In sogenannten Family Offices (FO) werden das Kapital, die Besitztümer und das Geld von sehr vermögenden Einzelpersonen und Familien verwaltet. Viele dieser Family Offices haben in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht und sich von kleinen und intimen Einheiten zu institutionalisierten Einrichtungen entwickelt, die mit hervorragenden Fachleuten ausgestattet sind.
Die Arbeit in Family Offices erfordert eine besondere Kompetenz, die mit anderen Arbeitsumgebungen nicht vergleichbar ist. Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Family Offices haben ihre beruflichen Hintergründe im Investmentbanking oder haben in der Steuer- oder Rechtsberatung gearbeitet. Ihre Arbeit im Family Office orientiert sich stark an Richtlinien, Leistungsvergleichen und Benchmarks.
So sind Family Offices strukturiert – die wichtigsten Erkenntnisse
Wie die Family Offices als Arbeitgeber strukturiert sind; wie die Bezahlung ist; wie lange die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen bleiben und wie die Prozesse optimiert werden können: Ein KPMG-Report gibt Einblicke in die sonst verschlossene Welt der Vermögensverwaltenden.
Die wichtigsten Ergebnisse für Europa auf einen Blick:
- Die Führungskraft eines Family Offices hat ein Fixgehalt 200.000 bis 264.000 Euro im Jahr; dazu kommt im Schnitt ein Bonus zwischen 21 und 30 Prozent
- 56 Prozent der Family-CEOs sind zwischen 45 und 54 Jahre alt
- 76 aller CEOs sind männlich
- 30 Prozent aller FO haben weniger als fünf Mitarbeitende, 24 Prozent haben mehr als 20 Angestellte
- 41 Prozent der FO haben 2022 eingestellt und 40 planen 2023 einzustellen
- Die Hälfte haben keine Nachfolgeplanung für das FO
- UK als Schwerpunkt: 62 Prozent aller europäischen FO liegen in Großbritannien, fünf Prozent in Deutschland
Der Report zeigt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in FO im Vergleich zu Vermögensverwaltenden in Deutschland besser bezahlt sind. Der Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass FO stark männlich dominiert sind und das Durchschnittsalter sehr hoch ist. Und über das, was die Zukunft bringt – also wer zum Beispiel einmal das FO leiten wird – haben sich viele Führungskräfte noch keine Gedanken gemacht bzw. Maßnahmen eingeleitet.
Wie kann Mitarbeiterbindung konkret aussehen?
So gewährt der Report also nicht nur einen Blick in eine sonst eher verschlossene Welt, sondern macht auch klar, dass auch Family Offices mit Herausforderungen zu tun haben, die große Unternehmen und Konzerne meistern müssen. Ein Hebel, den FO betätigen sollten, um sich für die Zukunft aufzustellen und als moderner Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, sind Maßnahmen zur Retention. Also Antworten auf die Frage, wie man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer langfristig ans Unternehmen binden kann.
Denn viele FO-Mitarbeitende sind auf der Suche nach Veränderungen. Häufigster Grund für den Wechselwunsch ist die berufliche Weiterentwicklung, aber auch eine bessere Vergütung. Zumindest der monetäre Teil wird von vielen FO angegangen: 58 Prozent haben 2022 eine Gehaltserhöhung bekommen. Hier sollte aber nicht zu kurz gedacht werden. Eine gute und angemessene Vergütung ist sicherlich wichtig. Aber Überbezahlung ist weder für das Unternehmen noch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Dauer eine kluge Taktik. Hier sollte auf kluge Bonussysteme und einheitliche, transparente Vergütungssystem gesetzt werden.
Klare Prozesse, um Arbeitsübergaben zu regeln
Mit Blick auf die kleine Größe und die zunehmende komplexer werdende Arbeit ist es aus meiner Sicht für Family Offices und deren Führungskräfte entscheidend, Prozesse und Strukturen in den Teams so anzupassen, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen davon profitieren. Denn in FO ist das Wissen zu bestimmten Vorgängen, Prozessen und Abläufen bei wenigen Mitarbeitenden zentralisiert. Mit Blick auf Arbeitsnachfolgen, Krankheits- oder andere längere Ausfälle, sollte hier unbedingt ein Wissenstransfer geschehen. Die Prozesse sollten so transparent sein, dass jeder Mitarbeitende in gewissen Teilen die Aufgaben eines bzw. einer anderen übernehmen kann. Gleichzeitig muss streng die hohe Diskretion beachtet werden, die für die Familien deren Vermögen verwaltet wird, ein sehr hohes Gut ist. Dieser Wissenstransfer und die Standardisierung bestimmter Prozesse können dafür sorgen, dass sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgenommen fühlen, gerade in kleineren Unternehmen. Ein, aus meiner Sicht, sehr wichtiger Punkt für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung.
Ein weiterer Punkt ist Technologieoffenheit. Mitarbeitende, die das Gefühl haben, auf der Höhe der Zeit und mit moderner Technologie und Software arbeiten zu können, sind sicherlich motivierter. Hier gehört aber nicht nur der Einsatz moderner Technologie dazu, auch regelmäßige Schulungen sollten auf dem Programm stehen.
Regelmäßiges Feedback als wichtige Maßnahme für die Mitarbeiterbindung
In kleineren Teams sind auch regelmäßige Feedbackrunden von großer Bedeutung. Ein kleines Family Office kann zwar nicht über ein System zu Leistungsmessung verfügen wie ein großer Konzern. Dennoch gibt es die Möglichkeit, regelmäßiges Feedback einzuführen und so ein Bild darüber zu bekommen, ob die Rolle auch zur Zufriedenheit der Familie ausgeführt wird, deren Geld verwaltet wird. Zu so einer Feedbackkultur gehört es auch, offen und partnerschaftlich miteinander umzugehen. Gerade bei kleineren Arbeitgebern sollten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Team wertschätzend miteinander umgehen. Das ist in meinen Augen ein wichtiger Schlüssel und nicht zu unterschätzende Maßnahme für die Bindung der Mitarbeitenden.
Die Zahlen aus dem Report geben also Aufschlüsse darüber, wie die Family Offices organisiert sind und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sein werden. Und der Report zeigt auch, welche Hebel die FO in Bewegung setzen sollten, um ihre Mitarbeitenden längerfristig zu binden. Und diese Erkenntnisse aus den kleinen FO lassen sich auch auf größere Unternehmen übertragen. Denn manchmal müssen nur kleine Stellschrauben gedreht werden, um große Änderungen in Gang zu setzen.