Verordnung sowie die geplante Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte und digitale Produktpässe verpflichten Unternehmen künftig zu standardisierten Produktinformationen – darunter Angaben zu Recyclinganteilen, Umweltdeklarationen und CO₂-Werten. Zusätzlich erhöhen die neue Abfallverbringungsverordnung und die Verpackungsverordnung den Druck, Bau- und Verpackungsabfälle sowie Wiederverwendungsquoten systematisch zu erfassen und zu steuern.

Der Bereich Energie sowie CO₂-Preis und -Kosten wird durch den steigenden CO₂-Preis nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geprägt. Ab 2026 liegt der Preis voraussichtlich zwischen 55 und 65 Euro pro Tonne CO₂. Dadurch werden Brennstoffmix, Energieverbrauch auf Baustellen und Bau-Logistik zu erheblichen Kostentreibern, die sich nur mit datenbasierten Szenarien sinnvoll steuern lassen.

Im Bereich Reporting und Finanzen steigen die Anforderungen an Transparenz und Standardisierung. Ab dem Geschäftsjahr 2025 gilt für viele große Unternehmen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ESRS-Berichtspflichten und EU-Taxonomie über alle sechs Umweltziele. Parallel wird die E-Rechnung zum Standard im B2B-Verkehr.

>>> CO₂-Reduktion in der Baubranche – im Video geben wir Einblicke in die Praxis: KPMG-Dekarbonisierungsexperte Keywan Ghane und Henric Meinhardt, Mitgründer und CEO von comstruct, erläutern, wie präzise Emissionsdaten im Gebäudesektor entstehen, CO₂-Reduktion ermöglichen und als modellhafte Lösung für andere Branchen dienen können. <<<

Weitere Videos zum Thema finden Sie hier.

Branchentypisch: Gewachsene Insellösungen statt Überblick mit klaren Kennzahlen und Verantwortlichkeiten

Viele Bauunternehmen arbeiten derzeit mit historisch gewachsenen Systemlandschaften: getrennte Lösungen für Enterprise Resource Planning (ERP), Projektcontrolling, Facility-Management-Systemen und Programmen zur Erfassung Energiedaten. Ein Problem dabei: All diese Programme basieren meist auf unterschiedlichen Stammdatenlogiken. So lassen sich Energie-, Emissions-, Produkt-, Taxonomie- und Compliance-Kennzahlen zwar projektweise erzeugen und erfassen, aber nicht über Portfolios und Zeiträume hinweg auswerten. Hinzu kommt, dass Produkt- und Materialdaten häufig nicht den Detailgrad aufweisen, den die verschiedenen Vorschriften verlangen. Viele wichtige Daten werden sogar in PDF- oder Excel-Dateien von Lieferanten erfasst.

Organisatorisch bleibt die Verantwortung für regulatorische KPIs oft zwischen Nachhaltigkeit, Technik, Einkauf, Controlling und IT hängen. Jede neue Vorgabe wird als Einzelprojekt umgesetzt, ohne Zielbild und ohne klare Prioritäten zu setzen. Diese Scheibchentaktik erzeugt Insellösungen, die weder skalierbar noch revisionssicher sind.

Fünf Schritte, um Ihre Reporting- und Steuerungsinstrumente fit zu machen

  • Erstens sollten Unternehmen eine konsolidierte regulatorische Roadmap im Project Management Office verankern. Alle relevanten Regelwerke werden mit Zeitachsen, Wirkungsketten und Verantwortlichkeiten abgebildet und konsequent mit Projekt- und Investitionsentscheidungen verknüpft.
  • Zweitens sollte ein zukunftsfähiges Daten- und KPI-Modell definiert werden. Notwendige Datenfelder für Gebäude, Portfolios, Materialien, Lieferanten, Energie, Emissionen und Finanzen werden präzise beschrieben und einheitlich in Stammdaten, Projektstrukturen und Berichtswesen verankert.
  • Drittens sollten Unternehmen ihre Systemlandschaft gezielt erweitern, statt einen großen Umbruch zu planen. ERP-, Projekt- und Business-Intelligence-Systeme können punktuell um Funktionalitäten und Schnittstellen zu technischen und betrieblichen Systemen ergänzt werden, um eine durchgängige Datenkette von der Baustelle bis ins Management-Reporting zu schaffen.
  • Viertens sollte eine klare Governance geschaffen werden. Rollen für regulatorische Daten und Kennzahlen (beispielsweise Data Owner je Domäne) sowie interdisziplinäre Steuerungsgremien aus Bau/Technik, Einkauf, Controlling, Nachhaltigkeit und IT sorgen dafür, dass Datenerfassung, Qualitätssicherung und Freigaben standardisiert erfolgen und dauerhaft belastbare KPIs entstehen.
  • Fünftens sollten Unternehmen gezielt Leuchtturmprojekte und Portfolio-Piloten nutzen. An ausgewählten Bau- oder Sanierungsvorhaben werden integrierte Dashboards aufgebaut, Szenarien gerechnet und Erkenntnisse dokumentiert, um die Ansätze anschließend kontrolliert auf weitere Standorte und Geschäftsbereiche zu skalieren.

So wird die veränderte Regulatorik im Jahr 2026 und darüber hinaus von einer reinen Berichtspflicht zu einer Chance, die eigene Steuerung konsequent auf Zukunftsfähigkeit, Kostenresilienz und bessere Finanzierungsfähigkeit auszurichten.

Mitarbeit: Marc Wahlen