Energie und Photovoltaik: Ein Mann steht an einer Solaranlage und misst Stromerzeugung und Stromverbrauch.

So können Unternehmen ihr Energieportfolio diversifizieren

Marktanalyse und Überblick mit 7 essenziellen Fragen für erfolgreiche Energiestrategien.

Ökonomische und ökologische Aspekte miteinander verknüpfen, gleichzeitig das Wachstum ankurbeln sowie Resilienz und Wertschöpfung steigern: Das steht bei Unternehmen in Zeiten von ESG branchenübergreifend auf der Agenda. Der nachhaltige Wandel ist eine große Herausforderung – und eine große Chance. Ein besonderer Erfolgsfaktor: der künftige Energiemix.

Das Energiebeschaffungsportfolio zu diversifizieren, kann als Werthebel für die Wettbewerbsfähigkeit essenziell werden. Worauf kommt es bei Energiestrategie und Umsetzung jetzt an?

Energiebeschaffung: „Graustrom“ und „Grünwaschen“ nicht zukunftsträchtig

Klar ist: Die ausschließliche Beschaffung von sogenanntem Graustrom über Großhandelsmarktplätze und das anschließende „Grünwaschen“ mittels Herkunftsnachweisen (HKN) wird sukzessiv nicht mehr die zeitgleich wachsenden gesellschaftlichen und regulatorischen Ansprüche erfüllen.

Das gilt besonders für Unternehmen, die einerseits einen hohen Strombedarf haben und andererseits sehr präsent in der öffentlichen Wahrnehmung sind. In Zeiten von Energiekrisen und Verwerfungen an den Märkten stehen hier die Eigenerzeugung sowie Power Purchase Agreements (PPAs) mit direktem, nachweisbarem Bezug zur Anlage zunehmend im Mittelpunkt – auch aus rein wirtschaftlichen Gründen, denn auch der Preis für Herkunftsnachweise (HKNs) steigt weiter deutlich. Deshalb kann es sich lohnen, diese über ein PPA zu erhalten, statt sie für Graustrom am freien Markt zu beziehen. Das Verfahren ist ohnehin nicht mehr ein Garant für kompetitive Preise, wie die massiven Schwankungen an den Großhandelsplätzen in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gezeigt haben. Die Energiemarktrisiken und somit der Bedarf zur Diversifizierung und zum Aufbau eines resilienten Energiebeschaffungsportfolios ist weiterhin hoch.

Regulatorisch ist nicht zuletzt auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) folgenreich. Unternehmen werden künftig zu ESG-Reporting verpflichtet. Eine stringente, verantwortungsvolle Nachhaltigkeitsstrategie ist dabei ausschließlich mit dem Bezug von Börsenprodukten und HKNs schwer zu gestalten.

Preise für Herkunftsnachweise von Energie sind gestiegen

Wie bereits eingangs erwähnt, hat die Preisentwicklung von HKNs einen hohen Einfluss bei der Festlegung des passenden Energiemixes. Die jüngst gestiegenen HKN-Preise betreffen insbesondere den Bereich abseits der nordischen Wasserkraft. Außerdem erfüllt das „Grünwaschen“ mit HKNs teils auch nicht Standards, die Unternehmen mitunter im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsziele erfüllen möchten. Das wiederum betrifft beispielsweise Unternehmen, die sich der globalen Initiative „RE100“ (100% Renewable Energy) angeschlossen haben und perspektivisch ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen möchten.

Photovoltaik, PPAs, Energiespeicher: Die Diversifizierung läuft bereits

Das Resultat dieser Entwicklungen ist eine zunehmende Diversifizierung des Energiebeschaffungsportfolios großer und mittelständischer Unternehmen. Um das Energieportfolio „grüner“ zu gestalten sowie Preise abzusichern, wird vermehrt auf einen Mix aus diversen Assets und Lösungen zurückgegriffen. Das ist ein richtiger und wichtiger Ansatz, um Risiken zu minimieren. Von Bedeutung sind dabei aktuell neben der Eigenerzeugung – zumeist Photovoltaik – vor allem Grünstromlieferverträge (PPAs) mit Betreibern von Anlagen für erneuerbare Energien, vorzugsweise Offshore-Wind.

Energiemarkt im Fokus: Von Smart Grids bis zu Demand Side Management

Eine Rolle spielen auch Energiespeicher oder die intelligente Steuerung von Verbrauchern über Smart Grids – und nicht zuletzt das Demand Side Management hinter dem Zähler. Letzteres umschreibt die aktive Steuerung des Verbrauchs, um auf das Energiemarktverhalten zu reagieren: So können energieintensive Unternehmen den Verbrauch beispielsweise gezielt in von der Bundesnetzagentur genannte Schwachlastzeiten verlagern, um Netzentgelte für die Spitzenlast zu reduzieren.

Der Wandel bringt allerdings erhebliche Herausforderungen mit sich. Unternehmen sind mit gleich mehreren Problemstellungen konfrontiert:

  • PPAs sind in der Regel Individualverträge, die es mit jedem Anbieter auszuhandeln gilt. Neben allgemeinen Vertragsklauseln kann es zu Schwierigkeiten oder unplanmäßigen Entwicklungen bei Aspekten rund um Preise, Laufzeiten, Lieferzeitpunkte, Leistungsumfang sowie etliche weitere Punkten kommen. Nicht zuletzt ist auch die Lieferform relevant: Pay-as-forecasted bedeutet, bei Vertragsschluss des PPAs festzulegen, dass die Zahlung und Lieferung des Stroms nach der Erzeugungsprognose des Vortages zum Liefer- oder Erzeugungszeitpunkt erfolgt. Pay-as-produced wiederum heißt, dass Stromzahlung und -lieferung exakt so erfolgen, wie die Anlage in der jeweiligen Viertelstunde Strom produziert.
  • Accounting-Fragen rücken mit jedem neuen Vertrag in den Fokus. Von Belang ist vor allem die Frage, inwieweit die Own-use exemption (IFRS-Standard) noch gehalten werden kann oder die Volatilität der erneuerbaren Energien auch in die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen Einzug hält.
  • Die Accounting-Fragen rund um die „Own-use exemption“, aber auch die Frage nach der durch PPAs abzusichernden Leistung im Energiebeschaffungsportfolio führen in Unternehmen zumeist zur entscheidenden Folgefrage: Welcher PPA-Anteil im Gesamtportfolio ist eigentlich optimal? Sind es 50 Prozent? 80 Prozent? Gar 100 Prozent?
  • Für die Kalkulation und Planung ist ein Detail hinsichtlich erneuerbarer Energien zudem signifikant: Deren Volatilität führt dazu, dass Unternehmen sich zunehmend mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, zukünftig Abweichungen zwischen Strombezug und Strombedarf, also Verbrauch, kurzfristig (selbst) ausgleichen zu müssen. Dadurch wird beispielsweise auch die Teilnahme am Intraday-Handel erforderlich.

Der ideale Energiemix: Worauf Unternehmen jetzt besonders achten sollten

Was bedeutet das für die Praxis? Vorab: Eine strategisch stringente und substanziell grüne Energiebeschaffung ist nicht ohne eine gesamtheitliche, interdisziplinäre Bewertung des Gesamtkontextes im Unternehmen möglich. Es bedarf der gleichzeitigen Bewertung von strategischen Fragestellungen rund um Unternehmensambitionen, Absicherungen von Preis- und Mengenrisiken, zukünftigen Ausrichtungen, Accounting-Fragestellungen und der energierechtlich komplexen Einordnung potenzieller vertraglicher Hürden.

Notwendig für eine zukunftsweisende Energiestrategie sowie erfolgreiche Implementierung ist daher ein interdisziplinäres und eng vernetztes Team. Einkauf, Accounting, Fachabteilungen für Energie und die Unternehmensführung sollten eng zusammenrücken, um die Energiebeschaffung des Unternehmens auf zukunfts- und wettbewerbsfähige Beine zu stellen. Auch die Optimierung aller Assets und Optionen im Rahmen der Energiesystemanalyse stellt dabei eine Maßnahme dar, die zukünftig an Bedeutung gewinnen wird.

Kompakt: Sieben individuell zu beantwortende Fragen für eine zukunftsfähige Energiestrategie

  1. Wie exponiert ist mein Unternehmen an den Energie-, Finanzierungs- und Absatzmärkten?
  2. Wie ambitioniert ist mein Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten?
  3. Welches Target Operating Model ist zielführend für das Energiebeschaffungsportfolio?
  4. Wie kann ich eine neue Buchstruktur und ihr zugrundeliegende Accounting-Prinzipien entwickeln?
  5. Wie gelingt die energiewirtschaftliche Bewertung von Markeintrittschancen und Marktentwicklung?
  6. Welche energierechtlichen Aspekte sind bei vertraglichen Ausgestaltungen zu beachten?
  7. Ist es möglichweise von Vorteil, wenn mein Unternehmen sein eigenes Energieversorgungsunternehmen wird, beispielsweise durch die Gründung einer Energiegesellschaft?

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