Deutsche Unternehmen zieht es aus vielen Gründen ins Ausland:
- um neue Absatzmärkte zu erschließen,
- kostengünstiger zu produzieren,
- Zugang zu Forschung und Entwicklungen in anderen Weltregionen zu gewinnen,
- die Geschäftsaktivitäten zu diversifizieren oder
- Lieferketten abzusichern.
Gleichzeitig erhöht sich der Druck von außen: Geopolitische Spannungen, der Trend zur Regionalisierung der gesamten Wertschöpfungsketten, wachsender Protektionismus und die Störungen globaler Lieferketten treiben die Internationalisierung zusätzlich voran.
Der Schritt ins Ausland will jedoch gut vorbereitet sein. Viele Unternehmen unterschätzen die Anforderungen internationaler Märkte, insbesondere beim Einstieg in ganz neue Märkte, wie Indien, Südostasien, Afrika, Mittlerer Osten oder Südamerika. Doch auch die eher etablierten Märkte, wie die USA, China oder Osteuropa verändern sich ständig und bergen für deutsche Unternehmen vielfältige Herausforderungen – aber auch neue Geschäftschancen.
Zielmärkte deutscher Unternehmen: Die USA sind mit Abstand der wichtigste Standort für deutsche Auslandseinheiten, gefolgt von China, Frankreich und dem Vereinigten Königreich.
Ein häufiges Problem: Der Markteintritt erfolgt überstürzt, ohne systematische Vorbereitung oder fundierte Marktkenntnis. Die Folge sind strategische Rückschläge, Reputationsverluste und teure Umstrukturierungen. Zehn typische Fehlannahmen bei der Auslandsexpansion – und praxisnahe Beispiele – zeigen, worauf es wirklich ankommt.
1. Expansion ist nicht der Anfang
Internationale Aktivitäten beginnen nicht im Zielmarkt, sondern mit einer Analyse der eigenen Prozesse, Kompetenzen und Ziele. Unternehmen, die diesen Schritt überspringen, riskieren operative Überforderung. Ein Beispiel: Ein deutscher Maschinenbauer expandierte nach Südostasien, ohne lokale Service-Strukturen, angepasste Lieferketten und interkulturelle Schulung. Nach Reklamationen und Rückzug folgte ein zweiter, erfolgreicher Anlauf – diesmal auf Basis einer internen Reorganisation.
2. Kundenbedürfnisse sind nicht überall gleich
Kunden erwarten Lösungen, die an ihren Bedarf und Geschmack angepasst sind. Erfolgreiche Unternehmen passen ihre Produkte an die lokalen Märkte an. Ein großer deutscher Konsumgüterkonzern ist in Westafrika erfolgreich, weil er Hautpflegeprodukte für die besonderen Bedürfnisse von dunkler Haut entwickelt hat und diese in sehr kleinen Verpackungsgrößen vertreibt.
3. Führung aus der Konzernzentrale allein reicht nicht
Internationale Aktivitäten müssen lokal operativ verankert werden – nicht nur auf Ebene der Zentrale in Deutschland. Zudem müssen alle Funktionsbereiche eingebunden werden, insbesondere HR, IT und Vertrieb. So gelang der Markteintritt eines deutschen Konzerns in Indien erst mit lokalen Zuständigkeiten und Budgets.
4. „Copy and paste“ des Wettbewerbs führen ins Aus
Benchmarks liefern Orientierung, ersetzen aber keine eigene Strategie. Ein deutscher mittelständischer Automobilzulieferer folgte der Expansionsstrategie seines deutschen Konkurrenten in China und war erst erfolgreich als er den Fokus auch auf die lokalen chinesischen Automobilkonzerne als weitere Kunden richtete.
5. Internationalisierung ist keine Frage der Unternehmensgröße
Auch kleine Mittelständler und Start-ups können international erfolgreich sein – wenn sie gezielt vorgehen. Ein deutsches Food-Startup nutzte digitale Plattformen, um ohne Niederlassung in den USA zu wachsen. Heute ist der US-Markt der größte Umsatzträger.
6. Jeder Markt ist einzigartig
Jedes Markt unterliegt eigenen Gesetzmäßigkeiten, unterscheidet sich kulturell und basiert auf lokalen Ökosystemen. Ein deutscher Automobilzulieferer verlor in Mexiko wichtige Ausschreibungen, weil die entscheidenden persönlichen Beziehungen vor Ort fehlten. Erst mit lokalem Relationship Management kam der Erfolg.
7. Lokale Vertriebspartner allein sichern keinen Erfolg
Ohne Markenaufbau, After-Sales-Strukturen und digitale Präsenz ist der Erfolg nicht nachhaltig. Ein deutscher Medizintechnikhersteller scheiterte in Brasilien, weil der Vertriebspartner keinen Aftersales-Service anbieten konnte. Erst mit lokalem Service-Team und digitalem Kundenportal wuchs das Geschäft.
8. Internationalisierung erfordert Fokus und Engagement
Wer sich neue Märkte nebenbei erschließen will, unterschätzt die Komplexität und riskiert hohe Kosten sowie Reputationsschäden. Ein deutsches SaaS-Unternehmen startete in Frankreich ohne rechtskonforme AGBs und Datenschutzkonformität – und wurde umgehend abgemahnt. Rechtliche, steuerliche und operative Besonderheiten erfordern volle Aufmerksamkeit.
9. Attraktive Märkte sind nicht immer die naheliegenden
Wachstumsstrategien sollten daten- und potential-basiert langfristig geplant werden. Traditionelle Märkte sind nicht unbedingt die profitabelsten. Ein deutscher Maschinenbauer entschied sich gegen den US-Markt und für Vietnam – nach detaillierter Analyse und mit lokalem Netzwerk. Heute zählt der Standort zu den profitabelsten.
10. Internationalisierung ist kein Ziel, sondern ein Weg
Internationale Geschäftstätigkeit ist ein kontinuierlicher Anpassungsprozess an sich stetig verändernde Umfeldbedingungen. Ein deutscher Industriekonzern ist von den Exportbeschränkungen seltener Erden aus China massiv betroffen und musste seine Produktion stoppen. Jetzt sucht er alternative Lieferanten, forscht an Ersatzmaterialien und erkundet Möglichkeiten zum Recycling.
Fazit
Internationalisierung verlangt Struktur, Vorbereitung, Fokus, Innovation und fortlaufende Agilität. Wer strategisch denkt, vorausschauend plant, lokal agiert und systematisch handelt, erhöht die Erfolgsaussichten deutlich – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße.