Rosa Luftballon über Kaktus.

Greenwashing? Anbietern „nachhaltiger“ Finanzprodukte droht Ärger

Mögliche Klagewelle: Verbraucher:innen könnten massenweise Schadensersatz geltend machen.

Investieren fürs gute Gewissen: Nachhaltige Finanzprodukte liegen voll im Trend, vor allem bei Anlegern der jungen Generation. 45 Prozent der Generationen Y und Z setzen bei einer Finanzanlage wie einem Fonds auf Nachhaltigkeit, wie eine Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov bestätigt.

Dabei halten nachhaltige Geldanlagen ihr grünes Versprechen nicht immer. Im Gegenteil: Von 2000 untersuchten Geldanlagen warben 650 mit dem Attribut „nachhaltig“, während sie gleichzeitig in Unternehmen investierten, die als große Treibhausgas-Verursacher gelten und ESG-Kriterien nicht einhalten. Das zeigt die Studie der Nicht-Regierungsorganisationen Facing Finance und Urgewald.

Was macht ein Finanzprodukt nachhaltig?

Dabei mangelt es ohnehin an einer allgemein akzeptierten Definition, was grüne Finanzierung überhaupt ist. Zwar legt die europäische Taxonomie-Verordnung mittlerweile fest, inwiefern Kapitalanlagen und Fonds mit den Umweltzielen der Europäischen Union vereinbar sind, doch hat der Europäische Gesetzgeber lediglich Kriterien zur Einstufung geschaffen und verzichtet bislang auf eine abschließende Definition.

Gleichzeitig werfen Umweltverbände Anbietern nachhaltiger Geldanlagen und Unternehmen immer wieder bewusstes Greenwashing vor, also „ESG-Marketing“, um ein grünes Image aufzubauen, ohne dass hierfür eine hinreichende Grundlage vorliegt und so Anleger zu täuschen.

Sustainable Finance & ESG

Vorsicht vor einer möglichen Klagewelle

Anlegerinnen und Anleger könnten sich dagegen wehren und Schadensersatz geltend machen, wenn sie sich über die ökologische Nachhaltigkeit einer Anlage wie zum Beispiel einem Fonds getäuscht sehen. Insbesondere Finanzdienstleister könnten dabei in den Fokus möglicher Kläger:innen geraten, wenn sie klima- und/oder sozialschädliche Geschäfte (re-)finanzieren und gegen sozial-ökologische Standards verstoßen. Tatsächlich halte ich es für möglich, dass in den nächsten Jahren eine regelrechte Klagewelle droht.

Einen Vorgeschmack liefert die Klage einer Verbraucherzentrale gegen eine Bank, die Investor:innen versprochen hatte, mit ihrer Geldanlage Einfluss auf konkrete ESG-Kriterien zu haben und nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu fördern. Das sei irreführendes Greenwashing, bemängelte die Verbraucherzentrale, unter anderem, weil es hierfür gar keine belastbaren Messgrößen gebe. Die Bank gab nach und kannte die Unterlassungsansprüche vollumfänglich an.

Klagen vermeiden, „grün“ und „nachhaltig“ nur sehr vorsichtig verwenden

Was ist also zu tun? Gemäß Paragraf 306 des Kapitalanlagengesetzesbuchs existiert bereits eine Prospekthaftung. Um Klagerisiken vorzubeugen, sollten Unternehmen der Finanzbranche ihre Produkte daher einer gründlichen Prüfung unterziehen sowie klar und transparent kommunizieren, inwiefern sie diese als nachhaltig, ökologisch oder ESG-konform bezeichnen. Dabei sollten die Unternehmen der Branche nicht nur penibel die EU-Taxonomie anwenden und Berichtspflichten sorgfältig nachkommen, sondern auch weitere juristische Entwicklungen zum Thema verfolgen. Denn relevant ist, welche Darlegungs- und Beweislastregeln sich durch die Rechtsprechung ergeben werden, also ob sich beispielsweise eine Beweislastumkehr herausbilden wird.

Die Klagerisiken könnten sich zudem weiter verschärfen, da die neue Regierung laut Koalitionsvertrag plant, den kollektiven Rechtsschutz insgesamt auszubauen. Außerdem führen die EU-Staaten mit dem Jahr 2023 zivilrechtliche Verbandsklagen ein, auf Grundlage einer entsprechenden EU-Richtlinie. Dann dürfen Vereine oder Verbände nicht nur eigene Rechte, sondern auch im Namen Dritter Klagen einreichen.

Hier könnten also bald massenweise Verbraucher:innen, ähnlich wie beim Dieselskandal, neben Unterlassung auch Schadensersatz geltend machen, wenn sie sich über angeblich nachhaltige Anlagen und nachhaltige Fonds getäuscht fühlen. Und das wird teuer.

Autorin: Isabelle Knoché