Deutschland ist für die USA einer der wichtigsten Handelspartner. Wenn US-Unternehmen ihre Aktivitäten für den deutschsprachigen Raum koordinieren, sitzen sie meist in Deutschland. Unsere neue Studie „US-Business in Germany“ zeigt aber, dass US-amerikanische Firmen immer skeptischer über den großen Teich schauen und ihre Investitionsvorhaben zurückfahren.
Vor zwei Jahren konnten sich noch 47 Prozent der von uns befragten Unternehmen vorstellen, in Deutschland mindestens zehn Millionen Euro zu investieren. Inzwischen sind es nur noch 24 Prozent. Wie also kann Deutschland wieder attraktiver für US-Unternehmen werden? Ich sehe vor allem fünf Punkte, die angegangen werden sollten.
Infrastruktur: Die Welt vernetzt sich – Deutschland macht nicht mit
Wenn Sie regelmäßig mit dem Zug fahren, kennen Sie das – durchgängigen Internetempfang gibt es quasi nicht. Wir brauchen gar nicht erst über den Ausbau des neuen 5G-Standards zu sprechen, wenn aktuell nicht einmal flächendeckender LTE-Empfang gewährleistet ist. Gerade ländliche Gebiete sind abgehängt. Auch im OECD-Vergleich hinkt Deutschland hinterher und droht den Anschluss zu verlieren. Eine gute Infrastruktur bildet aber die Basis für die Attraktivität eines Standorts und ist essentiell für das Thema Digitalisierung.
Digitalisierung: Das Thema sollte noch stärker priorisiert werden
Hier sehe ich viele Parallelen zum ersten Punkt. Und Abhängigkeiten. Technologien, die auf künstlicher Intelligenz und Automation basieren, können nur dann eingesetzt und genutzt werden, wenn die Infrastruktur stimmt. Deutschland hat seinen Nachholbedarf zwar erkannt und einiges in Gang gesetzt. Die Frage ist jedoch, ob es schnell genug geht. Das Thema Digitalisierung sollte eine höhere Priorität bekommen; Ansprechpartner beziehungsweise Zuständigkeiten sollten transparenter sein. Hier gibt es lange und umständliche Kommunikationswege zwischen Bund und Ländern. Es ist für Außenstehende nicht immer klar, wer welche Impulse gibt. Außerdem wird in Europa der ethische Aspekt der Digitalisierung viel stärker diskutiert als etwa in den USA. Auch diese grundsätzlichen Bedenken gegenüber neuen Technologien können zu einem Investitionshindernis werden.
Steuersystem: eine Investitionsbremse
Das deutsche Steuersystem hält wohl die meisten US-Unternehmen von möglichen Investitionen ab. Im europäischen Vergleich landet Deutschland hier auf den letzten Plätzen. Auch die US-Steuerreform spielt eine entscheidende Rolle. Denn ihretwegen ist es für US-amerikanische Unternehmen attraktiver, die Gewinne in den USA zu versteuern. Dazu kommen die hohen deutschen Steuersätze und zu wenige steuerliche Anreize für Investitionen runden das schlechte Bild ab. Ein Beispiel: In den Niederlanden etwa bekommen dort arbeitende Ausländer für einige Zeit Steuernachlässe. In Deutschland hingegen werden Expats voll besteuert.
Unterstützung bei Unternehmensgründungen: Es tut sich etwas – langsam
Die USA senden immer weniger Expats nach Deutschland. In der Vergangenheit wurden häufig Amerikaner in die Bundesrepublik geschickt, um dort die Tochterunternehmen zu leiten. Inzwischen werden die Stellen oft mit Deutschen besetzt. Ein Grund: Nur 17 Prozent fühlen sich bei Unternehmensgründungen bzw. -erweiterungen optimal unterstützt. Das erklärt auch, warum die Investitionsbereitschaft von US-Unternehmen zurückgeht. Inzwischen tut sich hier aber etwas. In den USA wird für den Standort Deutschland geworben. Ein gutes Zeichen – bis es allerdings in den Vereinigten Staaten wahrgenommen wird, dass Deutschland Investoren aktiv unterstützt, wird es allerdings noch dauern.
Fachkräftemangel: Grundlegende Reformen notwendig
Ein Thema, das nicht nur viele deutsche, sondern auch US-amerikanische Firmen beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Vor allem im IT-Bereich wird es immer schwieriger, gutes Personal zu finden. Ich denke, das deutsche Ausbildungssystem sollte reformiert werden, da es nicht ausreichend an die neuen Realitäten angepasst ist. Das verdeutlicht auch ein Gespräch, das ich kürzlich mit einem Amerikaner führte, der schon lange in Deutschland lebt. Er sagte, dass die Schule seiner Kinder noch so aussieht wie bei ihm damals in den 1970er-Jahren.
Bei aller grundsätzlichen Kritik sollte aber nicht vergessen werden, dass Deutschland in den USA weiterhin als attraktiver Standort und erster Ansprechpartner für Investitionen gesehen wird. Die Ergebnisse unserer Studie sind aber ein deutliches Signal dafür, dass diese Stellung zusehends in Gefahr gerät und Deutschland dringend grundsätzliche Investitionen und Vereinfachungen in Angriff nehmen sollte.