Jury mit verschiedenen Notenzeichen auf braunem Hintergrund, Nahaufnahme

China führt Social-Credit-System für Firmen ein: Was dazu wichtig ist

Alles wird bewertet. Die Politik gibt vor, was Chancengleichheit schaffen könnte.

Bereits 2014 hat die chinesische Regierung Pläne veröffentlicht, ein datenbasiertes Corporate-Social-Credit-System (CSCS) einzuführen. Darin werden Unternehmen anhand einer Vielzahl an Ratings wie etwa der Kreditwürdigkeit und der Einhaltung verschiedener Compliance-Regularien bewertet. Ein im November 2022 vorgestellter Entwurf vermittelt nun ein genaueres Bild des CSCS. So gilt beispielsweise seit Januar 2023 eine Liste mit Disziplinarmaßnahmen für Unternehmen mit niedrigen Ratings. In den kommenden Monaten sind weitere Gesetze und Regelungen zu Chinas Ratingsystem zu erwarten.

Warum hat China das CSCS eingeführt?

Klar ist, dass das CSCS einen erheblichen Einfluss auf jedes globale Unternehmen haben wird, das bereits auf dem chinesischen Markt aktiv ist oder plant, diesen Markt zu erschließen. Die Regelung soll Anreize für Unternehmen schaffen, die sich an die chinesischen Gesetze halten und Unternehmen bestrafen, die sich nicht daran halten. Ein positives Rating bringt Vorteile wie etwa beschleunigte Genehmigungsverfahren oder einen leichteren Zugang zu Krediten. Negative Ratings können Disziplinarmaßnahmen nach sich ziehen – zum Beispiel kann ein Unternehmen unter Aufsicht gestellt, der Zugang zu Finanzmitteln erschwert oder die Teilnahme an Ausschreibungen beschränkt werden.

Die wichtigsten Treiber bei der Entwicklung des Ratingsystems sind die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission und die People’s Bank of China. Insgesamt sind mehr als 40 Behörden und Organisationen an der regulatorischen Entwicklung des CSCS beteiligt. Dies zeigt, wie komplex das CSCS angelegt und wie wichtig für Unternehmen die Koordination und Kommunikation mit Behörden und Organisationen ist.

Jeder Unternehmensbereich ist vom CSCS betroffen

Basierend auf den bereits vorliegenden Informationen muss jedes Unternehmen in China, unabhängig von Größe und Eigentümerstruktur, davon ausgehen, dass jede Aktivität auf dem chinesischen Markt in irgendeiner Form durch die Mechanismen des CSCS verfolgt und bewertet wird – entweder über ein Skalenrating oder über die Compliance Records. Die bestehenden Ratings umfassen alle Aspekte der Geschäftstätigkeit und reichen von Steuern, Zollauthentifizierung und Umweltschutz über Produktqualität und Arbeitssicherheit bis hin zu E-Commerce und Cybersicherheit. Zu den erfassten Daten gehören unter anderem Informationen aus behördlichen Hinweisgebersystemen (sogenannte. Whistleblower-Systeme), freiwilligen Unternehmensinformationen, Steuerbescheiden, Gewerbeanmeldungen und -Zulassungen, Gerichtsurteilen und weiteren Informationen, die Behörden im Rahmen ihrer Tätigkeiten über Unternehmen sammeln.

Rating erfolgt in drei Schritten

Jedes einzelne Rating wird in einem Dreischritt durchgeführt.

  • Im ersten Schritt definieren die zuständigen staatlichen Behörden die Voraussetzungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um ein positives Rating zu erhalten und einen Eintrag aufgrund der Nicht-Einhaltung von Compliance-Vorgaben zu vermeiden.
  • Im zweiten Schritt werden die chinesischen Behörden mit Hilfe neuer Technologien, insbesondere Big Data, die relevanten Informationen sammeln, indem bestehende Off- und Online-Datenbanken analysiert werden und Informationen aus verschiedenen öffentlichen Quellen, wie zum Beispiel Daten zu individuellen Verhalten und Meinungen, Transaktionen und behördlichen Aufzeichnungen verwendet werden.
  • Im letzten Schritt werden diese Daten verarbeitet und bewertet, wobei eine positive Bewertung Vergünstigungen und eine negative Bewertung Sanktionsmaßnahmen oder signifikante Nachteile im Markt zur Folge haben wird.

Nicht nur die eigenen Unternehmensaktivitäten beeinflussen das Rating

Neben den eigenen Unternehmensaktivitäten gibt es zudem externe Einflüsse, die das Unternehmensrating negativ beeinflussen können. In einigen aktuellen Fällen wurden Unternehmen über das Risiko einer drohenden Herabstufung eines Ratings informiert, wenn Aktivitäten eines negativ bewerteten Geschäftspartners nicht genau überwacht werden.

Darüber hinaus existiert eine mögliche Wechselwirkung zwischen dem Rating eines Einzelnen und dem CSCS-Rating für Unternehmen. Wird ein Unternehmen von einer Person geführt, die zum Beispiel im Steuerrating negativ bewertet wird, kann dies zur Folge haben, dass auch das Unternehmen diesbezüglich eine Herabstufung erfährt.

Was können Unternehmen tun?

Eine Umfrage der Deutschen Außenhandelskammer und KPMG zeigt, dass 71 Prozent der deutschen Firmen in China CSCS-Plattformen nutzen, um Informationen über potenzielle Geschäftspartner zu erhalten. Außerdem werden die Plattformen genutzt, um zu überprüfen, welche Informationen über das eigene Unternehmen enthalten sind, ob diese korrekt sind und ob das Unternehmen auf roten oder schwarzen Listen geführt wird. Die Umfrage zeigt auch, dass 73 Prozent der teilnehmenden Unternehmen keine negativen Einträge auf einer der CSCS-Informationsplattformen haben. Sieben Prozent gaben an, negative Einträge zu haben. Und immerhin 20 Prozent sind sich nicht bewusst, dass sie möglicherweise einen negativen Eintrag haben könnten.

Die CSCS-Plattformen sind öffentlich zugänglich und sollten regelmäßig von Unternehmen überprüft werden. Viele Unternehmen haben dafür inzwischen Social-Credit-Manager:innen angestellt, die die wichtigsten Informationen stets im Blick behalten. In zahlreichen Unternehmen herrscht immer noch Unsicherheit darüber, wie man schlechte Ratings verhindern kann. Das hängt vor allem mit der Komplexität des CSCS und den vielen beteiligten Behörden zusammen.

Überwachungs- und Steuermechanismen implementieren

Unternehmen sollten daher mit einem strategischen Risiko-Management-System und einem Reputationsmanagement akute Risiken identifizieren und notwendigen Handlungsbedarf formulieren. So besteht die Chance, negative Ratings bereits vor einer Sanktionsmaßnahme aufzudecken. Das Unternehmen kann dann interne Prozesse und Strukturen an die Anforderungen des Corporate-Social-Credit-Systems anpassen, um künftig ein positives Rating zu bekommen.

Da sich das CSCS ständig weiterentwickelt und neue Regelungen in Kraft treten, ändern sich auch die Auswirkungen und die daraus resultierenden Herausforderungen für internationale Konzerne immer wieder. Daher ist es zwingend erforderlich, dass die betroffenen Unternehmen effektive Überwachungs- und Steuermechanismen implementieren, um auf diese schnell reagieren zu können.

Um ein negatives Rating und damit die Gefahr von Reputationsschäden zu verhindern, sollten nicht nur die eigenen Risiken im Blick behalten werden. Zu einer ganzheitlichen CSCS-Strategie gehört auch ein Lieferantenmanagement. Mit dem kann regelmäßig überprüft werden, ob Firmen, mit denen es eine Zusammenarbeit gibt, auf einer Negativliste geführt werden oder andere Risiken mit ihnen verbunden sind.

Austausch mit den Behörden suchen

Des Weiteren empfehle ich, dass Unternehmen einen direkten Austausch mit den zuständigen Behörden suchen, um mögliche Frage- und Problemstellungen hinsichtlich des Corporate-Social-Credit-Systems zu adressieren. Nicht nur die Unternehmen profitieren von diesem bilateralen Austausch, auch den chinesischen Behörden ist daran gelegen, korrekte Unternehmensdaten zu erhalten, um ungerechtfertigte Herabstufungen zu vermeiden.

Mit dem CSCS hat die Volksrepublik China einen grundlegend neuen Ansatz bei der Regulierung von Marktteilnehmern implementiert. Dieser ist wesentlich weitreichender als die klassischen Parameter, die international für die Unternehmensbewertungen herangezogen werden. Sollte das Corporate-Social-Credit-System erfolgreich sein, hat es das Potenzial, auch von anderen Staaten übernommen zu werden.