Bedarfe ermitteln, Ausschreibungen und Verhandlungen durchführen, Verträge aufsetzen, Bestellungen abwickeln: So sieht bisher der Arbeitsalltag der Einkaufsorganisationen in vielen Unternehmen aus. Es ist bekannt, was benötigt wird. Der Einkauf beschafft es dementsprechend und hat den Bestand gut im Griff. Alles geht seinen gewohnten Gang.
Doch der gewohnte Gang bedarf einer Generalüberholung: Immer mehr Unternehmen sind auf digitale Produkte und Dienstleistungen angewiesen, um neue Geschäftsmodelle, Abläufe und Herstellungsverfahren zu ermöglichen. Seien es Apps, Software-Bots, Cloud-Dienste, KI- Anwendungen oder auch 3D-Druck-Prototypen. Die Aufgabe des Einkaufs ist es, diese Produkte und Services zu beschaffen.
Doch das ist leichter gesagt als getan. In seinen etablierten Prozessen fehlt dem Einkauf unter anderem das technologische Wissen, um digitale Produkte und Service professionell einzukaufen und die Erfahrung, mit neuen Lieferanten wie Start-ups oder großen Technologiekonzernen umzugehen.
In vier Schritten zum Einkauf der Zukunft
Einkaufsorganisationen befinden sich gerade erst am Anfang eines Veränderungsprozesses und das Umdenken hat noch nicht flächendeckend stattgefunden. Das zeigen die Ergebnisse unserer Studie. Strategien, Prozesse und Strukturen sind aktuell auf die klassischen Warengruppen ausgerichtet und nicht auf digitale Produkte und Services zugeschnitten. Das verhindert einen optimalen Wertbeitrag und schwächt meiner Meinung nach die Position des Einkaufs als strategischer Wertschöpfungspartner im Unternehmen.
Um dem entgegenzusteuern, empfehle ich vier Schritte:
1. Präzise Anforderungen an den Einkauf benennen
Unsere Befragung zeigt, dass die etablierten, Prozesse für den volatilen und projekthaften Charakter digitaler Bedarfe teils ungeeignet sind oder sogar Innovation verhindern. Der Einkauf von digitalen Produkten und Services stellt neue Anforderungen an die zuständigen Abteilungen. In einem ersten Schritt gilt es also, diese präzise zu benennen und mit den Fachbereichen abzustimmen.
In diesem Zusammenhang sind beispielsweise sogenannte „Fast Tracks“ für dringende Bedarfe ein geeignetes Mittel. Sie verschlanken den Prozess, erhöhen die Durchlässigkeit für Innovation und decken gleichzeitig potentielle Risiken ab. Eine intensive Prüfung übergreifender Strategien – zum Beispiel etwaige Digitalisierungskonzepte – und eine detaillierte Auseinandersetzung mit Markttrends gehen hierbei sinnvollerweise Hand in Hand, um nicht nur die derzeitig zu beschaffenden Waren im Blick zu haben, sondern auch die zukünftigen Bedarfe bestmöglich zu antizipieren.
2. Warengruppenstrategie für digitale Produkte und Services definieren
Aktuell sind digitale Produkte und Services häufig Teil der Warengruppe „IT“ und werden daher nur stiefmütterlich behandelt. Der zweite Schritt besteht darin, ein Zielbild der zukünftigen Prozess- und Systemlandschaft zu skizzieren und eine explizit auf digitale Produkte und Services zugeschnittene Beschaffungs- und Warengruppenstrategie zu formulieren.
Hier gilt es, digitale Produkte und Services aus der Warengruppe „IT“ herauszulösen und als eigenständige Warengruppe zu behandeln. Hierbei spielen quantitative Messgrößen zur Bewertung des Einkaufserfolgs – zum Beispiel Kundenzufriedenheit und Innovation – eine zentrale Rolle.
3. Kompetenzprofil des Einkäufers überprüfen
Im dritten Schritt gilt es, das Qualifikations- und Kompetenzprofils der Einkäufer neu zu definieren. Denn für die Warengruppe „digitale Produkte und Services“ benötigen Einkäufer neue Kompetenzen. Dazu zählen Methoden für agiles Projekt- und Produktmanagement wie etwa Scrum oder Design Thinking und Know-how zu neuen Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz. Dieses fachliche und praktische Wissen auf- und auszubauen ist unumgänglich.
Hinzu kommt: Eine neue Generation von Lieferanten, die pragmatisch und lösungsorientiert handelt, erfordert spezielles Fingerspitzengefühl der Einkäufer. Aus diesem Grund müssen sich Einkäufer sehr gut auf Kommunikation und das Beziehungsmanagement verstehen, um sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Organisation ein strategisches Netzwerk aufbauen zu können.
4. Change-Management-Prozess etablieren
Um abschließend die strategischen Maßnahmen zu verankern und nachhaltig den Wertbeitrag des Einkaufs zu steigern, müssen bereichsübergreifende Formate zu Kommunikation geschaffen werden. Innovation Panels sind ein gutes Beispiel dafür.
Hier werden neue Ideen durch einen vierstufigen Prozess geleitet, so dass am Ende ein eindeutiger und einheitlicher Kenntnisstand aller Beteiligten gewährleistet ist und somit entschieden werden kann, ob die Idee weiterverfolgt wird.
Vorsprung durch neue Positionierung
Klar ist, dass der digitale Wandel Unternehmen zum Handeln zwingt, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Digitale Produkte und Services sind der Kern dieser Transformation. Der Einkauf hat durch eine Neuausrichtung die Möglichkeit sich als Innovations- und Werttreiber innerhalb des Unternehmens zu positionieren und darüber hinaus diesen Wandel konstruktiv mitzugestalten. Einkaufsorganisationen werden zum Differenzierungsmerkmal der Unternehmen und Kernbaustein langfristigen Erfolgs.
Weitere Möglichkeiten, um den Einkauf fit für digitale Waren zu machen, finden Sie in unserer Studie.