Wasserstoffnetz in Deutschland und Europa bringt Regionen neue Chancen

Energiewende: Wie Wasserstoff auf dem Kontinent transportiert werden könnte.

Wasserstoff scheint ein wichtiger Bestandteil der Energiewende in Deutschland und Europa zu werden, da es die Strom- und Gassysteme miteinander vereinigen kann. Wasserstoff lässt sich gut speichern. Darüber hinaus lassen sich große Mengen Energie kostengünstig und sicher über längere Strecken transportieren: Für das gleiche Investment lässt sich 10- bis 20-mal mehr Energie in Gasnetzen transportieren als in Stromnetzen.

Durch seine Eigenschaften kann Wasserstoff dazu beitragen, die bei der Erzeugung und Nutzung von Grünstrom benötigte Flexibilität effizient bereitzustellen.

In Europa sind die günstigsten erneuerbaren Ressourcen die Wasserkraft in Norwegen und in den Alpen, Offshore-Wind in der Nord- und Ostsee sowie Solarenergie in Südeuropa. Entsprechend scheint es sinnvoll, erzeugungsnah Strom in Wasserstoff umzuwandeln.

Doch wie kommt der Wasserstoff vom Produktionsort zum Verbraucher? Wie kann Wasserstoff europaweit transportiert werden?

Von Pilotprojekten zur großindustriellen Wasserstoffproduktion

Noch ist die Nachfrage nach Wasserstoff überschaubar – das gilt insbesondere für nachhaltig erzeugten Wasserstoff. Für die existierenden Anwendungsfälle bestehen daher Insellösungen. So wird Wasserstoff meist verbrauchsnah produziert und stark komprimiert per Lkw oder gasförmig per Pipeline über kurze Strecken zum Verbrauchsort transportiert.

In den kommenden Jahren dürfte sich die Produktion von klimafreundlichem Wasserstoff im großindustriellen Maßstab entwickeln. Zwar liegt der Fokus im Moment auf grünem Wasserstoff. Doch sollte auch die Herstellung von blauem oder türkisem Wasserstoff aufgrund der deutlich geringeren Grünstromnachfrage in Betracht gezogen werden.

Die Produktion wird insbesondere dort erfolgen, wo viel regenerative Energie sowie Erdgas zur Verfügung stehen. Da Wind und Sonne unabhängig der Nachfrage Strom erzeugen, kann deren Energie ideal in Form von Wasserstoff gespeichert werden. In Deutschland würde demnach Wasserstoff an den Endpunkten von Offshore-Wind-Anbindungsleitungen hergestellt werden. Der Transportbedarf wird dann entsprechend wachsen, da die Zahl der Verbraucher steigen und sich nicht mehr nur auf einzelne Pilotprojekte in Produktionsnähe begrenzen wird.

Wasserstoff könnte so wichtig werden wie Erdgas heute

Wir schätzen den Wasserstoffbedarf für Deutschland im Jahr 2050 auf rund 600 TWh. Im Vergleich zu anderen Studien, die auf 800 TWh kommen, ist das noch eine konservative Prognose. Das entspricht in etwa dem aktuellen Primärenergiebedarf von Erdgas von rund 900 TWh (inkl. Verstromung). Ohne Verstromung gerechnet, liegt der Erdgasverbrauch bei rund 600 TWh.

Für den Transport der dafür nötigen Mengen Wasserstoff kommen realistisch gesehen nur Pipelines in Frage. Dementsprechend wird zukünftig eine leistungsfähige Infrastruktur für den Wasserstofftransport bzw. dessen Verteilung benötigt. Volkswirtschaftlich ideal wäre es dabei – soweit es möglich ist – auf bestehende Infrastrukturen zurückzugreifen.

Die Wasserstoffcluster Ruhrgebiet, Mittel- und Norddeutschland

Ausgehend vom aktuellen Stand lässt sich dabei eine Entwicklung für ein europäisches Wasserstoffnetz skizzieren. Zurzeit gibt es in Deutschland drei Wasserstoffinselnetze: im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in Norddeutschland. Insbesondere die Regionen Emden/Lingen, Hamburg/Unterweser sowie Leipzig/Halle könnten interessante erste Pionierregionen für eine zukünftig flächendeckende Wasserstoffwirtschaft in Deutschland werden.

Ich erwarte, dass sich diese Inselnetze zu regionalen Clustern weiterentwickeln, vor allem durch Umwidmung bestehender Erdgasnetze. Durch die Marktraumumstellung von L-Gas auf H-Gas mit höherem Brennwert stehen in Nord-/West-Deutschland geeignete Gasleitungen für die Umwidmung zur Verfügung.

Ein Wasserstoffnetz in Deutschland könnte sich daher entwickeln wie unten skizziert.

Eine statische Version über die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland finden Sie hier zum Herunterladen.

Mögliche Entwicklung eines Wasserstoffnetzes in Deutschland

Wachsende Verbindungen nach Nord-Frankreich, Belgien und in die Niederlande

Auf europäischer Ebene wird ein interessanter Cluster die Region Nord-Frankreich, Belgien, Niederlande sein. Wie im Rhein-Ruhrgebiet existiert auch bereits ein Wasserstoffnetz. Zusammen mit der Rhein-Ruhr-Region treffen günstige Entwicklungsparameter zusammen, die wie ein Inkubator für die Entwicklung des Wasserstoffnetzes wirken können: Verfügbarkeit von Grünstrom und Erdgas, Importmöglichkeiten von Wasserstoff in Kombination mit LNG-Terminals (verflüssigtes Erdgas), eine hohe Industrialisierung verbunden mit hoher Wirtschaftskraft und einer hohen Bevölkerungsdichte.

In wenigen Jahren könnte so ein europäisches Wasserstoffnetz entstehen. Denn wir gehen davon aus, dass etwa ab dem Jahr 2030 die inländische Nachfrage nach Wasserstoff größer sein wird als die Produktion, so dass Importkapazitäten geschaffen werden müssen. Dies könnten durch eine Anbindung an das belgische bzw. niederländische Netz geschehen oder durch die Kombination mit LNG-Terminals. Spätestens zu diesem Zeitpunkt könnten die regionalen Cluster Emden/Lingen, Hamburg/Unterweser zu einem Verbundnetz zusammenwachsen. Von dort aus werden zunehmend südliche und östliche Verbrauchsschwerpunkte von Wasserstoff erschlossen.

Weitere europäische Verbundnetze entstehen

Auch in anderen europäischen Staaten dürften die Cluster wachsen:

  • In Frankreich wird sich das Wasserstoffnetz von Nordfrankreich nach Süden entwickeln. Gleichzeitig wird sich ein Netz vom Süden her auf der Achse Marseille-Lyon nach Norden und nach Westen ausdehnen.
  • Grundsätzlich sind die Bedingungen rund um das Mittelmeer sehr vorteilhaft für die Erzeugung von Wasserstoff, da sowohl Solar- als auch Windenergie zur Verfügung stehen. Von daher werden sich tendenziell die Netze in Spanien und Italien von Süden nach Norden entfalten. Verstärkt werden könnte diese Entwicklung durch die Möglichkeit, zusätzlich grünen Wasserstoff aus Nordafrika zu importieren. Über Frankreich bzw. Österreich und die Schweiz könnten somit Wasserstoffmengen bis nach Deutschland kommen.
  • Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt könnten die Nordsee-Anrainerstaaten sein, da erneuerbare Energien zur Wasserstoffproduktion durch die Offshore-Windparks zur Verfügung stehen. Gegebenenfalls könnten auf den North Sea Wind Power Hubs direkt Wasserstoff hergestellt werden. Mit diesen Mengen könnte insbesondere die Region Nord-Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland versorgt werden.
  • In Großbritannien könnte sich das Gebiet um Hull, Leeds, Liverpool, Manchester als ein Cluster entwickeln. Blauer Wasserstoff aus Offshore-Windstrom könnte insbesondere mittels Dampfreformierung gewonnen werden. Ausgeförderte Erdgasquellen in der Nordsee könnten hierbei als CO2-Speicher dienen. Ein weiterer Nukleus für die Wasserstoffinfrastruktur könnte um London liegen. Außerdem könnten perspektivisch auch die industriellen Cluster wie Südwales, Southampton sowie Glasgow und Edinburgh miteinander verknüpft werden.
  • Offshore-Windstrom aus der Irischen See und der Ostsee können weitere Potenziale für die Wasserstoffherstellung und damit Ausgangspunkte für Wasserstoffnetze in Irland sowie den baltischen und nordischen Staaten sein.

Um die Ziele des Green Deals und einer europäischen Energiewende zu erreichen, wird künftig mehr elektrische Energie in Form von Elektromobilität, Wärmepumpen oder veränderten Industrieprozessen direkt genutzt. In Bereichen, in denen dies allerdings nicht möglich ist, brauchen wir einen sauberen Energieträger, der universell und klimaneutral einsetzbar ist. Diese Rolle kann nachhaltig erzeugter Wasserstoff einnehmen. Um hierfür einen effizient funktionierenden Markt zu schaffen, braucht es zukünftig ein solches paneuropäisches Wasserstoffnetz wie wir es für Sie unten skizziert und animiert haben.

Eine statische Version über die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur in Europa finden Sie hier zum Herunterladen.