Europas Banken zwischen Geopolitik, Nachhaltigkeit und Corona

Banken sollten Makrotreiber in ihrer strategischen Agenda stärker berücksichtigen.

Banken spielen eine zentrale Bedeutung für eine stabile Wirtschaft. In diesen herausfordernden Zeiten kommt ihnen die wichtige Aufgabe zu, der Wirtschaft mit Krediten zur Verfügung zu stehen, die Auszahlung öffentlicher Hilfsgelder an Unternehmen zu bewerkstelligen und staatliche Kredite zu verwalten.

Zugleich verstärkt Corona die Herausforderungen der letzten Jahre für die Banken: ein hoch kompetitives Marktumfeld, der hohe Kostendruck, ein wachsender Wettbewerb mit internationalen Konkurrenten und neuen Marktteilnehmern, eine weiterhin starke Regulierung sowie ein sich rasch veränderndes technologisches Umfeld.

Das bedeutet: Der dauerhafte Wandel der Branche wird beschleunigt. Wie Führungskräfte der Finanzwirtschaft ihre Organisationen erfolgreich durch diese zunehmend volatilen Zeiten steuern können, beschreiben wir in unserer Studie „Die Zukunft des europäischen Bankensektors – Was kommt nach Covid-19?“. Essenziell ist, sich weiter und verstärkt den Themen Digitalisierung, Geopolitik und ESG (Environment, Social und Governance) zu widmen.

Die Digitalisierung ist ein zentraler Bestandteil des dauerhaften Wandels

Die Digitalisierung hat in dem herausfordernden Jahr 2020 deutlich an Dynamik gewonnen. Kunden erwarten zunehmend eine komplett digitale Interaktion mit ihrer Bank, mit einfacher Handhabung. Das erfordert verstärkte Digitalisierungsanstrengungen seitens der Kreditinstitute, auch hinsichtlich der Steigerung der Cybersicherheit, nachdem in der Pandemie Cyberangriffe deutlich zugenommen haben. Hinzu kommen neue Entwicklungen wie digitale Währungen oder neue Zahlungssysteme.

Geopolitik verlangt ein neues Verständnis

Die Pandemie hat außerdem die geopolitischen Verwerfungen noch einmal verstärkt. Die globale Fragmentierung nimmt zu, die multilaterale Ordnung wird geschwächt. Diese Entwicklungen sind insbesondere für global agierende Banken eine zweifache Herausforderung.

Zum einen ist es wichtig zu verstehen, wo und wie ihre Kunden den neuen globalen Dynamiken ausgesetzt sind. Dies gilt vor allem für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Zum anderen sind die Banken gefordert, sich mit den Konsequenzen auf ihre eigenen Geschäftsmodelle auseinanderzusetzen. So drängen US- und chinesische Banken stärker nach Europa, insbesondere nach Deutschland.

USA versus China – und Europa dazwischen

Zugleich setzt sich die Entkopplung zwischen China und den USA fort. Wir erleben eine Zweiteilung der Märkte – und wir Europäer sitzen gewissermaßen zwischen den Stühlen. Unternehmen könnten künftig vor die Entscheidung gestellt werden, sich für einen der Märkte bzw. für gleichartige Produkte aus China oder den USA, beispielsweise eine Cloud-Lösung, entscheiden zu müssen.

Dies gilt nicht nur für den Technologiesektor, auf dem die zunehmende Entkopplung und eine beginnende Zweiteilung der Märkte schon zu beobachten ist. Auch im Finanzsektor und Finanzsystem ist die geopolitische Fragmentierung zu spüren.

Für uns Europäer ist es daher von besonderer Bedeutung, auf Augenhöhe mit China und den USA  zu agieren. Hierfür braucht es eine verstärkte europäische Integration. Erste Ansätze sind mit der Bankenunion erkennbar. Mit dem Digital Services Act setzt die EU-Kommission den regulatorischen Rahmen für Plattformanbieter und sorgt damit für einen Ausgleich der Kräfte. Auf der anderen Seite liegt die Kapitalmarktunion jedoch noch in weiter Ferne.

Gerade der Aspekt der europäischen Stärke und Einigkeit ist jedoch mit besonders hoher Unsicherheit behaftet, wie unsere Studie zeigt. In Abhängigkeit von den beiden Größen „Grad der europäischen Integration“ und „geopolitische Fragmentierung“ skizzieren wir vier Szenarien, die sich jeweils unterschiedlich auf die Chancen und Risiken der europäischen Banken auswirken werden. Diese sollten hierfür Szenario-Analysen und -Simulationen entwickeln und auf Basis der Ergebnisse strategische Optionen ausarbeiten.

Sustainable Finance im Mittelpunkt

Es gilt weiterhin: Sustainable Finance wird immer bedeutsamer. Die Nachfrage nach „grünen“ und ethisch unbedenklichen Finanzprodukten und Finanzierungen steigt. Die wachsende Bedeutung von ESG zeigt sich nicht zuletzt in Initiativen wie dem European Green Deal der EU bzw. der Debatte um eine Green Recovery nach Covid-19.

ESG kann Chancen und Risiken bergen. Denn auch die Klima-Thematik dehnt sich auf Kreditportfolios aus, insofern kreditgebende Banken von z.B. Stahlherstellern oder Automobilunternehmen Erschwernisse bei der Refinanzierung erfahren. Daher gilt es, ESG-Faktoren ins Risikomanagement zu integrieren und Strategien für nachhaltige Finanzierungsinstrumente zu entwickeln.

Drei Themen für die strategische Agenda

Was folgt aus all dem für die Zukunft der Banken?

  1. Die Digitalisierung sollte als Potenzial für erhöhte Resilienz, bessere Effizienz und gestärkte Kundenbeziehungen betrachtet werden.
  2. Die Führungsebenen in den Banken sind gefordert, die makro- und geopolitischen Zusammenhänge in ihrer Unternehmensstrategie stärker zu berücksichtigen.
  3. Die Banken sollten sich als Vordenker für Finanzierungen und Finanzprodukte positionieren, die an ESG und Nachhaltigkeit ausgerichtet sind.

Es gilt, die hier genannten Themen ganz oben auf die strategische Agenda zu setzen und umfassende Strategien zu entwickeln, in denen diese Fragestellungen abgebildet werden. Dabei ist nicht nur das eigene Geschäft entsprechend zu beleuchten, sondern auch das der Kreditnehmer im Portfolio. Insbesondere der Fokus auf Geopolitik sollte geschärft werden, da diese Aspekte in den strategischen Überlegungen von Banken bislang häufig noch zu wenig einbezogen werden.