Wasserstoff-Leitung im Sonnenuntergang

Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie nicht ausreichend?

Acht Punkte, bei denen unsere Energieexperten Handlungsbedarf sehen.

Wasserstoff gilt als der Energieträger der Zukunft. Es wird aus heutiger Sicht keine effektivere Möglichkeit geben, die Gasversorgung in Deutschland zu ersetzen.

Deutschland hat jedoch beim Aufbau seiner Wasserstoffinfrastruktur noch Nachholbedarf: Bereits 2022 beabsichtigte die Bundesregierung, die Nationale Wasserstoffstrategie fortzuschreiben, um das Ziel zu verfolgen, Leitmarkt für grüne Wasserstofftechnologie zu werden. Dieses Vorhaben ist bisher aber nicht in dem angedachten Maße erfolgt. Es herrscht Nachholbedarf.

Dabei sind folgende Punkte entscheidend:

Erstens: Klimaschutzverträge stärker verankern

Die Klimaschutzverträge sollten als zentrales Instrument noch stärker verankert und fokussiert werden, vor allem, um die Nachfrage für den Wasserstoffhochlauf in verschiedenen Industriebereichen anzureizen.

Zweitens: Mehr Planungssicherheit für die Wasserstoffwirtschaft

Die Wasserstoffwirtschaft braucht konkrete Regularien für den Aufbau eines Wasserstoffmarktes mit funktionierendem Marktdesign. Aktuell fehlt es der Wirtschaft und den Netzbetreibern an rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Planung und Umsetzung des Wasserstoffnetzes. Das überregionale Kernnetz mit einer derzeitigen Länge von rund 11.200 Kilometern kann nur ein erster Schritt sein. Auch die Anhebung des nationalen Ausbauziels der Elektrolysekapazitäten auf mindestens 10 Gigawatt im Jahr 2030 reicht nicht, um den prognostizierten Gesamtwasserstoffbedarf von bis zu 130 Terrawattstunden zu decken.

Drittens: Flexibel bleiben durch Technologieoffenheit

Damit die Energiewende gelingt, sollte die Wasserstoffstrategie marktorientiert sein und zum geopolitischen Umfeld passen. Brückentechnologien, etwa blauer Wasserstoff aus Erdgas und anschließender CO2 -Speicherung, haben an Relevanz gewonnen, auch um die Emissionsziele zu erreichen. Das erneuerbare Energiesystem der Zukunft sollte technologieoffen gestaltet werden. Konkret: Die Bundesregierung sollte ihre Ambitionen hinsichtlich einer Carbon-Management-Strategie weiter vorantreiben und die Dialoge mit allen Stakeholdern im Herbst 2023 fortsetzen.

Viertens: Infrastruktur für alle Sektoren schaffen

Mit dem Kernnetz kann der Aufbau der notwendigen Transportinfrastruktur inklusive Ertüchtigung der bestehenden Gasnetze durch Industrie und Netzbetreiber gelingen – die Wasserstoffspeicherstrategie muss jedoch konkretisiert werden. Es ist von großer Bedeutung, die strategische Planung präziser zu gestalten und dabei langfristige Produktions- und Importcluster sowie die Bedarfe der Sektoren (Industrie, Strom, Verkehr, Wärme) sorgfältig zu berücksichtigen. Effiziente Umnutzung bestehender Gasnetzinfrastruktur erfordert eine Anpassung für Wasserstoffnetzbetreiber auf europäischer Ebene – Rechtssicherheit ist beim Übergang vom Gas- zum Wasserstoffnetz und bei der Stilllegung von Gasnetzen zwingend notwendig.

Fünftens: Wettbewerbsfähig bleiben

Die Bundesregierung sollte sich aktiv für die Entwicklung eines globalen Marktes mit nachhaltigen, transparenten und international anschlussfähigen Regeln und Kriterien einsetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu gewährleisten. Angesichts des Inflation Reduction Act der USA, der das Potenzial hat, sich nachhaltig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und das Erreichen der Klimaziele auszuwirken, ist es umso wichtiger, dass Deutschland robuste Versorgungsketten aufbaut und finanzielle Anreize für den eigenen sowie den europäischen Markt schafft. Nur so kann sichergestellt werden, dass Investitionen in erneuerbare Energien nicht ausschließlich in Richtung USA abfließen.

Sechstens: Weniger Bürokratie, mehr Beschleunigung

Das Investitionsumfeld sollte deutlich verbessert werden. Hierzu gehört, Genehmigungen auf allen Ebenen zu beschleunigen und Verfahren zu vereinfachen. Einerseits bestehen noch regulatorische Hürden und damit Unsicherheiten, ob insbesondere der Ausbau der Windenergie auf See und der Elektrolysekapazitäten auf See und an Land zügig genug umgesetzt werden können. Das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz sollte präzisiert werden, um Genehmigungsverfahren für Transport-, Import- und Speicherinfrastruktur sowie Erzeugungsanlagen zu vereinfachen. Wünschenswert ist es, dieses Jahr eine gesetzliche Umsetzung zu erreichen.

Siebtens: Eine konkrete Importstrategie

Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird deutlich früher und erheblicher ansteigen. Die geänderten Rahmenbedingungen zeigen Auswirkungen auf die notwendige Rolle von Wasserstoff und dessen Hochlauf: Insbesondere führten das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft in Deutschland 2045 sowie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zu einer beschleunigten Nachfrage. Doch wo soll der Wasserstoff herkommen? Wir brauchen eine konkrete Importstrategie, die klare Mengen benennt und internationale langfristige Partnerschaften aufbaut, mit dem Ziel, den Bedarf an grünem Wasserstoff für Wirtschaft und Verkehr verlässlich bereitzustellen. Es ist wichtig, staatliche Garantien zur Sicherung von Angebot und Nachfrage einzusetzen und während des Markthochlaufs die Förderung der Preisdifferenz zwischen Beschaffungskosten und Abnahmepreis zu berücksichtigen.

Achtens: Robuste Versorgungsketten aufbauen

Elektrolyseure benötigen seltene Elemente. Dafür haben sich Lieferzeiten aktuell stark verlängert. Für den beschleunigten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist es wichtig, robuste Versorgungsketten aufzubauen und auch bei den Zulieferern in eine Serienfertigung zu kommen. Hierfür sollte die Bundesregierung ihre Beziehungen zu Lieferanten ausbauen.

Fazit

Die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie ist ein wichtiger, aber nicht ausreichender Schritt. Ein belastbarer Ausblick, präzisere Planung und solide rechtliche Rahmenbedingungen sind dringend erforderlich, um die Wasserstoffstrategie zu optimieren und Deutschlands Position als Leitmarkt für Wasserstofftechnologie zu etablieren. Die Bundesregierung sollte ihre Bemühungen zur Entwicklung eines globalen Wasserstoffmarktes intensivieren und eine robuste Importstrategie berücksichtigen. Weitere Anpassungen sind notwendig, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und den prognostizierten Wasserstoffbedarf zu decken. Die maßgeblichen Akteure aus Industrie, Energiewirtschaft, Bund und Ländern sollten weiterhin gut zusammenarbeiten, um Wasserstoff zu einer Erfolgsgeschichte werden zu lassen.