Keyfacts:
- Donald Trump zieht wieder ins Weiße Haus ein. Er ist mächtiger denn je. Das heißt: Das USA-Geschäft deutscher Unternehmen wird sich wahrscheinlich deutlich verändern.
- Neue Importzölle werden den deutschen Export voraussichtlich massiv verteuern. Geplante Steuersenkungen werten unterdessen den Produktionsstandort USA auf. US-Konzerne investieren künftig verstärkt im Heimatmarkt statt im Ausland.
- Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen, bei denen lediglich in die USA exportiert, aber nicht in den USA produziert wird, droht das Aus.
- Deutsche Direktinvestitionen in den USA haben zuletzt deutlich zugenommen. Nun könnten aber sogar Desinvestitionen sinnvoll werden.
Allen Skandalen und Gerichtsverfahren zum Trotz: Donald Trump zieht zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein. Am 5. November 2024 haben die US-Bürgerinnen und -Bürger den umstrittenen Republikaner nach einem kontrovers geführten Wahlkampf erneut zum Präsidenten gewählt.
Was bedeutet das für Unternehmen, die im deutsch-amerikanischen Wirtschaftskorridor tätig sind? Wir legen aktuelle Entwicklungen an beiden Standorten dar und zeigen potenziell schwerwiegende Konsequenzen eines radikalen „America first“-Ansatzes in Washington auf.
Europas Relevanz für die USA wird mit Donald Trump im Weißen Haus sinken
Vorab: Klar ist, dass das Vorantreiben der EU-Integration, das Stärken eigener militärischer Verteidigungsfähigkeiten und die Steigerung der ökonomischen Resilienz in Deutschland priorisiert werden sollte. Denn Trumps Credo ist und bleibt: Das nationale Interesse – beziehungsweise das, was Trump für nationales Interesse hält – ist die Basis allen politischen Handelns. Er sieht sich als „Deal Maker“, nicht als wertebasierter Vordenker. Dabei stimmt er sich erfahrungsgemäß ungern mit weiteren Parteien ab, sondern versucht „Deals“ bilateral im direkten Kontakt abzuschließen.
Das hat erhebliche Auswirkungen auf die (bisherigen) Bündnispartner der USA. Trump wird – wie in seiner ersten Amtszeit – auf Distanz zu EU und NATO gehen. Seinen Wahlkampfreden zufolge droht womöglich sogar eine Abwendung von beiden internationalen Staatengemeinschaften. Er attackierte nicht nur in bekannt ruppiger Manier China und Mexiko, sondern auch Frankreich und Deutschland.
Europas Relevanz wird im Weißen Haus daher sinken, denn Trumps Agenda fußt im Gegensatz zur Agenda der Biden-Administration deutlich weniger auf gemeinsamer transatlantisch verbindender Haltung und Historie. Stattdessen lotet er Opportunitätsszenarien aus.
🎙️ Jetzt anhören: Podcast nach der US-Wahl: Trump 2.0 – Worauf sich die deutsche Wirtschaft und Politik jetzt einstellen sollten
Das prägt die aktuelle Lage deutscher Geschäftsaktivitäten in den USA
Der Inflation Reduction Act (IRA), ein umfangreiches Bundesgesetz und Maßnahmenpaket der Biden-Administration zur Förderung klimafreundlicher Technologien in der US-Wirtschaft, war ausschlaggebend für den starken Anstieg deutscher Direktinvestitionen in den USA im Jahr 2023. 15,7 Milliarden Dollar investierten deutsche Unternehmen 2023 neu. 2022 waren es lediglich 8,2 Milliarden Dollar. Das geht aus Daten des Finanzdienstleisters fDi Markets hervor, eine Financial-Times-Tochter.
Die Zuversicht für die künftige Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in den USA war bis zuletzt groß. Studien belegten, dass sich ein „Strategic shift“ in der deutschen Wirtschaft vollzogen hat: Der Standort USA hat auf Kosten des Standorts China an Bedeutung gewonnen und wurde bei Neuinvestitionen stärker gewichtet. Im ersten Quartal 2024 haben die USA China als größten Handelspartner Deutschlands verdrängt. Ursächlich dafür sind aber auch steigende Gasimporte aus den USA.
Es gilt als überwiegend wahrscheinlich, dass der IRA unter Trump keinen Bestand haben wird. Im ungünstigsten Fall für die bereits investierten deutschen Unternehmen erfolgt sogar eine Rückabwicklung. Zugesagte und fest eingeplante Förderungen entfallen dann. Trump setzt stattdessen auf eine breitgefächerte Renaissance fossiler Energieträger, von Kohle über Erdgas und Liquefied Natural Gas (LNG) bis zu Öl. Sein Motto: „Drill, baby, drill.“ Das sind alles keine guten Nachrichten für Umwelt und Klima.
Das prägt die aktuelle Lage amerikanischer Geschäftsaktivitäten in Deutschland
Deutschland ist derzeit in der Breite kein priorisierter Investitionsstandort für US-Konzerne. Dies belegte auch unsere jüngste Umfrage unter 100 in Deutschland aktiven großen US-Konzernen. Bei strategischen Entscheidungen im Deutschlandgeschäft geht es für amerikanische Unternehmen derzeit meist um De-Investitionen oder Restrukturierungen, etwa das Verschlanken der Strukturen oder das Verringern der Anzahl rechtlicher Einheiten.
Gleichzeitig kommt es aber zu „Greenfield“-Investitionen – also Neuinvestitionen in Produktionsstandorte „auf der grünen Wiese“ – US-amerikanischer Konzerne in Deutschland in Milliardenhöhe. Was auf den ersten Blick angesichts des rückläufigen Interesses am Standort widersprüchlich scheint, erklärt sich bei genauerer Analyse: Die Greenfield-Investitionen werden in Branchen und Geschäftsfeldern getätigt, in denen tiefgreifende Transformationsprozesse stattfinden und die somit Treiber für überdurchschnittliches und zugleich profitables Wachstum aufweisen.
Hierunter fallen beispielsweise Investitionen in die Pharmaindustrie mit dem Fokus auf Megatrends wie Alterung der Gesellschaft und Adipositas sowie Investitionen in Datencenter, die in Zeiten bahnbrechender Fortschritte bei künstlicher Intelligenz für die Prozessverarbeitung notwendig sind. Grundsätzlich wird erwartet, dass US-Konzerne nach der Wahl Trumps im großen Stil im eigenen Land investieren werden, insbesondere in die Förderung fossiler Energieträger. Dafür wurde in den USA zuletzt viel Kapital geparkt.
Was prägt Trumps Agenda für die zweite Amtszeit? Die wichtigsten Aspekte im kompakten Überblick:
➡️ Handel
Trump setzt auf Protektionismus. Er plädiert für neue massive Importzölle: zehn bis 20 Prozent auf alle Güter – und sogar 60 Prozent auf alle Güter aus China. Für den Fall, dass andere Staaten auf derartige Handelsbarrieren mit Vergeltungszöllen reagieren, behält sich Trump jüngsten Meinungsäußerungen zufolge Erhöhungen von bis zu 500 Prozent vor – oder sogar eines beliebig hohen Satzes.
Ein Grund für die Vorgehensweise sind die weiterhin bestehenden hohen Handelsbilanzdefizite für importierte Güter der USA aus China und Europa (s. Grafik unten). Neue Zölle könnten laut Analysteneinschätzungen für Deutschland zu (weiteren) Wirtschaftsrückgängen von 1 bis rund 1,5 Prozent führen. Diese potenziellen Rückgänge sind in Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung bislang nicht eingepreist. Bei deren Berücksichtigung scheint eine Rezession in Deutschland unausweichlich.
➡️ Steuern
Die Körperschaftsteuersätze sind in den USA im internationalen Vergleich bereits auf einem sehr niedrigen Niveau. Trump plant nun zusätzliche Steuersenkungen „across the board“, bei Betrieben, Privatpersonen und Kapitalanlagegesellschaften. Unternehmen, die in den USA produzieren, will er mit einer Steuersatzsenkung auf 15 Prozent belohnen. Ziel ist die Stärkung der nationalen Fertigungsindustrie. In seiner ersten Amtszeit als US-Präsident hatte Trump den Spitzensteuersatz für Unternehmen bereits von 35 auf 21 Prozent gesenkt.
➡️ Infrastruktur
Trump konnte seine Pläne für Infrastrukturinvestitionen während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident nicht durchsetzen. Für eine zweite Amtszeit hielt er sich zu diesem Thema bedeckt. Erwartet wird, dass er den inhaltlichen Kurs der Biden-Harris-Administration erheblich verändern wird: Die mit Steuergeldern geförderte nachhaltige Transformation wird sich aller Voraussicht nach verlangsamen. „Grüne“ Projekte dürften künftig nicht mehr steuerlich begünstigt werden, Erdöl- und Erdgas-Förderprojekte hingegen wieder.
➡️ Geopolitik
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird von Trump häufig thematisiert. Es besteht die Möglichkeit, dass die USA die finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine unter Trump drosseln oder ganz einstellen. Die Folge dieser einschneidenden Entscheidung wäre, dass die Sicherheitslage in Europa deutlich angespannter wird. Die EU stünde vor der Frage, inwieweit sie die große Lücke, die die USA hinterlassen, schließen kann und will. Dies wird besonders Deutschland unter Druck setzen, das nach den USA der größte Geldgeber der Ukraine ist:
➡️ Migration & Arbeitsmarkt
Trump gerierte sich im Wahlkampf als Hardliner beim Thema Migration. Er will die seiner Ansicht nach ungezügelte Einwanderung, größtenteils aus Lateinamerika, stoppen und kündigt massenhafte Rückführungen („Mass deportations“) illegaler Einwanderer an. Die rigide Einwanderungspolitik würde bedeuten, dass der Arbeitskräftemangel in den USA zunimmt. Die Verschärfung am Arbeitsmarkt käme wiederum zu einem Zeitpunkt, an dem Unternehmen – darunter viele deutsche – die Verfügbarkeit von qualifizierten Beschäftigten bereits als größte Herausforderung erachten.
- Detail-Informationen zum Thema US Immigration: Wie sich die Wahl in den USA auf US Immigration auswirken könnte | KPMG Law Insights
Trump unberechenbar: Konsequenzen für deutsche Unternehmen
Anders als die große Mehrzahl von Staatenlenkerinnen und Staatenlenkern betont Trump nicht, dass er verlässlich ist. Im Gegenteil: Immer wieder klingt bei seinen Reden durch, dass er sich bestehenden Koalitionen und Vereinbarungen nicht verpflichtet fühlt. Er gilt als unberechenbar, weswegen etliche Beobachter im Hinblick auf die zweite Amtszeit „expect the unexpected“ raten: „Erwarten Sie Unvorhersehbares.”
Er selbst hält Unberechenbarkeit für einen Trumpf im Duell mit politischen und wirtschaftlichen Kontrahenten – und zu dieser Gruppe gehören potenziell diverse Stakeholder, von innerparteilichen Gegnern über CEOs und Staatenlenker bis zu ausländischen Investoren.
Es sollte auch bedacht werden, dass Trumps zweite auch seine finale Amtszeit sein wird. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Auf Umfrageergebnisse wird Trump daher keine Rücksicht mehr nehmen müssen. Er betonte bereits, dass er auf eine zweite Amtszeit perfekt vorbereitet sei und mit der Umsetzung seiner Vorhaben direkt starten könne. Das heißt womöglich: Er wird (noch) radikaler.
Wird deutschen Geschäftsmodellen in den USA kurzfristig die Grundlage entzogen?
Das kann für Unternehmen wiederum bedeuten, dass beispielsweise Geschäftsmodellen, bei denen lediglich in die USA exportiert und nicht in den USA produziert wird, sehr kurzfristig die Grundlage entzogen werden könnte. Unternehmen, die noch nicht in den USA oder einem der Mitgliedsländer des USMCA-Freihandelsabkommens – also in Mexiko oder Kanada – Produktionsstätten unterhalten, sollten dies jetzt konkret planen. Auch eine weitere Regionalisierung der gesamten Wertschöpfungskette global tätiger Unternehmen sollte vorbereitet werden, da einem fortgesetzten Derisking- beziehungsweise Decoupling-Ansatz der USA von China zu rechnen ist.
Unternehmen sollten jetzt außerdem genau beobachten, welche Steuerprojekte tatsächlich umgesetzt werden. Falls Trump, wie angekündigt, Regelungen des Inflation Reduction Acts von Joe Biden rückabwickeln sollte, könnten gegebenenfalls sogar De-Investitionen in den USA ratsam sein. Fest steht: Die Gemengelage in den kommenden Monaten bleibt komplex – und die kommenden Einschnitte könnten drastisch werden.
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