Stahlindustrie: Wie kann Wasserstoff die Dekarbonisierung vorantreiben?

Wie die Stahlindustrie Kohle durch Wasserstoff ersetzt

Ein flächendeckendes Kernnetz sowie Importanreize sollen helfen, die Nachfrage zu decken.

Grüner Wasserstoff kann in zahlreichen Sektoren die Dekarbonisierung vorantreiben. Das gilt insbesondere für die Stahlindustrie. Diese will künftig Wasserstoff nicht primär als Energiequelle, sondern als Reduktionsmittel einsetzen, also eher als stoffliche statt als energetische Anwendung.

Aktuell verursacht die Stahlindustrie jedoch noch etwa sechs Prozent der deutschen CO2-Emissionen und gehört damit zu den größten industriellen Emittenten. Dabei kann jede Tonne grünen Wasserstoffs hier 28 Tonnen an CO2 einsparen – und eröffnet somit in der Stahlindustrie besonders großes Potenzial.

Die Industrie forscht längst daran, wie in bestehenden Hochöfen konventionelle Kohle durch grünen Wasserstoff ersetzt werden kann, um „grünen Stahl“ zu produzieren. Eine entsprechende Anlage am größten deutschen Stahlhüttenwerk in Duisburg soll Ende 2026 in Betrieb gehen und bis zu 3,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen. Da mit der Fertigstellung der Anlage der hierfür notwendige grüne Wasserstoff noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, soll allerdings zunächst emissionsarmer blauer Wasserstoff als Brückentechnologie in einer Direktreduktionsanlage zum Einsatz kommen.

Ein ähnliches Projekt ist die geplante nahezu CO2-freie Stahlproduktion in Salzgitter. Geeignete Öfen ebenso wie Elektrolyseanlagen zur grünen Wasserproduktion sollen 2025 in Betrieb gehen.

Bis 2033 soll die Umstellung der Stahlproduktion abgeschlossen sein – und damit weit vor den gesetzlichen Anforderungen. Projekte dieser Art werden von Ländern, Bund sowie der Europäischen Union gefördert.

Steigende CO2-Preise machen grünen Stahl wettbewerbsfähiger

Doch bleibt trotz dieser milliardenschweren Förderungen zu klären: Wie wettbewerbsfähig ist dieser grüne Stahl, der so umfassende Modernisierungen erfordert? Diese Frage stellt sich insbesondere nach der Abwanderung deutscher Chemiekonzerne in die USA aufgrund der Steuervorteile des Inflation Reduction Act. Trotzdem sind wir hier optimistisch. Nicht zuletzt aufgrund des neuen CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (CBAM) werden fossile Energieträger immer kostspieliger. Das senkt auch die Preisdifferenz zwischen konventionell produziertem und grünem Stahl.

Deutschland wird ein Wasserstoffkernnetz nutzen

Grüner Stahl lässt sich natürlich nur produzieren, wenn hierfür genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Entsprechend intensiv investiert Deutschland: Ein beachtliches Wasserstoffkernnetz über mehr als 11.000 Kilometer soll bis 2032 den industriereichen Westen und Süden Deutschlands an die Wasserstoffproduktion im Norden koppeln. Es soll nationale und internationale Erzeuger mit Verbrauchern sowie wichtigen Wasserstoffprojekten verknüpfen und damit die komplette Wertschöpfungskette abdecken. Dafür ist die Erhöhung der heimische Elektrolysekapazität von fünf auf mindestens zehn Gigawatt bis 2030 geplant. Dies ist eine beachtliche Einspeiseleistung.

Hinzukommt die sogenannten HY-5-Initiative der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Ihr Ziel ist es, Norddeutschland zur führenden Region für grünen Wasserstoff in Europa zu machen. Hierfür investieren sie 3,6 Milliarden Euro in zahlreiche Projekte, darunter mehrere Power-to-Gas-Anlagen. Dabei setzen sie auch auf die besonders günstigen Voraussetzungen für Wasserstoffwirtschaft in der Region: Hier gibt es mit der stark vertretenen Stahlindustrie bereits viele potenzielle Abnehmer. Für sie kann direkt vor Ort Wasserstoff hergestellt werden. Die nötige grüne Energie liefern Windparks – on und offshore. Außerdem gibt es hier bereits umfangreiche Gasspeicher.

Wasserstoffimporte für grünen Stahl sollen die Beschaffungslücke schließen

Dennoch wird die Stahlindustrie auf Wasserstoffimporte aus dem Ausland angewiesen sein.

Dieses kann etwa in Form flüssiger organischer Wasserstoffträger oder als Ammoniak transportiert und anschließend als Gas in die Netze gespeist werden. Auch hier ist es sinnvoll, dass die Bundesregierung Förderung ermöglicht: Bereits 2022 startete über die H2 Global Initiative ein Vergabeverfahren, um Wasserstoffimportprojekte oder deren Derivaten anzureizen. Hier stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Umwelt (BMWK) Mittel im Umfang von 900 Millionen Euro bereit, um die Lücke zwischen Marktpreis und den tatsächlichen Kosten für Wasserstoff zu decken.

Die Weichen sind also gestellt. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben den Planungsstand für das künftige überregionale Wasserstoffkernnetz an das BMWK und die Bundesnetzagentur übergeben. Somit ist ein wichtiger Schritt für die Planung des Wasserstoffnetzes in Deutschland getan. Deutschland will den Wasserstoffhochlauf erreichen und fördert auch entsprechende Projekte der Stahlindustrie. Mit Blick auf die Klimaziele – und den Erhalt des Industriestandorts Deutschland – ist das genau der richtige Weg.