Keyfacts:
- Die Entgelttransparenzrichtlinie der EU muss bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.
- Dann werden Unternehmen ihre Gehaltsstrukturen und ihren Gender Pay Gap offenlegen müssen. Die Hürden für den Auskunftsanspruch werden gesenkt.
- Arbeitgeber sollten frühzeitig ein transparentes Vergütungssystem mit geschlechtsneutralen Kriterien entwickeln.
Mit Equal Pay wird es bald ernst. Denn wenn Deutschland die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umgesetzt hat, haben Unternehmen kaum noch Spielraum für eine unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern. Genaugenommen haben sie dann generell nur noch wenig Spielraum für individuelle Gehaltsverhandlungen. Außerdem werden Arbeitgeber über ihren Gender Pay Gap berichten müssen. Bei zu hohen Diskrepanzen müssen sie Maßnahmen ergreifen. Ansonsten drohen Geldbußen. Das Problem: Viele Unternehmen haben aktuell noch keine transparenten Vergütungsstrukturen und auch keine belastbare Datenbasis, die eine Vergleichbarkeit der Stellen ermöglicht. Der Stichtag für die nationale Umsetzung der Richtlinie ist der 7. Juni 2026. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Das gilt jetzt schon: Entgelttransparenzgesetz
Eine gesetzliche Regelung zu Equal Pay gibt es in Deutschland seit 2017. Das Entgelttransparenzgesetz wurde aber eher als „zahnloser Tiger“ betrachtet und hat nicht dazu geführt, dass der Gender Pay Gap merklich sinkt. Kern des deutschen Entgelttransparenzgesetzes ist ein Auskunftsanspruch: Mitarbeitende in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten können unter bestimmten Voraussetzungen Auskunft verlangen bezüglich des Entgelts der Kolleg:innen des jeweils anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben. Eine Anspruchsgrundlage für eine höhere Vergütung bietet das Gesetz nicht. Hierfür kann zwar auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zurückgegriffen werden. Dennoch kam es in der Praxis zu keiner nennenswerten Anzahl von Klagen.Größere Unternehmen müssen zudem über Maßnahmen zur Förderung der Entgeltgleichheit berichten. Ob die festgelegten Maßnahmen wirksam sind, wurde bisher nicht kontrolliert.
Im Jahr 2023 sorgte das Bundesarbeitsgericht mit einem Urteil für Aufsehen und schob der freien Verhandelbarkeit von Gehältern erstmals einen Riegel vor. Das Gericht entschied, dass ein gutes Verhandlungsgeschick kein sachlicher Grund für eine bessere Bezahlung ist. Verdient eine Frau dadurch bei gleicher Tätigkeit weniger als ein Mann, diskriminiere sie das.
Das kommt bald: Entgelttransparenzrichtlinie der EU
Aus Brüssel kommen nun deutliche Verschärfungen. Unternehmen werden ihre Gehaltsstrukturen und ihren Gender Pay Gap offenlegen müssen. Die Hürden für den Auskunftsanspruch werden gesenkt, was zu einer Zunahme von Klagen führen kann. Außerdem drohen erstmals Sanktionen.
Die Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 vom 10. Mai 2023 muss bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Entwurf für ein deutsches Umsetzungsgesetz existiert bisher noch nicht.
Das sind die Eckpunkte der Richtlinie:
- Arbeitgeber müssen bereits in der Stellenausschreibung das anfängliche Gehaltsniveau oder die Gehaltstabellen offenlegen.
- Sie dürfen die Bewerber:innen nicht zu deren Gehaltsentwicklung befragen.
- Arbeitnehmende können unabhängig von der Größe des Arbeitgebers Informationen über das durchschnittliche Gehalt, aufgeteilt nach Geschlecht, für vergleichbare Tätigkeiten verlangen.
- Unternehmen müssen den Gender Pay Gap analysieren und hierüber jährlich berichten. Kleinere Arbeitgeber mit bis zu 250 Beschäftigten müssen den Bericht nur alle drei Jahre abgeben. Leidglich Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten sind von der Pflicht ausgenommen.
- Liegt der Gender Pay Gap über fünf Prozent und ist nicht objektiv begründbar, müssen Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen.
- Bei Nichteinhaltung drohen finanzielle Strafen.
So sollten Unternehmen sich vorbereiten
Zwar existieren bisher noch keine klaren Richtlinien für die zu berichtenden Kennzahlen. Dennoch sollten Unternehmen bereits jetzt den Gender Pay Gap in ihrem Unternehmen analysieren und darauf hinwirken, dass dieser sich verringert. Arbeitgeber sollten frühzeitig ein transparentes Vergütungssystem mit geschlechtsneutralen Kriterien entwickeln, auch für außertarifliche Mitarbeitende. Bei Neueinstellungen kann so eine unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen vermieden werden. Je früher ein klares Vergütungssystem existiert, desto geringer wird der Gender Pay Gap zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Umsetzungsgesetzes sein und desto geringer auch das Risiko, dass Mitarbeitende sich höhere Vergütungen einklagen. Ansonsten kann es am Ende teuer werden.
Zunächst sollten Unternehmen das aktuelle Lohngefälle analysieren. Als nächstes gilt es, eine ESG-konforme Lohnpolitik mit konkreten Zielen und Maßnahmen zur Entgeltgleichheit zu entwickeln.
Mit diesen Schritten kann die Umsetzung gelingen
Für die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie sind mehrere Schritte nötig:
- Entwicklung einer transparenten Stellenarchitektur: Unternehmen sollten eine systematische Stellenarchitektur schaffen, sofern diese noch nicht vorhanden ist. Die Basis hierfür sind konsistente und objektive Stellenbewertungen.
- Entwicklung einer fairen Gehaltsstruktur: Anhand der Stellenarchitektur sollten Unternehmen eine transparente und wettbewerbsfähige Gehaltsstruktur entwickeln, die sich an branchenspezifischen Gehaltsbenchmarks orientiert.
- Integration in ein HR-Informationssystem: Die erstellte Datengrundlage sollte in ein HR-Informationssystem integriert werden, um die Informationen strukturiert abbild- und abrufbar zu machen.
- Einführung von Governance-Strukturen: Tragfähige Governance-Prozesse sind unerlässlich, um die Stellen- und Gehaltsstrukturen nachhaltig abzusichern. Mit klaren Policies und Guidelines können strukturelle Anpassungen standardisiert werden.
- Bereitstellung einer belastbaren Datenbasis: Gut aufbereitete Daten sollten permanent verfügbar sein, um Transparenz zu schaffen. Eine moderne HR-Daten-Plattform ist unerlässlich für das Reporting und die Planung von Equal Pay.
- Aufbau von Wissen: Sowohl die HR-Abteilung als auch die Führungskräfte und alle, die Personalentscheidungen treffen, sollten sich mit der Vergütungsstruktur und den Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie auskennen.
Bei der Einfügung oder Änderung von Vergütungssystemen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. In den meisten Fällen empfiehlt es sich, ihn früh einzubinden.
Unternehmen sollten nicht auf das deutsche Umsetzungsgesetz warten, sondern schnellstmöglich eine transparente Vergütungsstruktur etablieren. Denn solche Prozesse nehmen viel Zeit in Anspruch und die Zeit bis zur Umsetzung der Richtlinie ist knapp.