Ein leuchtend grüner Lieferwagen steht in einer Reihe weißer Transporter auf einem Parkplatz, im Hintergrund unscharfe Landschaft mit Hügeln und Himmel.

ESG-Druck in der Logistik: Wie Unternehmen resilient bleiben

Warum ESG jetzt über Marktzugang, Kapital und Wettbewerbsfähigkeit entscheidet.

Logistikunternehmen stehen unter massivem Druck Nachhaltigkeitsmaßnahmen zeitnah umzusetzen – regulatorisch, finanziell und marktseitig. Wer nicht handelt, riskiert Ausschlüsse bei Ausschreibungen, erschwerten Kapitalzugang und Reputationsverlust. Jan-Frederik Konerding, ESG Lead Transport & Infrastructure bei KPMG, erklärt, wie Unternehmen ihre Resilienz stärken und ESG als strategischen Vorteil nutzen können. 

Keyfacts:

  • Der Logistiksektor verursacht bis zu 15 Prozent der globalen Emissionen – und steht damit im Fokus von Regulatorik und Stakeholdern. 
  • Unternehmen ohne ESG-Strategie verlieren zunehmend Zugang zu Märkten und Kapital.
  • Eine Resilienzanalyse hilft, Risiken zu erkennen und gezielte Maßnahmen abzuleiten. 

Seit dem Omnibus-Paket der EU-Kommission ist die ESG-Berichterstattung mit viel Unsicherheit verbunden. Wie schätzt du die aktuelle Situation ein?

Allein aus dem Green Deal sind neben der Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) weit mehr als 100 Rechtsakte in der EU erlassen worden, die entweder schon greifen oder noch kommen. Je nach Rechtsform, Branche und Größe stehen hier weitere regulatorische Themen an. Die Erleichterungen durch das Omnibus-Paket, insbesondere für den Mittelstand, kommen zur richtigen Zeit. Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung bleiben dennoch hoch relevant. Der Druck entsteht nicht nur durch regulatorische Anforderungen, sondern vor allem durch Stakeholder wie Kund:innen, Investoren und Kreditgeber sowie den Wettbewerb. Unternehmen sollten die regulatorischen Entwicklungen genau beobachten, ihr Umfeld analysieren und die gewonnene Zeit nutzen, um sich gezielt vorzubereiten. Das Thema ESG ist eng mit der Resilienz eines Unternehmens verbunden. Diese Zusammenhänge zu verstehen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, ist entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg. 

Warum steht insbesondere die Logistik im Fokus?

Alle großen Unternehmen analysieren ihre Wertschöpfungsketten und erstellen Treibhausgasbilanzen. Der Logistik- und Transportsektor in Deutschland ist laut Fraunhofer-Institut für bis zu 15 Prozent der Emissionen verantwortlich. Logistik ist Teil nahezu jeder Wertschöpfungskette und damit besonders exponiert. Das zeigt sich in konkreten Anforderungen zur Dekarbonisierung und im Marktzugang – Unternehmen werden von Ausschreibungen ausgeschlossen, wenn etwa ihr EcoVadis-Rating nicht ausreicht. Auch der Druck durch Kapitalgeber bleibt hoch, da Banken unter regulatorischem Druck stehen und um nachhaltige Investitionen konkurrieren. Zugang zu Märkten und Kapital sind zentrale Treiber. 

Die Praxis zeigt zudem, dass Unternehmen insbesondere in der Logistik auch mit Herausforderungen im Personalbereich konfrontiert sind. Bereits in unserer Umfrage zum Future Readiness Monitor wurde der Fachkräftemangel nicht nur als das wichtigste Thema innerhalb der Branche angesehen, sondern stellte in seiner Relevanz den Spitzenwert im Vergleich mit allen betrachteten Branchen dar. Der Fachkräftemangel steigt und es sind gezielte Maßnahmen nötig, um diesem entgegenzuwirken, da er – in einer Branche, die auf pünktliche Lieferungen und effiziente Abläufe angewiesen ist – weitreichende Auswirkungen auf die betriebliche Leistungsfähigkeit haben kann. Zudem fehlt es häufig an effizienten Governance-Prozessen, die Themen wie Korruption und Bestechung oder Compliance holistisch steuern. 

Wie kann ein Unternehmen herausfinden, bei welchen Themen der Handlungsdruck besonders hoch ist? 

Hier empfiehlt sich eine Resilienzanalyse. Dabei werden das Umfeld, der Status quo und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Risiken wie Klima-, Wetter- oder Biodiversitätsrisiken analysiert – sowohl im Wettbewerb als auch entlang der Wertschöpfungskette. Daraus lassen sich konkrete Handlungsfelder ableiten. 

Welche Maßnahmen siehst du bei Logistikunternehmen, mit denen sie ihre Nachhaltigkeitsleistung merklich verbessern?

Als CO-Treiber liegt der Fokus auf Dekarbonisierung. In der Praxis sehen wir viele innovative Ansätze: Elektromobilität auf der letzten Meile, KI-gestützte Routenoptimierung, alternative Treibstoffe. Was letztes Jahr noch Pilotprojekte waren, ist heute wirtschaftlich umsetzbar – etwa im Bereich E-Trucks. Das verändert auch Geschäftsmodelle: Früher wurden zehn Diesel-LKW gekauft und dann Kunden gesucht. Heute wird erst die Route definiert und dann der passende E-LKW angeschafft. 

Wo siehst du die größten Herausforderungen für die Logistikbranche?

Eine ist sicherlich die Abgrenzung der eigenen Wertschöpfungskette – insbesondere entlang der Transportstrecke und in Bezug auf transportierte Waren. Auch die Integration von ESG-Daten in bestehende IT-Systeme ist oft unzureichend, ebenso wie die Datenqualität. Zudem fehlt es häufig an Akzeptanz für ESG-Themen und an internen Ressourcen zur Umsetzung. 

Wie können Lösungsansätze dafür gefunden werden?

Durch den Aufbau einer Governance können Aufgaben sinnvoll auf mehrere Schultern verteilt werden. Ein gutes Changemanagement hilft, Mitarbeitende mitzunehmen. Der Austausch mit Peers ist wertvoll – viele Unternehmen haben bereits erste Berichtsperioden hinter sich und teilen ihre Erfahrungen. 

Was empfiehlst du Unternehmen, die noch nicht berichtet haben, jetzt als relevante nächste Schritte?

Zunächst sollten sie eine Umfeld- und Stakeholderanalyse durchführen, um zu verstehen, welcher Druck von außen wirkt. Dann die regulatorischen Leitplanken identifizieren, an denen sich das Nachhaltigkeitsmanagement orientieren kann. Eine Wesentlichkeitsanalyse hilft, die eigenen Auswirkungen, Risiken und Chancen zu erkennen. Schließlich sollte eine Roadmap erarbeitet werden, die Ziele, Steuerungsthemen und Governance im Nachhaltigkeitsmanagement abbildet. So entsteht Transparenz über die eigene Resilienz – und eine klare Handlungsbasis. 

Schauen Sie sich die Aufzeichnungen vom Finale des KPMG Zukunftsgipfels jetzt on-demand an und erhalten Sie weitere spannende Praxiseinblicke: https://videostream.kpmg.de/zukunftsgipfel-2025—finale