Ein Börsengang sorgt für reichlich Aufmerksamkeit. Größere IPOs schaffen es sogar in die Hauptnachrichten. Genauso wie ungewöhnliche Kursentwicklungen danach. Doch wann lohnt sich überhaupt ein Börsengang? Und welche Nachteile stehen dem gegenüber? Darüber haben wir mit Ralf Pfennig, Head of Deal & Capital Markets Services bei KPMG, gesprochen.
Warum geht man als Unternehmen an die Börse?
Ralf Pfennig: Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben. Sehr häufig sind es strategische Überlegungen des Managements bzw. der Gesellschafter. Neben der Option, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, spielt auch die damit einhergehende Exit-Möglichkeit der aktuellen Gesellschafter eine Rolle. Mit den über den Kapitalmarkt beschafften Mitteln können Investitionen in alte wie neue Geschäftsfelder getätigt werden. Sehr häufig werden die Emissionserlöse auch für M&A-Vorhaben verwendet. Insbesondere im Bereich von Wachstumsunternehmen stellt der Kapitalmarkt eine wichtige Quelle dar zur Finanzierung des weiteren Wachstums und ist häufig der logisch nächste Schritt, nachdem diverse Finanzierungsrunden abgeschlossen wurden. Die strategischen Überlegungen dahinter können also vielschichtig sein.
Nicht zuletzt bringt ein Börsengang mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Das ist in der Regel positiv für das Image der Unternehmen und eröffnet häufig auch weitere Möglichkeiten bspw. im Recruiting.
Dem gegenüber stehen aber auch höhere Anforderungen, etwa die unterjährigen Veröffentlichungspflichten und die Notwendigkeit, ad-hoc-Meldungen bei wichtigen Geschäftsvorfällen zu verschicken. Warum nicht lieber eine Anleihe auflegen oder sich über Kredite finanzieren?
Ralf Pfennig: Die Frage nach der besten Finanzierungsstrategie (Eigenkapital vs. Fremdkapital) muss jedes Unternehmen zu Beginn für sich beantworten. Hierbei spielen unter anderem Faktoren wie der aktuelle Verschuldungsgrad, die Gesellschafterstruktur, steuerliche und rechtliche/regulatorische Aspekte eine Rolle. Diese Analyse sollte ganz zu Beginn der Überlegungen stehen. Sehr häufig wird es in der Praxis auch ein Mix sein an unterschiedlichen Finanzierungsinstrumenten.
Der Vorteil des Kapitalmarkts liegt darin, die Instrumente einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und somit die Emissionsvolumina zu erhöhen. Jedes Instrument bringt spezifische Anforderungen mit sich: So ist auch für öffentliche Anleihen ein regelmäßiges Reporting notwendig. Wir empfehlen daher, zu Beginn eine fundierte Analyse der idealen Finanzierungsform durchzuführen und sich insbesondere – im Falle des angestrebten Kapitalmarktzugangs (Eigenkapital oder Fremdkapital) – frühzeitig auf diese erhöhten Anforderungen vorzubereiten. Wir bei KPMG nutzen dafür unseren etablierten IPO Readiness Check.
Früher oder später erwarten Aktionäre auch die Zahlung von Dividenden. Damit fließt Kapital aus dem Unternehmen, was für Investitionen oder Mitarbeiterboni fehlt. Warum ist ein Börsengang das wert?
Ralf Pfennig: Zunächst muss man sagen, dass die Dividendenerwartungen von Aktionären nicht an jedes Unternehmen gleichgerichtet sind. Es ist richtig, dass Aktionäre grundsätzlich eine Form von Rendite auf ihr Aktieninvestment erwarten. Diese Erwartung kann entweder durch Zahlung einer Dividende, aber auch durch Kurssteigerungen erfüllt werden. Im Schnitt tragen Kurssteigerungen sogar mehr als Dividenden zur Gesamtrendite von Aktien bei. Investoren unterscheiden grundsätzlich zwischen Wachstums- und dividendenzahlenden Aktien.
Wachstumsaktien gehören Unternehmen an, die ein hohes Wachstumspotenzial haben, weil sie zum Beispiel in zukunftsgerichteten Märkten agieren. Anstatt eine Dividende auszuschütten, investieren solche Unternehmen ihre Gewinne in ihr eigenes Unternehmen, sofern sie bereits profitabel sind. Investoren profitieren so von Wertsteigerungen in der Aktie. Dividendenzahlende Aktien gehören oft reifen Unternehmen an, die stabile Cashflows und Gewinne erwirtschaften und oft ein ähnliches Wachstum mit dem allgemeinen Markt aufweisen. Investoren erwirtschaften hier ihre Rendite mehrheitlich über Dividenden.
Wenn ein Unternehmen sich für den Börsengang entschieden hat, rückt der Emissionspreis in den Mittelpunkt, also der Preis der Aktien bei der Ausgabe. Wie bestimmt sich dieser Preis und worauf sollten Unternehmen dabei achten? Macht man sich dabei nicht sehr abhängig von der Stimmung an den Börsen zum IPO-Zeitpunkt?
Ralf Pfennig: Der Emissionspreis, auch Ausgabepreis genannt, rückt ab dem Zeitpunkt der öffentlichen Vermarktung in den Vordergrund. Nachdem das Unternehmen seine Intention eines Börsengangs mittels einer Pressemitteilung bekannt gegeben hat (sog. Intention to Float), beginnen die Aktienanalysten des jeweiligen Bankensyndikats mit der Vermarktung des Unternehmens. In diesem ersten öffentlichen Vermarktungsprozess werden innerhalb von 1-2 Wochen institutionelle Investoren mit dem Unternehmen und der jeweiligen Bewertung der Aktienanalysten vertraut gemacht. In diesem Prozess sammeln die Banken Bewertungsfeedback der Investoren ein und legen im Anschluss eine Preisspanne fest. Mit dieser Preisspanne geht das Management die verbleibenden 1-2 Wochen auf Roadshow. Parallel wird das Orderbuch der Syndikatsbanken aufgemacht welches sich während der Roadshow mit Orders der Investoren füllt. Der finale Ausgabepreis richtet sich nach Angebot und Nachfrage der auszugebenden Aktien. Im Idealfall ist das Orderbuch zum Ausgabepreis mehrfach überzeichnet, sodass man es optimal an die gewünschten Investoren allokieren kann und Nachfrage für eine positive Entwicklung im Aftermarkt „übrig lässt“. Die jeweilige Stimmung am Kapitalmarkt ist für einen erfolgreichen Börsengang dabei ganz entscheidend. Eine negative Marktstimmung, die beispielsweise durch makroökomische oder geopolitische Unsicherheiten hervorgerufen werden kann, beeinflusst das Investitionsverhalten der Investoren negativ und kann im schlimmsten Fall sogar zum Scheitern des IPOs führen.
Für Aktionäre ist natürlich der weitere Handel spannend: Wie entwickelt sich der Wert der Aktie? Aber welche Rolle spielt die Kursentwicklung für das Unternehmen? Ist der Aktienkurs nicht nur dann entscheidend, wenn eines Tages neue Aktien ausgegeben werden sollen?
Ralf Pfennig: Nachdem der Ausgabepreis festgelegt wurde und die Allokation des Orderbuches an die entsprechenden Investoren stattgefunden hat, ist der erste entscheidende Aktienkurs der Eröffnungskurs am Morgen des ersten Handelstages. Im Idealfall liegt der Eröffnungspreis leicht über dem Emissionspreis. In den ersten 30 Tagen nach Börsengang ist es erlaubt den Aktienkurs des Unternehmens entsprechend des Kursverlaufs zu stabilisieren. Das bedeutet, dass die stabilisierende Bank Aktien des Unternehmens bis zu einer bestimmten Grenze zurückkaufen kann, wenn der Aktienkurs unter den Ausgabepreis sinkt, um den Kurs wieder nach oben zu treiben. Nach Ablauf dieser Frist, entwickelt sich der Kurs unabhängig vom Eingreifen durch den Stabilisierungsmanager.
Eine fortlaufende positive Kursentwicklung ist dabei für alle Stakeholder, insbesondere für die Aktionäre und das Unternehmen wünschenswert. Braucht das Unternehmen zukünftig neues Eigenkapital für bspw. Investitionen in organisches oder anorganisches Wachstum, so kann es eine Kapitalerhöhung auf einem höheren Kursniveau durchführen und damit höhere Erlöse einsammeln. Für den Investoren gilt dasselbe, falls er seine Aktien verkaufen möchte, erwirtschaftet er so einen Gewinn, weil er zu einem niedrigeren Preis die Anteile beim Börsengang gezeichnet hat.
Für wen lohnt sich ein IPO? Gibt es ein Art Mindestemissionsvolumen, die ein Börsengang einspielen sollte?
Ralf Pfennig: Grundsätzlich kommt ein IPO in Frage, wenn die oben aufgeführten insbesondere strategischen Überlegungen einschlägig sind. Während es natürlich auch erfolgreiche Börsengänge mit Emissionsvolumen unter 100 Millionen Euro gibt, so gilt diese Größenordnung doch implizit als ‚Mindestvolumen‘, um auch für namhafte internationale Investoren von Interesse zu sein und um im Sekundärmarkt einen liquiden Handel in den Aktien zu ermöglichen. Gerade die größeren Publikumsfonds haben ein „überschaubares“ Interesse an einer Vielzahl kleiner Beteiligungen, da der Zeitaufwand für ein aktives Management einzelner Positionen bei kleineren Unternehmen und Beteiligungen nur unwesentlich kleiner ist als bei größeren Unternehmen.
Neben dem klassischen IPO gibt es auch weitere Wege. So kristallisiert sich insbesondere aktuell der Zugang zum Kapitalmarkt über eine sog. „Special Purpose Acquisition Company“ (kurz SPAC) als eine mögliche Transaktionsform heraus. Bei dieser Transaktionsform nutzt eine bislang nicht börsennotierte Zielgesellschaft die bereits vorhandene Börsennotierung der SPAC (Shell Company). Details zu dieser Transaktionsform haben wir kürzlich in einem Webcast vorgestellt.
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