Decoupling: Drachenmuster auf dem Körper einer chinesischen Cloisonné-Vase

Derisking statt Decoupling – ein neuer Ansatz gegenüber China?

Trumps China-Kurs könnte deutsches China-Geschäft stark gefährden.

Wie weiter mit China? Diese Frage stellt sich der deutschen Politik und Wirtschaft weiterhin, besonders nach der Wiederwahl Trumps, die geopolitische Spannungen weiter anheizen dürfte.  Der Druck auf deutsche Unternehmen, sich klar zu positionieren, könnte erheblich steigen. Trump dürfte von westlichen Verbündeten gemeinsame Maßnahmen gegen China fordern, darunter Sanktionen gegen Unternehmen, die weiterhin in China tätig sind oder chinesische Produkte nutzen. Besonders betroffen wären die in China stark engagierten Unternehmen der Chemie- und Automobilindustrie sowie deutsche Zulieferer, die in China an chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen liefern. Da diese chinesischen Endprodukte oft auch für den US-Markt bestimmt sind, könnte das aus China betriebene Drittmarktgeschäft deutscher Unternehmen massiv gefährdet werden.

Der Blick auf China hat sich seit Russlands Invasion in der Ukraine verändert. Dazu tragen die Hinwendung Chinas zu Russland, die anhaltende Taiwan-Problematik und Chinas steigende Militärausgaben bei. Hinzu kommt die nachhaltig angespannte wirtschaftliche Lage Chinas. Trotzdem ist China für die deutsche Wirtschaft als Wirtschaftspartner enorm wichtig. Es geht der deutschen Wirtschaft also mitnichten um ein Decoupling, sondern um ein kluges Derisking, oder eher noch nur um eine Diversifikation in weitere Regionen und Länder, ohne ein Runterfahren der chinesischen Investitionen.

Derisking statt Decoupling: Begriffswechsel ist „window-dressing“

Der Westen hat während der Biden-Administration versucht, mit der Ersetzung des Begriffs Decoupling durch Derisking in der angespannten geopolitischen Debatte ein Signal der Entspannung und Deeskalation an China zu senden – ohne aber den Druck auf China zu mindern, sich marktwirtschaftlich zu verhalten und nach den bestehenden Grundprinzipien und Regeln in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu handeln

Ich betrachte dies als Versuch, das Narrativ zu ändern, sodass China den Westen nicht weiter als Aggressor darstellen kann. Außerdem geht es darum. die Medienberichterstattung im Westen zu mäßigen, um nicht eine „self-fulfilling prophecy“ herbeizureden. Letztlich betreibt der neue Begriff aber lediglich „window-dressing“ – inhaltlich bedeutet Derisking dasselbe wie Decoupling.

Diversifikation statt Derisking: Das neue Motto der deutschen Wirtschaft

Es zeichnet sich derzeit jedoch ein bemerkenswerter Wandel ab. Die Debatte verlagert sich inzwischen auf das Konzept der Diversifikation. Dabei geht es weniger um den Rückzug aus bestehenden Engagements, sondern vielmehr um das Erschließen neuer Märkte und die Verbreiterung der regionalen Basis der unternehmerischen Aktivitäten. Ziel ist es, sogenannte Klumpenrisiken – also Abhängigkeiten von einzelnen sehr großen Märkten – zu mindern und dadurch die Resilienz zu stärken. Das neue Motto lautet „Diversifikation führt zum Derisking“.

Der Umgang mit China ist nachvollziehbar

Der Westen kann nicht tolerieren, dass China permanent die weltwirtschaftliche Grundordnung untergräbt und nach eigenen Regeln spielt.

Zudem drängt China immer mehr in eine Führungsrolle als globale Weltmacht – definiert sich gleichzeitig in vielen internationalen Organisationen wie der WTO, dem IWF oder bei den Weltklimakonferenzen COP aber bis heute als „Entwicklungsland“, um sich so Privilegien im Handel bzw. beim Klimaschutz zu sichern. Dazu zählen beispielsweise längere Fristen bei der Umsetzung von Abkommen oder das Ansinnen, sich am Klimafonds nicht beteiligen zu müssen (sondern gar Anspruchsberechtigter zu sein). Auch an der Rüstungskontrolle nimmt China nicht teil.

Ebenso ist es legitim und vernünftig, dass die westlichen Industriestaaten ihre Wettbewerbsfähigkeit, ihre eigenen Marktstärken und USPs schützen und weiterentwickeln sowie hierfür Strategien entwickeln und umsetzen. China agiert nicht anders.

Ein Rückzug aus China ist aber keine Option

Grundsätzlich gilt weiterhin: Der Begriff „Decoupling“ führt in die Irre. Die westlichen Industriestaaten streben definitiv keine Entkopplung von China an. Eine solche Abschottung wäre mit deutlich höheren Kosten und unter dem Strich mit enormen Wohlstandsverlusten verbunden. Es existieren keine anderen Märkte, die das Geschäft bei einem Ausstieg aus China auch nur annähernd kompensieren könnten. Die Volksrepublik ist schlicht zu groß, um dort nicht aktiv zu sein. Und nur wer vor Ort ist, kann an den dynamischen technischen Innovationen in China (z.B. digitale Geschäftsmodelle, KI, Massendatenanalysen usw.) teilhaben.

Das wirtschaftliche Umfeld und die Stimmung deutscher Unternehmen in China hat sich jedoch erneut deutlich verschlechtert, wie der Business Confidence Survey 2024/25 der deutschen Außenhandelskammer in China und auch der Business Confidence Survey 2024 der EU-Handelskammer in China deutlich zeigen.

Debatte über Investitionsverbote

Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Politik im Westen den Handlungsspielraum der Wirtschaft zunehmend einschränkt. In der EU-Kommission wird über staatliche Kontrollen und gegebenenfalls Verbote von Investitionen europäischer Unternehmen in China diskutiert – für solche Beschränkungen existiert bisher keine gesetzliche Grundlage. Die US-Regierung arbeitet bereits an einem Gesetz, das staatliche Eingriffe in Auslandsinvestitionen möglich macht. Dies sind aus meiner Sicht irritierende Schritte, die sich ausschließlich auf die Vermeidung von Risiken fokussieren.

Die Politik thematisiert Kooperationsaspekte unzureichend

Auch die China-Strategie der Bundesregierung ist in dieser Hinsicht einseitig – es fehlen Kooperationsaspekte und ein Blick auf die Chancen der Zusammenarbeit. Zudem sollte Deutschland die eigenen Wirtschaftsinteressen deutlich aktiver vertreten, so wie das jedes Land macht. Außenpolitik darf nicht ausschließlich dogmatisch agieren und „nur“ Werte thematisieren, sondern muss auch immer interessengeleitet sein.

Hinzu kommt: Deutschland und die EU brauchen neben einer vernünftigen China-Strategie eine umfassende Asien- und ganz sicher auch eine US-Strategie. Die USA verfolgen ebenfalls Eigeninteressen, die teilweise von denen der EU und Deutschlands abweichen. Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump verfolgt eine protektionistische Strategie und fordert hohe Importzölle: 10 bis 20 Prozent auf alle Waren und bis zu 60 Prozent auf Importe aus China. Lesen Sie hier die Einordnung der folgenreichen Wirtschaftspläne von Donald Trump.

Wie positioniert sich Europa zwischen den USA und China?

Die Herausforderung ist groß: Die Europäer sind gefordert, einen Weg zu finden, sich aus der bipolaren Logik zu befreien, wonach sie sich zwischen dem US-amerikanischen und dem chinesischen Wirtschaftsbereich entscheiden müssten. Da ist die strukturelle Verschiebung im Denken der hiesigen Politik und Wirtschaft – ein deutlich größeres Interesse an Asien als Region statt nur an China – ein wichtiger und richtiger Ansatz, den man auch in den asiatischen Ländern wahrnimmt.

Europa sollte angesichts seiner Größe und wirtschaftlichen Stärke selbstbewusst genug sein, eine gewisse Äquidistanz zu wahren, und eine gestaltende Rolle für neue supranationale Strukturen einnehmen, etwa durch Handelsabkommen mit Indien, Südkorea, ASEAN oder Mercosur. Eine stärkere Diversifizierung, aber keine Abkopplung, sowie eine stärkere EU-Integration – das ist der richtige Weg.