Vor einigen Jahren war ein Stadionbesuch schnell beschrieben: Zum Stadion fahren – mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln –, ein Ticket kaufen, Platz suchen, Bier und Bratwurst besorgen, Spiel schauen und nach Spielende wieder nach Hause. Heute ist die Sache etwas komplexer. Viele Stadien sind hochmoderne Arenen mit ausgeklügeltem Parksystem, Tickets können fast nur noch online über die Apps der Vereine gekauft werden und die kulinarische Vielfalt übersteigt deutlich das Angebot von Bratwurst mit oder ohne Senf.
Auch wenn sich bereits vieles verändert hat, gibt es noch großes Entwicklungspotenzial. Hier kommt das Konzept „Smartes Stadion“ ins Spiel. Dabei geht es beispielsweise um innovative Energiekonzepte, ruckelfreie Internetverbindungen, Online-Angebote mit Informationen zum Spiel oder intelligente Mobilitätsportale.
Das kann ein smartes Stadion
Ein Blick nach Inglewood (Kalifornien) zeigt, was in einem American Football Stadion möglich ist und auch in Zukunft bei Fußballstadien in Europa immer mehr Anwendung finden wird. Das SoFi-Stadium ist das erste Indoor- und Outdoor-Stadion der NFL und präsentiert sich mit innovativen und intelligenten Funktionen als ein hochmodernes, multifunktionales Stadion. Im Bereich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz glänzt das Stadium durch sein modernes Wasser- und Abfallmanagement sowie zum Beispiel die effiziente Nutzung von natürlichem Licht durch ein transparentes Dach. Auch rund um den Fan gibt es Neuerungen. Moderne Zugangskontrollen mit Gesichtserkennungstechnologie und kontaktlose Scans verbessern die Effizienz und Sicherheit. Eine dedizierte Stadion-App ermöglicht den Fans, Tickets zu verwalten, Parkplätze zu reservieren, Essensbestellungen aufzugeben und sich über das Spielgeschehen und andere Events zu informieren.
Doch auch in den deutschen Fußballstadien werden bereits smarte Technologien eingesetzt und stetig weiterentwickelt. Frankfurt erprobt intelligente Mobilitäts- und Transportlösungen, die den Zuschauerinnen und Zuschauern die Anreise durch Einbindung des öffentlichen Nahverkehrs erleichtern. Auf dem Stadiongelände können zukünftig Roboterfahrzeuge den Transport von Fans übernehmen und dezentrale E-Payment-Konzepte ermöglichen das Bestellen und Bezahlen von Getränken und Stadionwurst direkt vom Sitzplatz aus. Die Münchner Fußball Arena, das Stadion des Eröffnungsspiels der Europameisterschaft, gilt als eines der modernsten Stadien. Besonders durch ihr Energiekonzept mit energieeffizienter LED-Beleuchtung, intelligentem Gebäudemanagementsystem und Wärmerückgewinnung ist sie ein Vorreiter. Neben den einzelnen Vorhaben der Städte und Vereine gibt es zudem übergreifende Bestrebungen, das Stadionerlebnis weiterzuentwickeln und smarter zu gestalten. Beispielsweise wollen Vodafone und die DFL den Zuschauer:innen durch die Verfügbarkeit eines 5G-Netzes in Kombination mit Augmented-Reality-Angeboten zusätzliche Informationen zum Spielgeschehen bieten. Ziel ist es, das Live-Event mit Statistiken, Echtzeitinformationen und Analysen zu verknüpfen, ohne dabei das Spielgeschehen aus den Augen zu verlieren.
Stimmung im Land könnte von klugen Stadien profitieren
Welchen positiven Effekt sportliche Großveranstaltungen haben können, wissen wir in Deutschland spätestens seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Das Land kann von einer positiven Energie erfasst werden. Und wenn die Besucherinnen und Besucher dann noch in den Genuss smarter Stadionbesuche kommen, kann sich das zusätzlich positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken. Deutschland wird als ein Land wahrgenommen, in dem Entwicklungen und Innovationen vorangetrieben werden und die Digitalisierung in allen Lebensbereichen erlebbar ist.
Stadionentwicklung ist auch gut für die Stadt
Für die Ausrichterstädte und die Stadionbetreiber bot die Europameisterschaft 2024 die große Chance, den nächsten Schritt zu machen. Für die Städte war es eine Gelegenheit, das Stadion als Teil der Stadt, eingebettet in die eigene Strategie und als Innovation Hub für neue Wege und Ideen zu sehen. Und für die Clubs bietet das digitale Stadion die Möglichkeit, neue Pfade in der Fanbindung und -betreuung zu gehen. Eine weitere Option: Die Sportstätten als Plattform für örtliche oder nationale Ideen und moderne Vermarktungsmöglichkeiten zu nutzen.
Wie das Stadion Teil einer Smart City wird
Ein smartes Stadion hat einen weiteren großen Vorteil: Es kann als ein Probefeld für die Smart City dienen. Denn der Erhalt der Energieversorgung, Ver- und Entsorgungskonzepte, Sicherheitsfragen, Mobilitätsanforderungen oder schnelle und geschützte Verwaltungsabläufe – all das findet sich auch in einer Smart City wieder und kann in einem smarten Stadion schon mal in einem größeren Rahmen mit 80.000 Besuchern, unter anderem hinsichtlich Akzeptanz und Handhabbarkeit, geübt werden.
Ein Blick in die Zukunft – Ideen fürs smarte Stadion
Was ein smartes Stadion heute schon kann, sieht man in Kalifornien. Dazu kommen weitere spannende Möglichkeiten, gerade auch für deutsche Stadien:
- Virtuelle Navigation zum Sitzplatz und sensorgestütztes Sitzplatzkonzept zur Vermeidung unnötiger Wartezeiten
- Gesichtserkennung und Biometrie für eine schnelle und sichere Einlasskontrolle, zur Identifizierung potenzieller Sicherheitsbedrohungen und der Altersverifikation im Verkaufsumfeld
- Flexibles, webbasiertes Zuteilungsverfahren der Tickets an andere Fans bei kurzfristiger Verhinderung (Krankheit, Unfall, usw.) der Ticketinhaber:innen
- Spontanes Ticket-Upgrade mit Tischreservierung in der Stadionlounge
- Transparenz durch den Einsatz von Beacons und Darstellung der Bewegung auf einer 3-D-Karte, um zum Beispiel den Standort freier Toiletten und die zeitliche Machbarkeit eines zusätzlichen warmen Essens in der Halbzeitpause anzuzeigen
- Das Stadion als „Customized Smart Venue“ zur Verknüpfung aller technischen Anlagen und selbstständigen Steuerung des Energieverbrauchs, inklusive physischer Anpassbarkeit der Strukturen an verschiedene Veranstaltungstypen, wie selbstanpassende Tribünen oder Spielfelder
- Schaffung eines digitalen Zwillings des Stadions oder der Arena in einem virtuellen Raum, um weltweit Zugang zum Spieltagerlebnis zu ermöglichen und eine Auswahl aus vielfältigeren Bildern und Perspektiven zu bieten. Zudem entsteht die Möglichkeit für Fans, von zu Hause aus in einer VR-Umgebung an Veranstaltungen teilzunehmen
- AR- und VR-Erlebnisse wie 3-D-Statistiken über Spieler, Echtzeit-Replays oder virtuelle Besuche der Umkleidekabinen durch Smartphone oder spezielle Brillen
- Parksysteme werden so effizient gestaltet, dass zum Beispiel durch Abfahrzeiten in einer App und Realtime Vorhersagen der momentanen Parkhaussituation Staus in diesen minimiert werden können
- Erwerb von digitalen Erinnerungsstücken (z.B. NFTs) des Lieblingsvereins neben klassischen Merchandise-Artikeln wie Trikots oder Schals
- Die Nutzung von RFID-Technologie in Fußballstadien, wodurch der Kaufprozess beschleunigt und lange Wartezeit in Stadiongeschäften eliminiert werden
So gelingt die Aufbruchstimmung
Das sind viele Ideen und viele kreative Freiräume, die für die Weiterentwicklung Deutschlands große Chancen bieten. Die Herausforderung wird sein, die neuen Konzepte nicht nur zu denken, sondern auch deren Umsetzung und Realisierung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu begleiten. Kreative Ökosysteme entscheiden immer mehr über neue Produkte, neue Chancen und auch über die Aufbruchstimmung für unser Land.