Touristen fluten den Markusplatz. Auf der Rialtobrücke ist kaum ein Durchkommen. Über die Kanäle schippern unzählige Gondeln. Doch Hannah und ihren Mann Markus stört das nicht. Sie müssen nicht drängeln, sich nicht an Schultern und Rucksäcken vorbei schieben. Entspannt genießen sie den milden Sommerabend in Venedig.
Was Hannah und Markus erleben, spielt sich in ihrem Kopf und doch direkt vor ihren Augen ab. Für ihren Trip nach Italien haben sie aber kein Flugzeug bestiegen, kein CO2 in die Luft gepustet. Sie haben lediglich das „Venice Tourism“-Programm gestartet und waren sofort mittendrin. Alle Sinnesempfindungen – Gerüche oder Geräusche – transportierte ein implantierter Chip direkt ans Gehirn.
Nachhaltiger Urlaub
Urlaub mit Flugzeug und überteuerten Hotelzimmern – das gehört der Vergangenheit an. Das hat man vielleicht 2019 noch gemacht. 30 Jahre später wird viel umweltverträglicher Urlaub gemacht. Und auch Venedig, das vor drei Jahrzehnten den Touristenansturm kaum bewältigen konnte, verdient Geld. Sie haben die Lizenzen für das Programm „Venice Tourism“ an mehrere Anbieter verkauft, die ihren Kunden so Museumsbesuche und ausgiebige Stadtbummel anbieten können.
Die Art unseres Konsums wird sich drastisch ändern
Ob wir in 30 Jahren tatsächlich so wie oben beschrieben Urlaub machen werden, kann ich Ihnen heute natürlich nicht vorhersagen. Aber klar ist, die Art, wie wir konsumieren werden, wird sich und den Handel nachhaltig (ver)ändern. Ganz egal, ob es dabei um Urlaub oder den täglichen Einkauf geht. Es wird sich verschieben – vom Sächlichen hin zum Erlebnis. Gefühle und Empfindungen werden zur Ware. Smartphone oder Tablets, mit denen wir heute einkaufen, spielen in einer Welt, in der Körper und Technik verschmelzen, quasi keine Rolle mehr.
Implantierte Chips spielen eine zentrale Rolle
In Zukunft wird es darum gehen, Sinneseindrücke und Gefühle zu speichern und zu teilen. Eine wichtige Rolle werden dabei Chips spielen. Sie werden implantiert, speichern die Gefühle und geben Impulse des Gehirns (zum Beispiel bestimmte Bedürfnisse) direkt an eine Handelsplattform weiter, auf der dann der Kauf ausgelöst wird. Ein Beispiel: Markus öffnet den Kühlschrank, stellt fest, dass Eier fehlen. Der Impuls wird vom Gehirn an den Chip weitergegeben, dadurch wird der Kauf von Eiern ausgelöst, die wenig später vor der Tür stehen. Die Bezahlung geschieht natürlich bargeldlos.
Gesellschaftliche Probleme können gelöst werden
Das Ende des Konsums und die Zukunft des Handels sind möglicherweise in der Lage, große gesellschaftliche Probleme zu lösen. Der bereits erwähnte CO2-Ausstoß durch Urlaubsflüge wäre eines. Ein anderes Ernährung und Krankheiten. Diabetes-Patienten könnten zum Beispiel dank implantierter Chips ihre Lust auf Zucker stillen ohne ihn tatsächlich zu sich nehmen. Der Chip verbindet Hirn und Sinnesorgan und gibt so den Geschmackseindruck „Zucker“ weiter, wodurch die Lust auf Süßes befriedigt wird. Auf die Spitze getrieben könnte man so sogar eine Banane essen, die nach Spaghetti Bolognese schmeckt.
Die Möglichkeit, Gefühle, Bilder, Sinneseindrücke konsumieren und teilen zu können, könnte auch das Problem der Alterseinsamkeit lösen. Senioren könnten sich leichter vernetzen, Bilder und Erinnerungen schnell miteinander teilen. Und das, ohne dass sie einem Raum sitzen, aber dennoch das Gefühl haben, direkt neben einer Person zu sitzen und mit ihr zu reden. Diese Projektion steht dem realen Erlebnis in nichts nach.
Die großen Player bestimmen den Handel
Der Handel und Tausch mit Gefühlen und Eindrücken wird in den nächsten Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen. Handelsunternehmen werden sich in Technologieunternehmen wandeln, die riesige Datenmengen verwalten und kommerzialisieren. Wahrscheinlich werden die großen amerikanischen und chinesischen Social-Media-Player und Plattformen noch stärker bestimmen, wie und was wir einkaufen. Viele deutsche und europäische Unternehmen sind auf den Wandel und die Bedeutung von Daten nicht ausreichend vorbereitet. Die Großen der Konsumwelt schlagen heute die Schlachten von gestern. Etwa dann, wenn Supermärkte bestimmte Produkte aus den Regalen werfen. Die Herausforderungen sind längst andere. Ganz real.