Die Flaggen von China und Deutschland wehen vor einem Bürogebäude.

Deutsch-chinesischer Außenhandel bleibt in Schieflage

Wo sollte die Politik angesichts der dramatischen Entwicklung jetzt ansetzen?

Deutschlands Außenhandel mit China ist seit 2021 aus der Balance geraten. Jetzt gibt es neue Zahlen für 2023. Zeit für Entwarnung? Nein.

Der Wert deutscher Einfuhren aus China sank 2023 dem Statistischen Bundesamt zufolge stark, aber auch der Wert deutscher Exporte nach China sank; indes nur leicht. Das deutsche Außenhandelsdefizit hat sich demnach von seinem Allzeithoch in 2022 in Höhe von 85,1 Milliarden auf jetzt 59,8 Milliarden Euro verringert.

Von 2020 auf 2021 hatte sich das Defizit von circa 20 auf knapp 40 Milliarden Euro nahezu verdoppelt, von 2020 auf 2022 sogar vervierfacht. Zwar war im Jahr 2023 eine rückläufige Entwicklung zu beobachten, jedoch befindet sich das Defizit nach wie vor auf außergewöhnlich hohem Niveau. Ist das eine besorgniserregende langfristige Entwicklung, die die deutsche Wirtschaft wachrütteln und die deutsche Politik zum Handeln bringen sollte?

Größeres Handelsbilanzdefizit von Corona getrieben?

Vorab: Dass die Differenz zwischen dem Wert der chinesischen Exporte nach Deutschland und dem Wert der deutschen Exporte nach China bereits 2021 deutlich gestiegen war, hielten Beobachterinnen und Beobachter zunächst für eine Spätfolge der Coronapandemie. Das seien vermutlich einmalige Effekte, hieß es. Mittlerweile steht fest: Es gibt in Deutschlands Handelsbilanz mit China einen grundsätzlichen Trend.

Das Jahr zuvor, 2020, war ein überraschend stabiles Jahr für Deutschlands Exporte nach China: Während die Produktion in Deutschland aufgrund der Lockdowns um circa 10 Prozent einbrach, nahm die Produktion in China aufgrund des dort praktizierten „Closed-Loop-Systems“ auch noch während der Zero-Covid-Zeit zu.

Daher hatte China anders als andere Länder 2020 auch noch Bedarf an Importen aus Deutschland. Wenngleich Deutschlands Exporte 2020 insgesamt um circa 9 Prozent sanken, blieben sie nach China stabil.

Wert der deutschen Importe aus und Exporte nach China von 2010 bis 2023 (in Milliarden Euro)

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024

Rückläufige Exporte nach China als neuer Trend

Wie die Statistik zeigt, war der deutsche Handel mit China von 1991 bis 2019 zumindest grob im Gleichgewicht. Es zeigt sich ebenfalls, dass der Wert jährlicher deutscher Exporte von 2010 (53,8 Milliarden Euro) bis 2022 (106,8 Milliarden Euro) um 100 Prozent gesteigert werden konnte. Im Jahr 2023 verzeichneten Deutschlands Exporte nun zum ersten Mal seit dem Beginn der Erhebungen einen Rückgang um gut 10 Milliarden Euro. Auch der Anteil Chinas an den deutschen Gesamtausfuhren sank weiter.

Die Ursachen für diesen Einbruch sind vielfältig. Einerseits haben deutsche Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten in China weitestgehend lokalisiert, d.h. produzieren in China für China. Andererseits fokussiert sich China zunehmend auf den lokalen Markt und ersetzt Importe durch eigene Produktion chinesischer Unternehmen.

Dies gelingt, da chinesische Unternehmen mittlerweile dazu in der Lage sind höherwertige und technisch komplexere Produkte selbst herzustellen und somit vielfach nicht mehr auf teurere Importe angewiesen sind. Aber auch die stark gesunkene lokale Nachfrage aufgrund der anhaltenden Wirtschaftsschwäche Chinas – insbesondere verursacht durch die massive Immobilienkrise – verstärkt diesen Trend.

Insofern ist davon auszugehen, dass sich das Exportvolumen von Deutschland nach China nachhaltig weiter verringern dürfte.

Seit 10 Jahren erstmals abnehmende Importe aus China

Die Importe aus China nach Deutschland verzeichneten von 2010 bis 2020 ähnlich stetige Zuwächse. Mit der Pandemie schnellten die Zahlen dann allerdings nach oben: 117 Milliarden Euro waren es noch im Jahr 2020, 192 Milliarden Euro im Jahr 2022. 2023 gab es jedoch auch bei den Importen aus China einen deutlichen Rückgang um fast 20 Prozent.

Diese Entwicklung ist insbesondere auf stark sinkende Preise für Einfuhren aus China zurückzuführen. Ursächlich hierfür dürften subventionierte Verkaufspreise sein, um so die bestehenden Überkapazitäten Chinas im Ausland zu vertreiben. Seit längerer Zeit bekannt ist dies bspw. bei Photovoltaikanlagen. Die gleiche Entwicklung wird sich bei Elektroautos einstellen.

Zudem ändern deutsche Unternehmen zunehmend ihre Strategie auf dem chinesischen Markt. Sie versuchen laut der bundeseigenen Standortmarketing-Agentur Germany Trade and Invest ihre Abhängigkeit von chinesischen Zulieferern zu reduzieren.

Außenhandelsbilanz Deutschlands mit China nachhaltig in Schieflage

Bei Aufrechnung der Exporte Deutschlands nach China mit den Importen aus China nach Deutschland ergibt sich das in der nachfolgenden Tabelle dargestellte Bild. Erkennbar ist, dass Deutschland noch nie Exportüberschüsse mit China erwirtschaften konnte und sich das Defizit zu Lasten Deutschlands seit vier Jahren oberhalb bzw. deutlich oberhalb von 20 Milliarden Euro bewegt. Dies ist sehr ungewöhnlich, denn Deutschland weist insgesamt immer einen deutlichen Außenhandelsüberschuss aus – 2023 in Höhe von 224 Milliarden Euro.

Exportdefizite von mehr als 20 Milliarden Euro weist Deutschland nur gegenüber China (-59,8 Milliarden Euro) und bedingt durch Gasimporte gegenüber Norwegen (-21,4 Milliarden Euro) aus. Zum Vergleich: Mit den USA hat Deutschland 2023 63 Milliarden Euro Überschuss erzielt, mit Frankreich 50 Milliarden Euro und mit Großbritannien 42 Milliarden Euro. Chinas Rolle ist also einzigartig für Deutschland.

Saldo der Außenhandelsbilanz von Deutschland mit China (Differenz zwischen Exporten nach China und Importen aus China) von 1990 bis 2023 (in Milliarden Euro)

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024

Zusammenfassend dürften die folgenden drei Gründe das bedenkliche Gesamtbild der deutschen Handelsbilanz mit China maßgeblich beeinflussen:

  1. Die Lokalisierung deutscher Unternehmen in China hat deutlich zugenommen. Das heißt: Deutsche Unternehmen entkoppeln ihre Wertschöpfungsketten und produzieren in China für China (und Asien), anstatt von Deutschland aus nach China zu exportieren. Das führt dazu, dass künftig weniger in Deutschland hergestellt wird. Die Folgen für die Zahl der Beschäftigten und den Arbeitsmarkt in Deutschland sind bislang nur in Ansätzen erkennbar, sollten aber langfristig nicht unterschätzt werden.
  2. Die Binnennachfrage in China ist eingebrochen und es gibt Anzeichen einer länger andauernden Flaute. Daher versuchen chinesische Konzerne ihre Überkapazitäten zu exportieren. Bei dieser chinesischen Exportoffensive steht der europäische Absatzmarkt besonders im Fokus.
  3. Verstärkend kommt hinzu, dass die chinesische Wirtschaft mittlerweile in vielen Industrien marktbeherrschend ist. Chinesische Produkte weisen zudem ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis auf. China ist auch bei technischen Innovationen, etwa im Bereich der Elektrofahrzeuge, teils schon führend. Außerdem konnten sich manche chinesische Firmen Quasi-Monopolstellungen erarbeiten. Auf dem Weg zur Vormachtstellung wurden beispielsweise die Photovoltaikhersteller durch staatliche Subventionen unterstützt. Auch die Sicherung der Grundstoffe im eigenen Land ist ein bedeutender Faktor, um den Auf- und Ausbau nationaler Industriezweige zu garantieren.

Doch was tun, damit sich die Schere in der Handelsbilanz nicht noch weiter öffnet?

Die deutsche Politik ist gefordert

Helfen protektionistische Schritte der EU, wie sie aktuell beispielsweise hinsichtlich chinesischer Elektrofahrzeuge geprüft werden? Nein. Eine Abschottungstaktik ist nicht zielführend, denn sie führt zu Gegensanktionen, die gerade die deutsche Automobilindustrie in China treffen werden.

Stattdessen sollte die Stärkung der Innovationskraft und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und des deutschen Standorts in den Mittelpunkt rücken. Dies ist auch die Quintessenz der jüngst erneut durchgeführten Befragung der CFO der 350 größten deutschen Töchter internationaler Konzerne. Notwendig ist nun schnelles Handeln. Um eine Trendwende einzuläuten, braucht es einen breiten Konsens der Politik und der Wirtschaft zur Verbesserung der Wettbewerbsposition Deutschlands. Dazu gehören unter anderem:

  • Abbau bürokratischer Hürden,
  • Zügige Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung,
  • Beschleunigung der Planungsverfahren und der Fertigstellung von Großprojekten,
  • Rückschnitt der im internationalen Vergleich überbordenden Sozialabgaben und Steuern,
  • Ermöglichung von Technologieoffenheit und positive Grundhaltung gegenüber dem Einsatz künstlicher Intelligenz sowie
  • interessengeleitete statt primär „Werte“-getriebene Wirtschafts- und Außenpolitik.

Auch die öffentliche Debatte über eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ist nicht förderlich. Das diskutierte Modell würde nicht zu mehr Wohlstand führen, sondern nur zu weiter erodierender Wettbewerbsfähigkeit.

Klar ist: Die Zeichen für einen wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands, des ehemaligen Exportweltmeisters und der ökonomischen Lokomotive Europas, mehren sich. Deutschland ist im Krisenmodus. Klar ist indes auch: Der Abstieg ist nicht unausweichlich. Im Gegenteil. Gelingt es, an den richtigen Hebeln anzusetzen, ist ein Umschwung möglich – ein Umschwung, der längst nicht nur auf die Handelsbilanz mit China positive Effekte haben wird.

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