ESG-Reporting: „Greenwashing“ vermeiden

Warum sich nur ernsthafte Nachhaltigkeitsbemühungen bei der Investorensuche auszahlen

Wenn ich bei Übernahmen, Beteiligungen und IPOs involviert bin, dann geht es oft um Werte. Was steckt drin im Unternehmen? Da gehören alle Risiken und Chancen auf den Prüfstand. Die Gespräche, die ich dabei momentan führe, haben oft ein Thema, aber zwei Ausrichtungen. Das Thema ist klar: Nachhaltigkeit.

Danach spalten sich die Herangehensweisen allerdings. Die eine Gruppe ist ernsthaft bemüht, die Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmens zu erfassen. Typische Fragen, die dann folgen: Wie nachhaltig ist unser Geschäftsmodell? Wodurch belasten wir Klima und Umwelt, ohne dass es uns bewusst ist? Welche Bereiche übersehen wir? Wo nehmen wir unsere soziale Verantwortung nicht wahr?

ESG-Strategie statt „Greenwashing“

Die andere Gruppe von Managerinnen und Managern hingegen wirkt eher amüsiert bis genervt. Genervt, weil sie das Thema vermeintlich bei der eigentlichen Arbeit stört. Amüsiert, weil sie schon einen Plan haben: „Können wir nicht so ein Umwelt-Label kaufen, dass uns alles Nötige gegen etwas Geld attestiert?“

Meine Antwort ist dann: „Nein.“ Denn die rechtlichen Anforderungen sind mittlerweile so detailliert, dass eine oberflächliche Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit nicht mehr ausreicht. Das Ziel muss ohnehin sein, Anleger nachhaltig zu binden. Greenwashing würde dabei negativ wahrgenommen werden.

EU-Taxonomie definiert „grüne“ Investments

Aus rechtlicher Perspektive zentral ist die EU-Taxonomie. Sie ist ein Klassifikationssystem, das Anlegern dabei helfen soll, grüne Investments zu erkennen. Sie soll ab dem 1. Januar 2022 auf alle veröffentlichten Berichte angewendet werden. Die Bedeutung dieser Aussage wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass durch die geplante Weiterentwicklung der CSR-Berichterstattung ab dem Jahre 2023 nicht wie bisher nur ca. 500, sondern ca. 15.000 Unternehmen allein in Deutschland über Nachhaltigkeitsaspekte – und zwar direkt im Lagebericht – berichten müssen. In der EU dürften rund 50.000 Unternehmen betroffen sein.

Höhere Kapitalkosten ohne ESG?

Es wird daher auf Sicht keine Investments mehr geben, die die Auswirkungen des Geschäftsbetriebs des jeweiligen Targets auf Umwelt und Mensch außer Betracht lassen.

Das rückt die ESG-Performance von Unternehmen – insbesondere die rechtliche Compliance mit Nachhaltigkeitsanforderungen – in den Fokus von Investoren und Geschäftsleitern. Für viele mittelständische Unternehmen und auch für Konzerne stellt das eine große Herausforderung dar. ESG-relevante Daten sind nicht leicht zu erheben und in Berichten zu erfassen. Lücken in der ESG-Compliance müssen erkannt und geschlossen werden. Denn gelingt das nicht, droht vielen Unternehmen eine deutliche Erhöhung der Finanzierungskosten – oder sogar die Versagung neuer Mittel.

Eine Anlage, die sich nachhaltig lohnt

Der Markt ist auf eine nachvollziehbare Strukturierung des weitläufigen Feldes „Nachhaltigkeit“ angewiesen, um ESG-Performance erkennbar und messbar zu machen. So etwa mithilfe eines ESG-Bausteins im Rahmen der bei Transaktionen üblichen Legal Due Diligence.

Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den regulatorischen Anforderungen und auch mit den Investmentkriterien von Fonds sowie den Kreditvergabebestimmungen von Banken befassen. Wer als Unternehmen ESG-Reporting und ESG-Compliance als zentrales Thema erkennt, wahrt nicht nur die Zukunft anderer, sondern auch die eigene.

Dr. Christian Hensel