ESG: Windräder stehen im Wattenmeer, im Vordergrund Sandstrand bei Ebbe

Gerechte Energiewende: Das „E“ in ESG braucht das „S“

Der Umstieg auf CO2­-neutrale Energien kann nur gelingen, wenn er fair gestaltet wird.

Es hat seinen guten Grund, dass sich „ESG“ gegenüber dem Begriff Nachhaltigkeit durchsetzt. Denn das Kürzel macht den Dreiklang deutlich: Es geht nicht allein um Umwelt- und Klimaschutz (das „E“ in ESG), sondern auch um soziale Aspekte und gute Governance. Diese drei Themen hängen direkt miteinander zusammen.

So trägt ein beschleunigter, gut gesteuerter Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft dazu bei, insbesondere gefährdete Gesellschaften des globalen Südens vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und ihre Lebensgrundlagen so gut wie möglich zu sichern. Diese Gesellschaften haben zur Entstehung des menschengemachten Klimawandels in der Regel eher wenig beigetragen, verglichen mit dem jahrzehntelang hohen Beitrag des industriellen Nordens. Der zügige Ausbau erneuerbarer Strom- bzw. Energiequellen ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit in der Welt.

Die Energiewende hat auch kritische Auswirkungen

Gleichwohl sollten wir nicht eine Herausforderung lösen – Klimaschutz gegen die Erderwärmung – und dabei ein neues Problem schaffen. Am Beispiel der Energiewende: Was bedeutet die Abkehr von fossiler Energie für Mitarbeitende, die ihr Berufsleben lang etwa in der Kohle-, Öl- oder Gasbranche gearbeitet haben? Wie wirkt sich der Wechsel des globalen Energiesystems zu erneuerbaren Energien auf Menschen und Gemeinschaften aus, deren Lebensgrundlage von den auf fossilen Brennstoffen basierenden Wertschöpfungsketten abhängt?

Die Transformation zu einer Netto-Null-Wirtschaft – also eine CO-neutrale Welt – wird nur gelingen, wenn diese sozialen Auswirkungen berücksichtigt werden und der Übergang gerecht gestaltet wird. Diese Fragen kennen wir in Deutschland beispielsweise aus der Debatte um den Kohleausstieg mit Blick auf die Folgen in den Kohlerevieren im Ruhrgebiet oder in Ostdeutschland.

Der soziale Aspekt der Energiewende ist aus einem weiteren Grund relevant: Werden die sozialen Auswirkungen der Transformation nicht angemessen berücksichtigt, dann besteht die Gefahr, dass sich die Fortschritte hin zu einer Netto-Null-Zukunft verlangsamen. Das ist nicht wünschenswert. Die Zeit drängt, konsequente Maßnahmen umzusetzen, damit das Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreicht wird.

So dekarbonisieren, dass das Wohlergehen aller gesichert ist

Daher gilt es, das globale Projekt der Dekarbonisierung so zu gestalten, dass niemand zurückgelassen wird und alle Gemeinschaften gedeihen können.

Die Umstellung auf erneuerbare Energien und deren Ausbau können neue Industrien und Einkommens- und Beschäftigungsquellen schaffen. Dieses Potenzial ist möglichst gut auszuschöpfen. Negative Auswirkungen – etwa Arbeitsplatzverluste in kohlenstoffreichen Industrien – sollten berücksichtigt und abgemildert werden, beispielsweise durch Umschulungen. Dadurch kann zugleich die Zustimmung in der Gesellschaft für die Maßnahmen gesteigert werden.

Die Frage der fairen Energiewende: ein Thema für viele Stakeholder

Eine gerechte Transformation ist komplex. Sie umfasst zahlreiche verschiedene Aspekte, die gleichermaßen zu betrachten sind. Dazu zählen beispielsweise die Finanzierung von Projekten in Entwicklungsländern, Fragen des Technologietransfers, Energiezugang für alle, die Einbeziehung von Biodiversität und einiges mehr.

Wichtig ist: Eine gerechte Umstellung auf klimaneutrale Energien darf nicht nur ein Thema für die Politik, Regierungen und den öffentlichen Sektor sein. Es ist entscheidend, dass sich Investoren und Energieunternehmen aktiv an dieser Diskussion beteiligen.

Hierfür haben das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der World Wildlife Fund for Nature (WWF) im November 2022 auf der 27. UN-Klimakonferenz (COP 27) in Ägypten die Alliance for a Just Energy Transformation (AJET) ins Leben gerufen. Sie ist eine freiwillige Initiative, um alle relevanten Interessengruppen – einschließlich politischen Entscheidungsträgern, Privatsektor und Zivilgesellschaft – zusammenzubringen. Ziel ist es, einen inklusiven, konstruktiven Dialog mit diesen Stakeholdern über eine gerechte Energiewende zu fördern.

KPMG unterstützt die Alliance for a Just Energy Transformation

KPMG hat den Aufbau des Bündnisses aktiv unterstützt und wurde Gründungsmitglied der AJET.  Firmen des KPMG-Netzwerks werden sich weiter an deren Entwicklung beteiligen, um die Mitgliedschaft in der Allianz zu erhöhen. Es gilt, transparent Richtlinien für eine gerechte Energiewende weltweit zu entwickeln und so einen kohärenten Rahmen für den Energiesektor, Investoren und breitere Interessengruppen zu schaffen.

Die AJET hat hierfür acht Kernprinzipien definiert. Dazu zählt zum Beispiel:

  • Die Lasten des Klimawandels wie die Kosten seiner Vermeidung sind gerecht zu teilen –national wie international und über die Generationen hinweg.
  • Keine Gruppe sollte bevorteilt werden. Die Kosten der Transformation dürfen nicht deren zur Last fallen, die die geringste Verantwortung für den Klimawandel tragen oder die geringste Fähigkeit, ihn zu schultern.
  • Auf nationaler Ebene entwickelte Strategien für einen gerechten Übergang sollten auf lokaler Ebene mitgestaltet und umgesetzt werden.
  • Dabei gilt es den sozialen Dialog und die Einbeziehung der relevanten Interessengruppen sicherzustellen.
  • Der Zugang zu Energie ist als essenzieller Faktor für soziales Wohlergehen, ökonomisches Wachstum und Grundlage für nachhaltiges Wachstum und verbesserte Lebensbedingungen anzuerkennen.

Dies zeigt: Die konsequente Umsetzung der E-Aspekte von ESG kommt nicht ohne S-Fragestellungen aus. Das „G“ in ESG wiederum ist dann der befähigende Faktor, um die Energiewende bzw. Klimaschutz und generell den Übergang zu Netto-Null sinnvoll, effizient und gerecht im Sinne des „S“ zu gestalten.

 

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