Sich für Klimaschutz einzusetzen, ist für viele Unternehmen mehr als nur gesellschaftliches Engagement, das positiv auf ihre Reputation zurückfällt. Es reichen nämlich längst nicht mehr nur Verlautbarungen, dass man sich für das Klima und gegen die zunehmende Erderwärmung engagieren wolle. Im Bereich ESG und Klimaschutz müssen eine zunehmende Anzahl von Vorschriften und Gesetzen eingehalten werden. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Corporate Sustainability Due Diligence Directive der EU sind nur zwei von einigen Gesetzen, die sich direkt auf die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsleiter:innen einer GmbH oder einer AG auswirken.
Das Leitbild gerät ins Wanken
Dem GmbH- und dem Aktien-Gesetz liegt ein Leitbild zugrunde, wonach sowohl die GmbH als auch die AG im Regelfall ausschließlich der Erwirtschaftung von Gewinnen dienen. Dieses Leitbild gerät durch die zunehmende gesetzlich verpflichtende Berücksichtigung von ESG-Belangen ins Wanken.
Wer ESG-Aspekte erfüllen will, kommt kaum umhin zu investieren
Für Unternehmen, die sicherstellen wollen, dass sie selbst und auch ihre Lieferanten und sonstigen Geschäftspartner:innen sich an ESG-Kriterien, wie etwa die Zahlung existenzsichernder Löhne, das Verbot von Kinderarbeit oder die Bekämpfung des Klimawandels, halten, sind Investitionen unumgänglich. Um mögliche Klagen von Gesellschafter:innen zu vermeiden, müssen Geschäftsleiter:innen nachweisen können, dass diese Investitionen sich an den Grundsätzen der sogenannten Business Judgement Rule im Unternehmensinteresse orientieren (vgl. § 93 Abs. 1 AktG und § 43 Abs. 1 GmbHG), also angemessen sind und zukünftige Gewinne sichern können. Ist dies nicht der Fall, können sie für entsprechende Schäden haften. Allerdings besteht aus ökonomischer Sicht Unklarheit darüber, ob und welche ESG-Investitionen für Unternehmen profitabel sind.
Offen ist, in welchem Maße ESG-Belange berücksichtigt werden dürfen
Für Geschäftsleiter:innen der betroffenen Gesellschaften stellt sich deshalb vor allem die Frage, ob und in welchem Umfang sie solche ESG-Belange berücksichtigen dürfen oder sogar müssen. Gerade wenn dies Auswirkung auf den Gewinn haben kann. Daneben stehen die Gesellschafter:innen vor der Frage, wie sie die Einhaltung verbindlicher ESG-Vorschriften durch die Geschäftsleitung durchsetzen können.
Während die Gesellschäftsführer:innen einer GmbH weitestgehend den Weisungen ihrer Gesellschafter:innen unterliegen, also die Einhaltung von ESG-Vorschriften durch entsprechende Weisungen durchgesetzt werden kann, stehen die Aktionär:innen einer AG vor Durchsetzungsproblemen. Denn der Vorstand leitet die AG gemäß § 76 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich, also weisungsfrei. Deshalb bedarf es in der AG einer ausgefeilten und auf den Einzelfall zugeschnittenen Corporate Governance, um die Einhaltung von ESG-Vorschriften zu gewährleisten.
ESG-Aktivitäten an die Vergütung knüpfen
Einige Unternehmen verwenden bei der Festlegung der variablen Vorstandsvergütung bereits Kennzahlen hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten. Darüber hinaus gibt § 87 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz vor, dass börsennotierte Aktiengesellschaften die Vorstandsvergütung so gestalten müssen, dass sie zur Nachhaltigkeit und zur langfristigen Unternehmensentwicklung beiträgt. Der Gesetzgeber hat im Zuge der Neufassung dieser Vorschrift ausdrücklich klargestellt, dass damit soziale und ökologische Nachhaltigkeit gemeint ist. Allerdings hat er weder den Begriff der Nachhaltigkeit näher definiert noch konkrete Kriterien vorgegeben, die umgesetzt werden müssen. Dies bleibt dem Aufsichtsrat überlassen, der hier entsprechenden Gestaltungsspielraum hat, wobei das Vergütungssystem von der Hauptversammlung genehmigt werden muss.
Menschenrechtsstrategie aufstellen
Unternehmen sollten klar festlegen, dass menschenrechtsbezogene Aktivitäten zur Geschäftsstrategie gehören. So kann Klagen von Investor:innen vorgebeugt werden, die argumentieren könnten, dass die Menschenrechte für ihr Geschäft nicht wesentlich sind. Die Argumente, die für die Verankerung von Menschenrechten in der Geschäftsstrategie sprechen, sind stark genug, um entsprechende Investitionen mit Blick auf die Business Judgement Rule rechtfertigen zu können.
Gesetze bieten Rechtssicherheit, ESG-Aspekte in der Strategie zu verankern
Da bestimmte Unternehmen durch das Lieferkettengesetz ab 2023 verpflichtet sind, ESG-Verpflichtungen zu erfüllen, gibt es immer weniger Argumente gegen damit im Zusammenhang stehende ESG-Investitionen – zumal Geschäftsleiter:innen nach der ihnen obliegenden sogenannten Legalitätspflicht verpflichtet sind, die entsprechenden gesetzlichen ESG-Vorgaben zu erfüllen. ESG-Investitionen können deswegen zumindest dann nicht mehr Gegenstand einer Klage der Gesellschafter:innen sein, wenn sie auf gesetzliche ESG-Vorgaben zurückgehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie dem erwerbswirtschaftlichen Leitbild von GmbH oder AG entgegenstehen. Insoweit bieten das Lieferkettengesetz und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive der EU also einen sicheren Hafen für Geschäftsleiter:innen, ESG-Aspekte in der Geschäftsstrategie zu verankern.